Mehr Freiheit wagen
Mit dem Fünf-Punkte-Plan für mehr Autonomie in der Wissenschaft stärkt die Bundesregierung die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems
Mit dem Fünf-Punkte-Plan für mehr Autonomie in der Wissenschaft stärkt die Bundesregierung die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems. Von Annette Schavan.
Das deutsche Wissenschaftssystem steht vor großen Herausforderungen: Der internationale Wettbewerb um die besten Talente, um Forschungsmittel und große Forschungsprojekte – bei gleichzeitiger Stärkung des eigenen Profils – wird immer härter. Damit sich das deutsche Wissenschaftssystem auch in Zukunft an der Weltspitze behaupten kann und Deutschland ein attraktiver Ar-beitsplatz für Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt bleibt, setzt unsere Wissenschaftspolitik auf mehreren Ebenen an: Wir brauchen neben entsprechenden Investitionen auch moderne Konzepte für strukturelle Entwicklungen und mehr Spielräume für die Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen. Hier haben wir bereits einiges bewegt: Im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation haben Bund und Länder in den letzten Jahren in erheblichem Umfang zusätzliche Mittel für das Wissenschaftssystem bereitgestellt, insbesondere dafür, die Innovationskraft der deutschen Forschung zu stärken und auszubauen. Mit der Exzellenzinitiative hat der Bund wichtige Impulse für die Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gegeben. Ziel ist dabei auch, Forschungsleistungen aus Deutschland international sichtbarer zu machen.
Doch Geld allein reicht nicht aus, auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die deutschen Wissenschaftseinrichtungen brauchen mehr Selbstständigkeit, mehr Spielräume und mehr Eigenverantwortung. Denn erhöhte Autonomie, insbesondere in Budget- und Personalangelegenheiten, wirkt sich auch auf die Forschungsleistungen einer Einrichtung. Deshalb hat die Bundesregierung die Initiative „Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ auf den Weg gebracht und Ende Juli den Fünf-Punkte-Plan für mehr Auto-nomie in der Wissenschaft beschlossen.
Zentrales Anliegen der Initiative ist es, die Flexibilität des Gesamtsystems zu erhöhen und zugleich die Eigenverantwortung der Wissenschaftseinrichtungen zu stärken. Die Initiative umfasst fünf Bereiche: die Haushaltswirtschaft, das Personalwesen, die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie das Bau- und Vergabeverfahren der Forschungseinrichtungen.
Bei der Bewirtschaftung der Finanzmittel stehen wir vor einem Paradigmenwechsel, hin zu echten Globalhaushalten der Forschungseinrichtungen. So können Wissenschaftler ihre Mittel für Personal-, Sach- und Investitionskosten flexibel einsetzen und zudem Mittel am Jahresende in das nächste Haushaltsjahr übertragen. Ziel ist es, die Mittel noch effektiver für die Forschung zu nutzen.
Größere Autonomie ist auch erforderlich, um internationale Spitzenwissenschaftler zu gewinnen. Die Einrichtungen können künftig im Einzelfall finanziell interessantere Konditionen bieten, da die bisher für die Wissenschaftler-Besoldung geltenden Obergrenzen schrittweise aufgehoben werden.
Beteiligen sich Forschungseinrichtungen an Ausgründungen und Joint-Ventures, erschließen sie neue strategische Geschäftsfelder und legen den Grundstein für Innovationen und Arbeitsplätze. Internationale Konkurrenzfähigkeit setzt hier schnelles Handeln voraus. Dies gilt auch für die Vernetzung innerhalb der Wissenschaft. Wesentliche Fortschritte werden wir durch den Abbau bürokratischer Hürden erreichen und indem wir langfristige Genehmigungsverfahren straffen.
Neu- und Umbauvorhaben der Forschungseinrichtungen stellen spezifische Anforderungen an die vorbereitenden und begleitenden Prozesse. Verfahren, die für andere Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich gelten, sind hier nicht eins zu eins übertragbar. Deswegen wollen wir ein vereinfachtes Bauverfahren für die Fraunhofer-Institute sowie die Helmholtz-Zentren etablieren. Schließlich gehört zu einer guten Forschungsinfrastruktur auch, Waren und Dienstleistungen schnell und effizient zu beschaffen. Dies wollen wir fördern, indem wir das Vergaberecht forschungsspezifisch erleichtern.
Mit der „Initiative Wissenschaftsfreiheitsgesetz“ wird die deutsche Forschung vor allem im internationalen Wettbewerb noch attraktiver und handlungsfähiger. Wir geben den wissenschaftlichen Einrichtungen mehr Selbstständigkeit und flexiblere Rahmenbedingungen. Im Gegenzug werden die Forschungseinrichtungen zeigen müssen, dass sie die neuen Freiräume verantwortungsvoll wahrnehmen und mit den öffentlichen Mitteln weiterhin sehr gute Forschungsergebnisse generieren, um sich auch in Zukunft mit den weltweit Besten messen zu können. Wir vertrauen darauf, dass die Forschungseinrichtungen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen werden. Deshalb wagen wir mehr Freiheit.
Dr. Annette Schavan ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Quelle: Physik Journal, Oktober 2008, S. 3
GWF