18.04.2018

Materialprüfung mit Terahertz-Technik

Schwebung zweier Dauerstrich-Laser erzeugt Terahertz-Strahlung zur Echt­zeit-Schicht­dicken­messung.

Terahertz ist eine Schlüsseltechnik für die zerstörungs­freie Werkstoff­prüfung. Wesentliche Vorteile sind Unter­suchungen ohne physischen Kontakt und die Analyse komplexer Systeme mit niedrigem Kontrast­bereich, bei der etablierte Verfahren wie Ultra­schall in der Regel versagen. Forschern am Fraun­hofer Heinrich-Hertz-Institut HHI ist es gelungen, ein kosten­effizientes und kompaktes Mess­system zu entwickeln, das erst­mals Dicken von Mehr­schicht­systemen in Echt­zeit bestimmt, eine essentielle Technologie z.B. für Lackierungs­straßen.

Abb.: Das Foto zeigt den T-Sweeper und die schnell durchstimm­bare Laser­quelle Finisar WaveSource im Aufbau zur Schicht­dicken­bestimmung. (Bild: Fh.-HHI)

Vor gut zehn Jahren war die Terahertz-Strahlung schon einmal ein großes Thema, so sollten mit­hilfe der Tera­hertz-Strahlung Mess­systeme für die Material­prüfung und Kontrolle von Bau­teilen entwickelt werden. Trotz großer Erwartungen gelang der Tera­hertz-Technologie lange nicht der Durch­bruch. Im Vergleich zu klassischen Verfahren, die heute zur zerstörungs­freien Werkstoff­prüfung eingesetzt werden, etwa Röntgen­strahlung oder Ultra­schall, galt die Tera­hertz-Technologie schlicht als zu teuer.

In den letzten Jahren wurden aber zunehmend Systeme vorgestellt, welche auf Basis von Standard­komponenten konstruiert und damit deutlich kosten­effizienter herzustellen sind. Diese Entwicklungen wecken bereits Interesse bei potenziellen Anwendern. Um die Tera­hertz-Technologie als Instrument der industriellen Prozess­kontrolle zu etablieren, müssen die System­kosten und die Komplexität der Systeme jedoch weiter sinken.

Die aktuellen Entwicklungen des Fraunhofer HHI könnten der Tera­hertz-Technologie jetzt einen entscheidenden Schub verleihen. Den Forschern um Björn Globisch, Leiter der Tera­hertz-Forschungs­gruppe am Fraunhofer HHI, ist es gelungen, ein Mess­gerät zu entwickeln, in dem die bisher eingesetzte Femto­sekunden-Pulslaser durch kompakte Dauer­strich-Laser ersetzt wurden. Entscheidend dabei ist, dass dieses Dauer­strich-Mess­system acht Messungen pro Sekunde ermöglicht und damit erstmals Echtzeit­messungen ohne Verwendung eines gepulsten Lasers erlaubt. Auf der Hannover Messe werden die Wissen­schaftler dieses Terahertz-Mess­system vorstellen und die berührungs­lose Schicht­dicken­bestimmung verschiedener Mehr­schicht­systeme live demonstrieren.

Das vom Fraunhofer HHI eingesetzte Prinzip zur Erzeugung von Tera­hertz-Strahlung basiert auf einem opto­elektronischen Verfahren. Mithilfe eines speziellen Halb­leiter­bau­elements wandelt man dabei die Schwebung zweier Dauer­strich­laser in Tera­hertz-Strahlung um, die genau der Differenz­frequenz der beiden Laser entspricht.

Dass der Terahertz-Technologie der große Erfolg bislang verwehrt blieb, liegt insbesondere an den benötigten Eigen­schaften der verwendeten Halb­leiter. Diese lassen sich zunächst nur mit Materialien erzielen, die eine Beleuchtung mit einer Wellen­länge um 800 Nanometer erforderten. Sowohl die Laser als auch die optischen Komponenten des Tera­hertz-Systems sind bei dieser eher exotischen Wellen­länge aber deutlich zu teuer und nicht robust genug für den industriellen Einsatz.

„Wir haben deshalb einen Halb­leiter entwickelt, der sich mit Laser­licht von 1,5 Mikro­meter Wellen­länge anregen lässt“, schildert Globisch. „In der optischen Nachrichten­technik ist das der Wellen­längen-Standard, sodass es hier eine große Zahl kosten­günstiger und qualitativ hoch­wertiger optischer Bauteile und Laser gibt.“ Auf dem Weg zum konkurrenz­fähigen Tera­hertz-System für die Material­prüfung musste aber noch eine weitere Hürde überwunden werden: Der Puls­laser, auf dem alle gängigen echtzeit­fähigen Tera­hertz-Systeme basieren, ist ein entscheidender Kosten­faktor bestehender Systeme. Femto­sekunden-Laser sind nicht nur selbst schon technologisch aufwändig und teuer, Tera­hertz-Spektro­meter, die mithilfe von gepulsten Lasern betrieben werden, erfordern zusätzlich aufwändige opto­mechanische Bauteile.

