31.08.2010

Master mit Diplom

Der Abschluss „Diplom-Physiker“ sollte als weltweit anerkanntes Gütesiegel erhalten bleiben.


Physik Journal – Der Abschluss „Diplom-Physiker“ sollte als weltweit anerkanntes Gütesiegel erhalten bleiben.

Das Rad der Bologna-Reformen lässt sich nicht zurückdrehen. Deren zentrales Ziel, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum und ein „Europa des Wissens“ zu schaffen, bewerten die DPG und die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) als uneingeschränkt positiv. Wie kaum eine andere Wissenschaft profitiert die Physik vom Austausch innerhalb Europas und über die Grenzen der Kontinente hinweg.

DPG und KFP haben die Umstellung der Physik-Studiengänge konstruktiv begleitet und dabei deren Kontinuität und Qualität sichergestellt. Deutschland gehört – wie eine Studie der European Physical Society zeigt – in der Physik zu den Staaten, die die Bologna-Beschlüsse weitgehend umgesetzt haben.

Bild: Meinung von Prof. Dr. Gerd Ulrich Nienhaus (KIT Karlsruhe), Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik und DPG-Vorstand für Bildung und wissenschaftlichen Nachwuchs.

Nur ungern haben Lehrende wie Studierende vom traditionellen Abschlussgrad „Diplom-Physiker/ -Physikerin“ Abschied genommen, der ein von Wissenschaft und Wirtschaft geschätztes und weltweit anerkanntes Gütesiegel für auf höchstem Niveau ausgebildete Absolventen ist.

Mit großem Interesse und Zustimmung haben wir daher die Initiative der im Verband TU9 zusammengeschlossenen Techni-schen Universitäten aufgenommen, zum Abschluss des Master-Studiengangs Ingenieurwissenschaften den Grad „Diplom-Ingenieur“ verleihen zu wollen. Schließlich liegt es auf der Hand, dass für den „Diplom-Physiker“ dieselben Überlegungen zutreffen, die dieser Initiative zu Grunde liegen.

Keine der Erklärungen zur Bologna-Reform legt fest, mit welchen akademischen Graden die Studiengänge im gestuften System abzuschließen sind. Vielmehr haben die europäischen Minister am 12. März 2010 noch einmal bekräftigt, dass der Reformprozess auf „trust, cooperation and respect for the diversity of cultures, languages, and higher education systems“ beruhe.

Dieses Bekenntnis zur Vielfalt der Bildungssysteme wollen KFP und DPG beim Wort nehmen: Im Juni 2010 haben wir die Kultusministerkonferenz (KMK) und die zuständigen Landesministerien aufgefordert, ihre Gestaltungsspielräume zu nutzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Fachbereiche den Absolventen eines Master-Studiengangs Physik den Abschlussgrad „Diplom-Physiker/Diplom-Physikerin“ verleihen können.

Diese Option bedeutet keine Abkehr von den Zielen der Bologna-Reform und vom zweistufigen Studiensystem. Gerettet würde eine starke Marke, die Physik-Absolventen der deutschen Universitäten seit Jahrzehnten zu gefragten Mitarbeitern in Wirtschaft und Wissenschaft macht, im In- und Ausland. Dieses symbolische Kapital zu verspielen, bedeutet einen persönlichen Wettbewerbsnachteil für jeden, der sein Studium an einem Physikfachbereich in Deutschland abschließt – und einen Standortnachteil für unsere Universitäten im europäischen Hochschulraum.

Sowohl die KFP als auch der DPG-Vorstand haben die Forderung nach einem Erhalt des Diploms intensiv und durchaus kontrovers diskutiert. Bedenken, dass man eine ganze Studierendengeneration verunsichern und in Öffentlichkeit und Politik auf Unverständnis stoßen könne, wurden ernsthaft erwogen. Nach meiner Einschätzung ist jedoch eine Verunsicherung durch eine „neue Unübersichtlichkeit“ bei den Abschlüssen nicht zu befürchten, wenn die Äquivalenz der Abschlussgrade des zweiten Zyklus gewahrt und – etwa im ohnehin verbindlichen „Diploma Supplement“ – entsprechend kommuniziert wird.

Der Vorstoß der Ingenieure, der in den eigenen Reihen ebenfalls nicht unumstritten ist, hat jedenfalls Unterstützer gefunden: Der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg wird das Thema auf die Tagesordnung der KMK bringen. Dem DPG-Präsidenten und mir hat Bundesforschungsministerin Annette Schavan versichert, dass sie eine Öffnung der starren Regelung, am Ende des zweiten Zyklus in Deutschland nur Master-Abschlussgrade vergeben zu können, für die Ingenieurswissenschaften wie für die Physik befürwortet.

Ob die KMK eine solche Öffnung beschließen wird, ist ungewiss. Für jeden Physik-Absolventen wäre es jedenfalls ein Nachteil, wenn nur die Ingenieure, mit denen sie auf dem Arbeitsmarkt oft konkurrieren, das Gütesiegel Diplom führen dürften. Und für die Identität des Faches Physik – und damit letztlich für die Zukunft sowohl der Physikfachbereiche als auch der DPG als wissenschaftlicher Fachgesellschaft – wäre es ein großer Gewinn, wenn weiterhin ein Abschlussgrad verliehen werden könnte, der anders als der „Master of Science“ unsere Fachwissenschaft in seinem Namen führt und die Absolventen kenntlich macht: als Diplom-Physikerinnen und -Physiker.

Gerd Ulrich Nienhaus

Quelle: Physik Journal, August/September 2010, S. 3

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