28.09.2018

Mit Diamant und Laser kleinste Magnetfelder im Gehirn messen

Projekt DiLaMag erarbeitet NV-dotierte CVD-Diamanten für ultra-sensitive Laserschwellen-Magnetometrie.

Im Juli 2018 startete am Fraunhofer-Institut für Angewandte Fest­kör­per­physik IAF ein For­schungs­projekt mit einem völlig neu­artigen Ansatz zur Messung von Magnet­feldern im Gewebe: Die Freiburger Wissen­schaftler möchten mit der Her­stellung und Opti­mierung von NV-Zentren in Diamant den Weg für hoch­sensitive Magnet­feld­detektoren im Raum­temperatur­betrieb ebnen und damit das weltweit erste Laserschwellen-Magneto­meter entwickeln. Mit dieser Technik sollen kleinste Magnet­felder, wie sie z.B. in neuro­nalen Netzen oder durch Gehirn­ströme entstehen, gemessen werden und so der medi­zinischen Dia­gnostik neue Türen öffnen. Das Forschungs­projekt mit dem Titel „NV-dotierter CVD-Diamant für ultra-sensitive Laser­schwellen-Magnetometrie“, kurz „DiLaMag“, wird vom Bundes­ministerium für Bil­dung und Forschung (BMBF) gefördert.

Die Auftaktveranstaltung zum Start von „DiLaMag“ fand am 29. August 2018 am Fraunhofer IAF statt. (Bild: Fh-IAF)

Die Messung von Magnet­feldern gehört inzwischen zum Standard in der medi­zinischen Diagnostik. In unseren Nerven­zellen des Gehirns oder Herzens fließen kleinste elektrische Ströme, die schwache Magnet­felder erzeugen. Präzise Magnet­feldsensoren können so die Aktivitäten von Gehirn (MEG) oder Herz (MKG) messen und ermöglichen bildgebende Verfahren wie die Magnet­resonanz­tomo­graphie (MRT), um Krankheiten zu detek­tieren. Die notwendige Präzision der Messungen erreichen jedoch nur wenige hoch­sensitive Magnet­feldsensoren, üblicher­weise bei extremer Tief­tem­peratur­kühlung.

„Die meisten Magnetometer haben keine ausreichende Präzision, um die schwachen Signale des Gehirns zu messen. Die üblichen hoch­sensi­tiven Magnet­feldsensoren, wie etwa die SQUID-Sensoren, funktio­nieren nur bei extremer Kühlung, was ihren Betrieb sehr kosten­intensiv und techno­logisch aufwändig macht. Neue Sensor­technologien wie Stickstoff-Vakanz-Zentren (NV-Zentren) oder Dampf­zellen-Magneto­meter können hier eine wichtige Alter­native sein“, erklärt Dr. Jan Jeske, Projekt­leiter von „DiLaMag“.

Durch die Erforschung neuer quanten­physikalischer Systeme und Material­verbesserungen ergeben sich innovative Möglich­keiten für hoch­empfindliche Sensor­technologien. Im Forschungsprojekt „DiLaMag“ soll mithilfe von atomaren Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamant eine ultra-sensitive Laserschwellen-Magneto­metrie realisiert werden. Hierfür arbeiten die Forscher am Fraunhofer IAF an der Entwicklung der weltweit ersten hoch NV-dotierten Diamant-Laser­kristalle. Mit hoch­sensitiven Magnet­feldsensoren, die für eine bio­logische Anwendung geeignet sind, wäre es beispiels­weise möglich, Hirn- und Herz­aktivitäten von Un­ge­bo­renen zu bestimmen und damit Krank­heiten frühzeitig zu behandeln. Das BMBF fördert das auf fünf Jahre angelegte Projekt im Rahmen des Nach­wuchs­wett­bewerbs „NanoMatFutur“ - einer Maß­nahme zur Förderung hoch­quali­fizierten wissen­schaftlichen Nach­wuchses im Bereich der Material­forschung (FKZ: 13XP5063).