Eine Alternative stellt die Dauerstrich-Spektro­skopie. Zwei Dauerstrich-Laser­quellen werden dabei gemischt und ihr Schwebungs­signal in einem speziellen Halbleiter­element in Tera­hertz-Strahlung umgewandelt. Durch Verstimmen der Laser-Wellen­längen zueinander lässt sich die Wellenlänge der erzeugten Tera­hertz-Strahlung auf einfache Weise verändern. Dauer­strich-Systeme haben dabei zwei entscheidende Vorteile gegenüber gepulsten Tera­hertz-Systemen: Einerseits sind die Laser­quellen selbst kompakter und günstiger, andererseits benötigt man keine opto­mechanischen Komponenten für den Betrieb des Systems.

Dauerstrich-Terahertz-Systeme sind zwar bereits erhältlich, benötigen jedoch zur Erfassung eines voll­ständigen Mess­signals einige Sekunden bis Minuten. Dagegen sieht die industrielle Anwendung oft so aus: In der Produktion fährt ein Roboter­arm Mess­punkte an lackierten oder beschichteten Bauteilen ab und misst die Beschichtungs­dicke. Um den Produktions­takt einzuhalten, bleibt daher pro Mess­punkt wenig Zeit. Bisher war die Mess­geschwindigkeit von Dauer­strich-Tera­hertz-Systemen nicht hoch genug, um Anwendungen in der zerstörungs­freien Prüfung zu adressieren.

Das Fraunhofer HHI hat dieses Problem gelöst, indem extrem schnell durch­stimmbare Laser eingesetzt und die Elektronik, Daten­erfassung und Algorithmen auf die hohen Geschwindig­keiten angepasst werden. Durch diese Kombination ist es gelungen, die Mess­geschwindigkeit im Vergleich zu bisherigen Systemen um den Faktor 160 zu steigern. Damit ist erstmalig Material­prüfung in Echt­zeit mit Dauer­strich-Tera­hertz-Systemen möglich.

Die Überprüfung von Lacken und Beschichtungen ist eine wichtige Anwendung der berührungs­losen Tera­hertz-Mess­technik. Dabei stellt die Schicht­dicken­bestimmung einen wesentlichen Teil der Qualitäts­sicherung und Produktions­kontrolle dar. So werden beispiels­weise Mindest­dicken sichergestellt, der Ressourcen­verbrauch durch Material­überschuss reduziert und Nach­besserungen vermieden. Auf metallischem Untergrund, wie einem Auto­blech, kann man heute handliche Wirbel­stromgeräte einsetzen. Auf schlecht leitenden Faser­verbund­werk­stoffen aber versagt dieses Verfahren.

Ultraschall bietet hier zwar eine Alternative, setzt jedoch wiederum mechanischen Kontakt zur Ober­fläche voraus. „Der Bedarf nach einem zuverlässigen Mess­verfahren ist groß“, weiß Globisch, „weil der Markt für Verbund­werkstoffe in der Auto-, Flugzeug- und Wind­kraft­industrie wächst.“ Hier liegt der große Vorteil der Tera­hertz-Technologie: Die Messung erfolgt zerstörungs­frei und berührungs­los, sodass sich auch nicht vollständig getrocknete Beschichtungen vermessen lassen. Außerdem ist die Qualität der Ergebnisse temperatur­unabhängig und Mehr­schicht­systeme können direkt aufgelöst werden. Nicht zuletzt ist die Tera­hertz-Strahlung nicht-ionisierend und auf Grund der geringen Leistung für den Menschen ungefährlich.

Obwohl das neue Terahertz-Messsystem aus kosten­günstigen optischen Standard­komponenten aufgebaut wird, ist es derzeit noch teurer als beispiels­weise Ultra­schall­geräte, die in Stück­zahlen von vielen Hundert­tausend gefertigt werden. „Der Preis wird sich aber mit einer künftigen Serien­fertigung angleichen“, prognostiziert Globisch. Angesichts der Vorteile des Mess­verfahrens und der aktuellen Fortschritte ist der Forscher davon überzeugt, dass sich das Tera­hertz-Verfahren in den kommenden Jahren als Mess­verfahren der zerstörungs­freien Material­prüfung etablieren wird. Auf der Hannover Messe vom 23. bis zum 27. April 2018 wird das neue Tera­hertz-Mess­system T-Sweeper live vorgestellt (Fraunhofer-Stand C22, Halle 2).

HHI / DE

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