11.04.2017

Metallschmelzen in der Schwerelosigkeit

Forschungsrakete MAXUS-9 startete in Schwerden mit Experimenten zur Materialphysik und Biologie.

Bereits zum zehnten Mal und sieben Jahre nach dem letzten Start einer MAXUS-Rakete startete am 7. April 2017 die Forschungs­rakete MAXUS-9 der euro­päischen Weltraum­organisation ESA von der nord­schwedischen Startanlage Esrange bei Kiruna. Nach knapp 12 Minuten in der Schwere­losigkeit landete die Nutzlast der Rakete wieder sicher mit einem Fall­schirm und wurde vom Missions­team geborgen. Mit Erreichen der Schwere­losigkeits­phase wurden insgesamt fünf Experimente mit unter­schiedlichem Schwerpunkt im Inneren der Nutzlast durchgeführt. Mit dabei waren auch drei deutsche Forschungs­vorhaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), sowohl aus der Material­physik (XRMON-Diff2 und GRADECET), als auch aus der Biologie (EuGraPho), die vom Raumfahrt­management des DLR und vom Kölner DLR-Institut für Material­physik im Weltraum gefördert wurden.

Abb.: Start der Forschungsrakete MAXUS-9 im schwedischen Esrange mit 600 Kilogramm Nutzlast. (Bild: DLR)

Im Rahmen des Projekts „In situ X-ray moni­toring of advanced metallur­gical processes under micro­gravity and terres­trial condi­tions (XRMON)“, das von der euro­päischen Weltraum­organisation ESA im Rahmen des Micro­gravity Appli­cation Pro­motion (MAP) Programmes gefördert wird, fand das Experiment XRMON-Diff2 statt. Zusammen mit der Bundes­anstalt für Material­forschung und –prüfung BAM untersucht das DLR-Instituts für Material­physik im Weltraum dabei werkstoff­physikalische Phänomene an Metall­schmelzen in der Schwere­losigkeit: Mit Hilfe von Röntgen­radiographie können Erkenntnisse über metallur­gische Prozesse in Metall­schmelzen in Echtzeit gewonnen werden.

Während des Fluges auf MAXUS-9 wurden Expe­rimente an geschmol­zenen Legie­rungen aus Germanium-Sili­zium und aus Alu­minium-Titan bei bis zu 1550 Grad Celsius durchgeführt. Dabei vermischten sich die Schmelzen miteinander und das ohne den störenden Einfluss der Auftriebs­konvektion. Die Auftriebs­konvektion tritt in Gasen oder Flüssigkeiten unter Einwirkung der Schwerkraft auf: Die leichten Moleküle steigen nach oben, die schweren sinken nach unten. Die wissen­schaftliche Heraus­forderung im Experiment besteht darin, die Diffusion ohne Einfluss der Auftriebs­konvektion zu beobachten.

Ein weiteres Experiment, das versucht den gleichen physi­kalischen Effekt zu unter­drücken, ist GRADECET (GRAvity Depen­dence of Columnar to Equiaxed Transi­tion in peritectic Ti-Al alloys). Wissen­schaftler des Access e.V. in Aachen und weitere euro­päische Kooperations­partner widmen sich dabei besonders der Erstarrung von Titan-Alu­miniden. Die Proben werden erhitzt und bei der an­schließenden kontrol­lierten Abkühlung erstarren diese wieder. Dabei ergeben sie, je nach den anliegenden Abkühl­bedingungen, ein charak­teristisches Erstarrungs­bild. Das DLR-Instituts für Material­physik im Weltraum unterstützt das Projekt mit Ergeb­nissen aus dem Expe­riment XRMON-Diff2.

„Für Versuche auf der Erde ist es wichtig zu wissen, wie der Transport von Atomen in der Metall­schmelze und der Erstarrungs­vorgang der Schmelze zum Beispiel im Guss­prozess ohne Stör­einflüsse abläuft.", erklärt Florian Kargl, wissen­schaftlicher Verant­wortlicher auf DLR-Seite. „Die Ergebnisse des Experiments in der Schwere­losigkeit werden uns wichtige Parameter liefern, aus denen wir dann grund­legende Material­daten für die Schmelze der beiden Stoffe gewinnen können.“ Mit diesen Daten können Modelle verbessert werden, die heutige Simulations­programme zum Beispiel für die Voraus­berechnung der Mikro­struktur­bildung beim Erstarren verwenden. Daraus können dann Infor­mationen über die Eigen­schaften der entstehenden Le­gierung gezogen werden, die wichtig für die weitere Verwendung sind. Metall­legierungen werden in der Industrie in vielen ver­schiedenen Bereichen genutzt, wie zum Beispiel in der Fertigung von Turbinen-Schaufeln. Ein besseres Wissen über die Material­eigenschaft führt folglich auch zu einem stabileren und sicheren End­produkt.

Jede Sekunde empfängt und verarbeitet – bewusst und unbewusst – der Mensch unter­schiedliche Reize. Die mole­kulare Grundlage dieser Reiz­verarbeitung steht im Zentrum des EuGraPho-Experi­ments (Euglena gracilis Gravi­taxis und Phototaxis Experiment) von Wissen­schaftlern der Univer­sität Erlangen. Um unter­suchen zu können, was in einem Organismus bei gleich­zeitiger Einwirkung mehrerer Reize passiert, schickten die Wissen­schaftler den grünen, beweg­lichen Einzeller Euglena gracilis in die Schwere­losigkeit. Dieser dient schon seit geraumer Zeit als Modell­system für Licht- und Schwerkraft­wahrnehmung. Die Zellen nutzen beide Reize, um Positionen in ihrer Umgebung zu finden, die optimal für ihr Wachstum sind. Die Reaktionen auf Licht und auf Schwer­kraft sind einzeln recht gut unter­sucht. In der Natur müssen beide Faktoren jedoch mit­einander verbunden werden, um zu einer sinn­vollen Antwort für den Orga­nismus zu kommen.

Für das Experiment an Bord der MAXUS-9-Rakete wurden Kulturen der Zellen auf zwei Zentri­fugen mikro­skopisch beobachtet, während die Zellen in der Schwere­losigkeit mit Blaulicht beleuchtet und gleich­zeitig, durch die Rotation der Zentri­fuge erzeugt, unter­schiedlichen Beschleu­nigungen ausgesetzt werden. Die Zellen in einer der beiden Zentri­fugen werden jedoch nach kurzer Zeit chemisch konser­viert. Nach Rückkehr der Nutzlast auf die Erde können dann beide Proben mit­einander verglichen werden. Auf der Erde, unter dem Einfluss der Schwer­kraft, ist so ein Expe­riment nicht möglich.

DLR / JOL

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