Die Laserschwellen-Magneto­metrie (LSM) ist ein weltweit neuer Forschungs­ansatz. Das Neue daran: Für die Entwicklung von hochpräzisen Laserschwellen-Magnet­feldsensoren soll mit Stickstoff-Vakanzen- (NV-) dotierter Diamant als Laser­medium eingesetzt werden. Die Stickstoff-Vakanz-Zentren sind atomare Systeme aus einem Stickstoff-Atom und einer Kohlenstoff-Fehlstelle in Diamant. Sie absorbieren grünes Licht und emittieren rotes Licht. Da die Leuchtkraft dieser NV-Zentren von der Stärke eines äußeren Magnetfeldes abhängt und die Zentren atomar klein sind, können sie genutzt werden, um Magnetfelder mit hoher lokaler Auflösung aber auch guter Empfindlichkeit zu messen. Jeske hat das Konzept während seiner Post­dokto­randen­stelle an der RMIT University in Melbourne mitentwickelt. „Die grund­legende Idee der LSM basiert darauf, ein Material als Laser­medium einzusetzen, das über eine optisch detektierbare magnetische Resonanz verfügt. Aufgrund seiner Material­eigenschaften ist Diamant mit einer hohen Dichte an NV-Zentren für den Einsatz als Laser­medium besonders geeignet“, erläutert Jeske.

Die Forscher gehen davon aus, dass mit NV-dotiertem Diamant als Laser­medium stärkere Signale und ein höherer Kontrast erzielt werden kann, was zu wesentlich präziseren Mess­ergeb­nissen führt. „Ein entschei­dender Vorteil ist, dass NV-Zentren in Diamant bei Raum­temperatur nutzbar sind und ihre Quanten­eigen­schaften beibe­halten – im Gegensatz zu beispiels­weise SQUID-Sensoren“, begründet der Physiker.

Abb.: Schema der Laserschwellen-Magnetometrie. Kleines Bild: Darstellung eines NV-Zentrums im Diamant. (Bild: Fh-IAF)

„Das Messprinzip basiert auf einer Konkurrenz zwischen stimulierter und spontaner Emission, die durch kleinste magne­tische Felder beein­flusst werden kann.“, erläutert Jeske. Dass das Konzept der LSM nicht nur theo­retisch funktioniert, haben erste Versuche bereits bewiesen: „Die Experi­mente haben eindeutig gezeigt, dass NV-Diamant stimu­lierte Emission zeigt und damit als Laser­material prinzipiell geeignet ist. Jetzt geht es darum, die optischen Eigen­schaften des Diamanten zu verbessern und Mess­systeme zu realisieren“, so Jeske, der nach seinem siebenjährigen Aufent­halt in Australien in die deutsche Forschungs­landschaft zurückgekehrt ist.

Durch die Synergie der drei Kern­kom­peten­zen des Fraunhofer IAF, bestehend aus Diamant­wachstum, Opto­elektronik bzw. Laser-Techno­logie und Hoch­frequenz­elektronik, soll die Quantenmagnetometrie sehr schnell aus der Grund­lage in ange­wandte Systeme überführt werden. Das „DiLaMag“-Forscher­team steht noch am Anfang seiner Arbeit: Im ersten Schritt geht es darum, Diamant durch ein plasma­gestütztes CVD-Ver­fah­ren so zu wachsen und nach­zu­behan­deln, dass Verluste durch Absorp­tion, Streuung sowie Doppel­brechung minimiert werden. Die Heraus­forderung dabei besteht darin, Diamant mit möglichst vielen NV-Zentren anzu­reichern, ohne die Qualität zu mindern. Anschlie­ßend plant das Projekt­team, Diamant­schichten mit der optimalen NV-Dichte in den Plasma-CVD-Reak­toren des Fraunhofer IAF herzu­stellen und relevante physika­lische und optische Para­meter des Materials zu chara­kterisieren. Hierzu wird mit dem Aufbau eines NV-Diamant-Laser-Labors die benötigte Infra­struktur am Fraunhofer IAF geschaffen.

Das Ziel der ersten Projekt­phase besteht darin, die Material­eigen­schaften von hoch NV-dotiertem Diamant besser zu analysieren und zu verbessern, um optimierte Laser­kristalle erzeugen und erste Demons­tratoren der LSM entwickeln zu können. Die zweite Projekt­phase fokussiert sich auf die weitere Verbes­serung der Sensitivität und die Messung von Magnet­feldsignalen aus biolo­gischen Quellen. Diese Arbeiten sollen durch eine Industrie­kooperation mit der SIGMA Medizin-Technik GmbH, die die technische Aus­stattung für erste biologische Vergleichs­messungen zur Verfügung stellt, vorangebracht werden. Unter­stützung erhält das Projekt auch von medi­zinischer Seite: Bio­magnetis­mus-Experten von den Universitäts­kliniken Freiburg und Heidelberg werden die ersten Messungen begleiten.

IAF / LK

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