Mit Topologie zu kompakteren Quantencomputern

Indiumantimonid könnte sich als Trägermaterial für topologische Quantenbits eignen.

Die Basis von Quanten­computern sind Qubits. Eine neuartige und möglicher­weise überlegene Art könnten topo­logische Quantenbits sein. Um Hinweise zu erhalten, wie diese sich erschaffen ließen, hat ein inter­nationales Team von Forschern unter anderem Messungen an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI durchgeführt.

Abb.: Niels Schröter (links) und Vladimir Strocov an einer der...
Abb.: Niels Schröter (links) und Vladimir Strocov an einer der Experi­men­tier­sta­tionen der Synchro­tron Licht­quelle Schweiz. Hier haben die Forscher winkel­auf­ge­löste Photo­elek­tro­nen­spek­tro­sko­pie mit­tels weicher Rönt­gen­strah­lung ge­nutzt, um die Elek­tro­nen­ver­tei­lung unter der Oxid­schicht von Indium­arsenid sowie Indium­anti­monid zu ver­messen. (Bild: M. Dzam­be­govic, PSI)

„Computerbits, die den Gesetzten der Quanten­mechanik folgen, lassen sich auf verschiedene Weise erreichen“, erklärt Niels Schröter, der bis April 2021 am PSI und jetzt am MPI für Mikro­struktur­physik in Halle tätig ist. „Die meisten Arten von Qubits verlieren leider schnell ihre Information. Man könnte sagen: Es sind vergessliche Qubits.“ Dafür gibt es zwar eine technische Lösung: Jedes Qubit wird durch ein System von zusätzlichen Qubits unterstützt, die auftretende Fehler korrigieren. Doch das bedeutet, dass die Zahl der insgesamt benötigten Qubits für einen einsatzfähigen Quanten­computer schnell in den Bereich der Millionen steigt.

„Der Ansatz von Microsoft, an dem wir nun mitarbeiten, ist ein ganz anderer“, so Schröter weiter. „Wir wollen helfen, eine neue Art Qubit zu erschaffen, die resistent sind gegenüber Informations­verlusten. Damit könnte man schon mit wenigen Qubits einen schlanken, funktio­nierenden Quanten­computer realisieren.“ Diese Resistenz erhoffen sich die Forscher von topo­logischen Quantenbits. Sie wären etwas völlig Neues, das bislang noch keine Forschungs­gruppe erschaffen konnte.

Bekannt ist, dass Schicht­systeme bestimmter Halbleiter und Supraleiter zu exotischen Elektronen­zuständen führen könnten, die als solche topo­logische Qubits fungieren würden. Konkret kommen dafür ultradünne, kurze Drähte aus einem Halb­leiter­material in Betracht. Diese haben einen Durchmesser von nur hundert Nanometern und sind tausend Nanometer lang. Die obere Hälfte der Drähte ist außen in Längs­richtung mit einer dünnen Schicht eines Supraleiters überzogen.

Der restliche Bereich der Drähte ist nicht beschichtet, sodass sich dort eine natürliche Oxidschicht bildet. Computer­simulationen zur Optimierung dieser Bauteile sagen voraus, dass sich die entscheidenden quanten­mechanischen Elektronen­zustände nur an der Grenzfläche zwischen Halbleiter und Supraleiter befinden und hingegen nicht zwischen dem Halbleiter und seiner Oxidschicht.

„Die kollektive, asymmetrische Verteilung der Elektronen, die in diesen Nanodrähten erzeugt wird, lässt sich physikalisch als Quasi­teilchen beschreiben“, sagt Gabriel Aeppli, Leiter des Forschungs­bereichs für Photonen­forschung am PSI. „Wenn nun geeignete Halbleiter- und Supra­leiter­materialien gewählt werden, sollten sich aus diesen Elektronen an den Enden der Nanodrähte besondere Quasi­teilchen namens Majorana-Fermionen bilden.“

Majorana-Fermionen sind topologische Zustände. Sie könnten also als Informations­träger, ergo als Quantenbits, in einem Quanten­computer fungieren. „Rezepte, um Majorana-Fermionen zu erzeugen, haben Forschungs­gruppen weltweit schon im Laufe des letzten Jahrzehnts untersucht und verfeinert“, so Aeppli weiter. „Doch um bei diesem Vergleich zu bleiben: Trotzdem wussten wir nicht, in welchem Kochtopf uns dieses Rezept am besten gelingt.“ Ein zentrales Anliegen des aktuellen Forschungs­projekts war daher der Vergleich zweier Kochtöpfe. Die Forscher unter­suchten zwei verschiedene Halbleiter und ihre natürliche Oxidschicht: einerseits Indium­arsenid und andererseits Indium­antimonid.

An der SLS nutzten die PSI-Forscher eine Unter­suchungs­methode namens winkel­auf­gelöste Photo­elektronen­spektro­skopie mittels weicher Röntgen­strahlung. Für die Interpretation der komplexen experimentellen Daten kam ein neuartiges Computer­modell zum Einsatz, welches von der Gruppe um Noa Marom an der Carnegie Mellon University in den USA zusammen mit Vladimir Strocov vom PSI entwickelt wurde. „Die bisher verwendeten Computer­modelle führten auch zu einer unüber­sichtlich großen Anzahl von unrealis­tischen Ergebnissen. Mit unserer neuen Methode können wir nun aus allen Ergebnissen automatisch diejenigen heraus­filtern, die physikalisch relevant sind, und wir können die Versuchs­ergebnisse gut inter­pretieren“, erklärt Strocov.

Durch ihre Kombination aus SX-ARPES-Experimenten und Computer­modellen konnten die Forscher nun zeigen: Indium­antimonid hat unter seiner Oxidschicht eine besonders niedrige Elektronen­dichte. Das wäre in den geplanten Nanodrähten vorteilhaft für die Ausbildung von topo­logischen Majorana-Fermionen.

„Unter dem Gesichtspunkt der Elektronen­verteilung unter der Oxidschicht eignet sich also Indium­antimonid besser als Indium­arsenid, um als Träger­material für topo­logische Quantenbits zu dienen“, so Schröter. Er gibt jedoch zu bedenken, dass bei der Suche nach den besten Materialien für einen topo­logischen Quanten­computer sicherlich weitere Vor- und Nachteile gegen­ein­ander abgewogen werden müssen.

PSI / RK

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