22.08.2018

Millionen Sterne im Blick

Karl-Schwarzschild-Medaille der Astro­no­mischen Gesell­schaft für Andrzej Udalski.

Die Schwarzschild-Medaille der Astronomischen Gesellschaft ist die höchste Aus­zeich­nung im Bereich der Astronomie und Astro­physik in Deutsch­land. Mit dem polnischen Astro­physiker Andrzej Udalski ehrt die AG in diesem Jahr einen heraus­ragenden Wissen­schaftler, der sich insbe­sondere auch als Pionier der „Time Domain Astro­nomy" einen Namen gemacht hat. Darunter versteht man die Unter­suchung von zeit­lichen Ver­ände­rungen von astro­no­mischen Objekten – insbe­sondere auf kurzen Zeit­skalen. Besonders ent­schei­dende Beiträge leistete der Preis­träger durch sein Engage­ment für das „Optical Gravi­ta­tional Lensing Experi­ment“, kurz OGLE.

Abb.: Andrzej Udalski, Schwarz­schild­preis­träger der Astro­no­mischen Gesell­schaft 2018 (Bild: A. Udalski)

„Andrzej Udalski hat durch Planung, Bau und Betrieb von OGLE über mehr als 25 Jahre nahezu alle Bereiche der Astro­nomie enorm bereichert“, so Joachim Wambs­ganß, der Präsi­dent der AG. „Seine Beiträge reichen von der Ent­deckung extra­solarer Planeten mit dem Mikro­gravi­ta­tions­linsen­effekt und der Transit­methode über die Charak­teri­sie­rung ganz ver­schie­den­artiger varia­bler Sterne bis zu wesent­lichen neuen Erkennt­nissen über die Struktur der Milch­straße sowie zu Galaxien der lokalen Gruppe und Quasaren.“

Ob man den Sternenhimmel mit bloßem Auge betrachtet oder Einzel­objekte wie Galaxien mit modernen Groß­tele­skopen – auf den ersten Blick scheint der Kosmos ziemlich statisch zu sein und Ver­ände­rungen im Ver­gleich zu einem Menschen­leben äußerst lang­sam abzu­laufen. Doch bei genauerem Hin­sehen und durch moderne Mess­methoden offen­bart sich tat­säch­lich ein reich­lich dyna­misches Uni­versum mit Ver­ände­rungen inner­halb von Wochen, Tagen, Stunden und sogar auch auf sehr kurzen Zeit­skalen bis in den Minuten- oder Sekunden­bereich hinein –, beispiels­weise bei Bewegungs­abläufen in Planeten­systemen außer­halb des Sonnen­systems, bei extrem ver­änder­lichen Sternen oder bei der Ent­deckung von kleinen Körpern im Sonnen­system. Die systema­tische Erfas­sung solcher Phäno­mene stellt von jeher jedoch eine große Heraus­forde­rung dar, weil dafür sehr viele Messungen in kurzen Zeit­abständen not­wendig sind.

Mit dem seit Anfang der 1990er Jahre am Las Campanas Observatorium in Chile durch­ge­führten OGLE-Projekt gelang unter der Leitung von Udalski nicht nur eines der erfolg­reichsten und am längsten laufenden Durch­musterungs­programme in der Astro­nomie, sondern auch eines der außer­gewöhn­lichsten. Denn das primäre Ziel von OGLE war zunächst einmal, eigent­lich unsicht­bare Objekte durch den Mikro­gravi­ta­tions­linsen­effekt zu ent­decken. Licht kann durch die Masse eines Objekts abge­lenkt werden kann. Genau genommen krümmt die Masse eines Objekts den um­gebenden Raum und Licht folgt dann dieser Krümmung. Läuft nun ein dunkles Objekt aus unserer Per­spek­tive vor einem weiter ent­fernten leuch­tenden Objekt ent­lang, ver­ändert sich das Licht­signal des Hinter­grund­objekts durch diesen Effekt auf charak­teris­tische Weise.

Mit OGLE konnte Udalski Millionen von Sternen überwachen, um nach einer plötz­lichen Auf­hel­lung durch Gravi­ta­tions­linsen zu suchen, wie man sie etwa durch hypo­the­tische dunkle Objekte im Halo der Milch­straße erwartete. Quasi automa­tisch erfasst ein solcher Survey dann natür­lich auch un­zäh­lige andere ver­änder­liche Phäno­mene, wes­halb die daraus ent­stehenden Daten­banken ihres­gleichen suchen und durch die freie Ver­füg­bar­keit prak­tisch für alle Gebiete der Astro­physik unschätz­baren Wert haben. Udalskis Arbeiten und OGLE haben daher viele Bereiche der modernen Astro­physik ent­schei­dend mit­ge­prägt. Dabei hat der Preis­träger nicht nur die wissen­schaft­lichen Aspekte und die Analyse und Inter­preta­tion der Daten geleitet und geprägt, sondern auch den Bau der Kameras und Detek­toren und des gesamten Tele­skops. So ver­wendet OGLE momentan mit einem CCD-Mosaik aus 32 Detek­toren eines der größten wissen­schaft­lichen Instru­mente dieser Art welt­weit. Daneben umfasst die Arbeit von Udalski auch die Echt­zeit­daten­analyse in Kombi­nation mit einem Früh­warn­system, damit andere Obser­va­torien bei plötz­lichen Ereig­nissen schnell reagieren können.

Udalski promovierte 1988 an der Fakultät für Physik der Univer­sität Warschau und kehrte nach einem zwei­jährigen Auf­ent­halt an der Univer­sität Toronto wieder nach Polen zurück, wo er 1995 an der Univer­sität Warschau habili­tierte und seit dem Jahr 2000 als Pro­fessor arbeitet. Hier leitete er als Direktor bis 2016 das astro­no­mische Obser­va­torium und die Abtei­lung für beob­ach­tende Astro­physik. Der Schwarz­schild-Preis­träger 2018 ist zudem Mit­glied der Polnischen Akademie der Wissen­schaften und seit 2012 aus­wärtiges Mitglied der Natio­nalen Akademie der Wissen­schaften der USA. Er erhielt mehr­fach hohe wissen­schaft­liche Aus­zeich­nungen, darunter erst kürz­lich den renom­mierten Tycho-Brahe-Preis 2018 der European Astro­no­mical Society und den Dan-David-Preis 2017 der Dan-David-Stiftung und der Univer­sität Tel Aviv, im Jahre 2002 den Preis der Stiftung Polnischer Wissen­schaft und 2009 ein ERC-IDEAS Advanced Grant des Europä­ischen Forschungs­rates.

Die Ehrung und die anschließende Schwarzschild-Vorlesung des Preisträgers finden erst im kommenden Jahr 2019 im Rahmen einer Fest­ver­anstal­tung auf der Tagung der Astro­no­mischen Gesell­schaft in Stutt­gart statt, weil es in diesem Jahr auf­grund einer großen Konfe­renz der Inter­natio­nalen Astro­no­mischen Union in Wien keine Jahres­tagung der AG gibt.

AG / RK

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