13.07.2022 • Materialwissenschaften

Mit Ionenstrahlen zu Hightech-Materialien

Projekt zur kontrollierten Galliumoxid-Fertigung gestartet.

Der Halbleiter Galliumoxid ist ein aussichts­reicher Kandidat für einen möglichen Einsatz in der Leistungs­elektronik. Eine industriell nutzbare Technologie zur kontrol­lierten Herstellung des Materials ist jedoch noch nicht in Sicht. Das liegt vor allem an seiner Fülle an möglichen Kristall­strukturen, die gleich­zeitig neben­ein­ander vorkommen können und die sich in ihren für die Halbleiter­industrie relevanten Eigen­schaften zum Teil deutlich voneinander unter­scheiden. Diesem Problem widmet sich nun das mit 1,3 Millionen Euro geförderte Projekt GoFIB, ein Zusammen­schluss von Forschern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und der Universitäten Oslo und Helsinki.

Abb.: Gregor Hlawacek koordi­niert die Experi­mente am...
Abb.: Gregor Hlawacek koordi­niert die Experi­mente am Helium-Ionen-Mikro­skop im Ionen­strahl­zentrum des HZDR. Je nach ver­wen­de­tem Edel­gas können die Eigen­schaften des be­strahl­ten Mate­rials modi­fi­ziert oder die Mor­pho­logie durch den Ab­trag von Atomen ver­än­dert werden. (Bild: A. Wirsig, HZDR)

Galliumoxid hat eine bemerkenswerte Eigenschaft: die Breite seiner Bandlücke. Sie beschreibt den energetischen Abstand zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband eines Festkörpers. Bei Halbleitern ist bei sehr tiefen Temperaturen zunächst nur das Valenzband mit Ladungs­trägern besetzt: Das Material ist nicht­leitend. Durch Energie­zufuhr können sie jedoch in das Leitungsband wandern und so einen Stromfluss ermöglichen. „Die Bandlücke von Galliumoxid gilt als ultrabreit“, sagt Gregor Hlawacek vom HZDR. Diese Bandlücke macht das Material besonders attraktiv für Anwendungen in der Energie­speicher­technik und Leistungs­elektronik, gerade in Bereichen hoher elektrischer Feldstärken, bei denen heute etablierte Halbleiter­materialien unweigerlich zerstört würden.

„Die Idee zu GoFIB kam mit einer Entdeckung unserer norwegischen Partner: Sie konnten die Kristall­struktur von Galliumoxid in seiner stabilsten Form erstmalig durch Ionenbeschuss in eine andere überführen“, erläutert Hlawacek. „Das ursprünglich vorliegende Beta-Galliumoxid haben sie dabei in Kappa-Galliumoxid verwandelt. In dieser Modifikation zeigt die Substanz eine große elektrische Polarisation, die um eine Größenordnung höher ist als die von Galliumnitrid, einem Material, das bereits zum Beispiel in der Optoelektronik etabliert ist. In dieser Form ist Galliumoxid zudem sehr stabil gegen weitere Bestrahlung.”

Das Problem: Die unterschiedlichen Kristall­strukturen von Galliumoxid weisen jeweils verschiedene Band­strukturen auf. Schon die kontrollierte Herstellung nur einer davon mittels moderner Dünnschicht­technologie ist schwierig. Der Polymorphismus erschwert aufgrund des jeweils unter­schied­lichen Kristal­lisations­verhaltens auch eine sequentielle Abscheidung, da es zu unkontrol­liertem Wachstum unerwünschter Kristall­phasen kommen kann. Das ließe sich jedoch in einen Vorteil ummünzen, wenn man die Kontrolle über die Schichtung dieser Modifi­kationen und das dann mögliche Nano­struktur­design gewinnen könnte: Durch ihr gezieltes Neben- und Überein­ander­stapeln lassen sich dann verschiedene Eigenschaften präzise beeinflussen.

Das Team will nun an der norwegischen Entdeckung anknüpfen und eine Methode etablieren, mit der die kontrol­lierte, polymorphe Umwandlung von Galliumoxid im festen Zustand mit Hilfe von Ionen­strahlen praktikabel wird. „Der Ionenbeschuss verursacht einen sich allmählich ansammelnden Strahlenschaden, der zum Aufbau von Druck­spannungen im Material führt und den Übergang in eine andere Modifikation zur Folge hat“, so Hlawacek. „Diese Methode lässt sich sowohl auf großen Wafer-Flächen als auch lokal begrenzt anwenden. Erste Erfahrungen aus Norwegen zeigen uns, dass auch die Dicke der umgewandelten Schicht gut kontrol­lierbar ist.“

Die Forscher der Universität Helsinki unterstützen das im Mai 2022 gestartete und für drei Jahre konzipierte Projekt durch Simulationen der Bestrahlungs- und Diffusions­vorgänge, von deren Ergebnissen sie sich Hinweise auf optimale Prozess­bedingungen erhoffen. Die Universität Oslo wird sich dabei der großflächigen Herstellung von Kappa-Galliumoxid widmen sowie die angedachte Funktionalität der Schichten und Nano­strukturen überprüfen. Am HZDR sind die Strukturierung in der Ebene mithilfe von fokussierten Ionen­strahlen aus Helium, Neon, Lithium, Gallium und Zinn sowie die Suche nach geeigneten Charakte­ri­sierungs-Verfahren geplant.

Das Team will lokal begrenzte Nanostrukturen im Submikro­meter-Bereich aus Kappa-Galliumoxid in einer umgebenden Matrix aus Beta-Galliumoxid herstellen. Der Clou solcher Strukturen: Sie ermöglichen anschließend die Erzeugung funktioneller Nanostrukturen mit optimierten elektrischen, optischen und thermo­elektrischen Eigenschaften. Darüber hinaus können die Wissen­schaftler an den dabei entstehenden Grenzflächen zudem die Metall­atom­diffusion studieren, deren Verständnis essentiell für Anwendungen in der Energie­speicher­technik ist.

HZDR / RK

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