23.05.2016

Mößbauer-Konferenz mit Würdigung

Zweite Mediterrane Konferenz über Mößbauer-Spektroskopie ehrt Philipp Gütlich.

Die zweite Mediterrane Konferenz über Anwendungen der Mößbauer-Spektroskopie findet dieses Jahr zu Ehren von Philipp Gütlich von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) statt. Die Ehrung erfolgt in Anerkennung der vielen bedeutenden wissen­schaftlichen Beiträge Gütlichs in der physikalischen anorganischen Chemie, insbesondere der Untersuchung von physikalischen und chemischen Festkörper­eigenschaften von Koordinations­verbindungen und Legierungen der Übergangs­metalle mit physikalischen Methoden. Die Konferenz, die sich mit den verschiedenen Anwendungs­möglichkeiten des Mößbauer-Effekts befasst, findet nach 2015 dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Die Teilnehmer treffen sich dazu vom 31. Mai bis zum 3. Juni 2016 in der kroatischen Stadt Cavtat.

Abb.: Philipp Gütlich (Bild: privat)

Philipp Gütlich, geboren 1934 in Rüsselsheim, studierte Chemie an der TU Darmstadt. Bereits kurz nach seiner Promotion 1963, ebenfalls in Darmstadt, begann er bei einem Postdoc-Aufenthalt am Brookhaven National Laboratory (USA) mit der Mößbauer-Spektroskopie zu arbeiten. Diese Arbeit bildete die Basis für seine Habilitations­schrift „Beiträge zur Anwendung des Mößbauer-Effekts in der Chemie“, die er 1968 an der TU Darmstadt vorlegte. 1969 erhielt er die Venia Legendi für Anorganische Chemie und Kernchemie. Seitdem stellt die Mößbauer-Spektroskopie für Gütlich die wichtigste Technik für seine Forschungen u.a. über Elektronen- und Molekül­struktur und damit zusammen­hängend die magnetischen und optischen Eigenschaften von Übergangs­metall­verbindungen dar – ein Arbeitsfeld, das ihn bis heute beschäftigt. Genannt seien hier vor allem die Präparation und physikalische Charakterisierung von sogenannten Spin­crossover-Verbindungen. Das sind Materialien, die sich thermisch und optisch schalten lassen und Potenzial für technische Anwendungen als Sensoren besitzen. Die weg­weisenden Arbeiten auf diesem Gebiet haben ihren Niederschlag in mehreren hundert Veröffentlichungen gefunden, darunter zahlreiche Übersichts­artikel, Buch­kapitel und Mono­graphien. Das wissenschaftliche Gesamtwerk von Gütlich wurde mit der Verleihung von mehreren Preisen sowie von zwei Ehren­doktor­titeln (Tokyo, Budapest) gewürdigt.

1975 folgte Gütlich dem Ruf auf eine Professoren­stelle in der anorganischen Chemie und analytischen Chemie der JGU, wo er bis zu seiner Emeritierung 2001 eine Forschungs­gruppe aus Chemikern und Physikern leitete und heute noch verschiedenen Aufgaben nachkommt. Durch großzügige Unterstützung von Kollegen des Physik-Instituts konnte Gütlich seinen Arbeitskreis in der Physik aufbauen und mit exzellenten Arbeits­bedingungen ausstatten. Andere Ruf­angebote konnten ihn nicht bewegen, die Mainzer Universität zu verlassen; er ist ihr bis zu seiner Emeritierung treu geblieben.

Zu seinem Team gehörte auch die Arbeits­gruppe um Göstar Klingelhöfer, der auf Gütlichs Initiative hin nach Mainz kam und die unter Professor Kankeleit am Institut für Kern­physik der TU Darmstadt begonnene Entwicklung eines miniaturisierten Mößbauer-Spektrometers (MIMOS II) zur Einsatz­reife weiter entwickelte. MIMOS II war an mehreren Weltraum­missionen aktiv beteiligt. Insbesondere hatte MIMOS II auf den NASA-Rovern Spirit und Opportunity maßgeblichen Anteil an der Entdeckung, dass der Mars früher flüssiges Wasser geführt haben muss. Den entscheidenden Hinweis dafür lieferte die Mößbauer-Spektroskopie. Die von eisen­haltigen Mineralien gemessenen Spektren enthielten überwiegend Signale von Hämatit, Magnetit und Goethit, also Mineralien, die nur in Gegenwart von Wasser entstanden sein können. Das miniaturisierte Mößbauer-Spektrometer ist hervorragend als mobiles Messgerät geeignet. Beispielsweise wurde es für Untersuchungen von Kunst­werken (Klimt-Gemälde), Fels­malereien in Brasilien, Exponaten des Römisch-Germanischen Zentral­museums, geologischen Boden­analysen und Luft­reinheits­kontrollen eingesetzt.

Die „2nd Mediterranean Conference on the Applications of the Mössbauer Effect in the Honour of Prof. Dr. Philipp Gütlich” wird Anfang Juni für vier Tage Wissenschaftler aus vielen Ländern zusammenbringen, die sich mit der Mößbauer-Spektroskopie und verwandten Techniken befassen und sie auf vielen Gebieten der Festkörper­forschung anwenden, darunter Material­wissenschaften, Fest­körper­chemie und Fest­körper­physik, Umwelt- und Erd­wissenschaften sowie Planetologie. Auch Anwendungen in der Biologie und Medizin stehen im Fokus. Eine wichtige Rolle kommt der Mößbauer-Spektroskopie bei industriellen Anwendungen zu. Beispiele sind die Untersuchungen über Entstehung und Vermeidung von Korrosion und Qualitäts­kontrollen bei der Stahl- und Glasproduktion.

Der Mößbauer-Effekt, physikalisch korrekt als „rückstoß­freie Kern­resonanz­absorption von Gamma­strahlen“ bezeichnet, wurde von Rudolf Mößbauer im Verlauf seiner Promotions­arbeit 1958 entdeckt. Drei Jahre später erhielt er dafür den Nobel­preis für Physik. Der Mößbauer-Effekt ist an Nukliden von über vierzig Elementen des Perioden­systems entdeckt worden. Für praktische Anwendungen kommt jedoch nur etwa die Hälfte in Frage. Der Grund dafür sind Einschränkungen bei gewissen kern­physikalischen Daten, die die Messung der Kern­resonanz­absorption erschweren. Neue, dem Mößbauer-Effekt verwandte Mess­methoden basieren auf Kern­resonanz­streuung mit Synchrotron­strahlung. Sie gleichen Nachteile der klassischen Mößbauer-Effekt-Messung aus und erweitern die Liste der nutzbaren Sonden­nuklide. Der gegenwärtige Entwicklungs­stand wird ebenfalls Thema auf der bevorstehenden Konferenz in Cavtat sein.

JGU / DE

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