Mondgestein unter der Lupe
Proben von Apollo-Missionen zur detailierten Untersuchung nach Bayreuth geschickt.
Sie sind vor mehr als drei Milliarden Jahren auf dem Mond entstanden, gelangten vor rund fünfzig Jahren zur Erde und sind vor kurzem auf dem Campus der Universität Bayreuth eingetroffen: Mondgesteinsproben, die von den Apollo-Missionen 16 und 17 der NASA eingesammelt wurden. Die US-amerikanische Weltraumagentur hat sie dem Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung gestellt.
Unter der Leitung von Audrey Bouvier, einer international renommierten Expertin für extraterrestrisches Gestein, werden die Proben in den kommenden Jahren mit massenspektrometrischen High-Tech-Verfahren auf ihre chemische Zusammensetzung hin analysiert. Für diese Untersuchungen verfügt das BGI nicht nur über neueste Forschungstechnologien, sondern auch über spezielle Reinräume, die gewährleisten, dass das Mondgestein nicht unter dem Einfluss von Staub oder Feuchtigkeit verändert wird. Bei den von der NASA gelieferten Gesteinsproben handelt es sich um kleine Gesteinsstücke und polierte Anschliffe von der Größe eines Daumenabdrucks. Sie sollen jetzt mit hoher räumlicher Auflösung im Detail analysiert werden. Die Astronauten von Apollo 16 und 17 haben einen großen Teil dieser Proben mit Hilfe des batteriegetriebenen Mondautos „Lunar Roving Vehicle“ eingesammelt, mit dem sie Exkursionen im Umkreis der Landestelle unternehmen konnten.
Analysen von Mondgestein sind nicht nur aufschlussreich für die Entstehung des Mondes, sondern bieten ebenso Einblicke in die Entstehung und die Frühgeschichte der Erde, die durch eine hohe Einschlagsdichte von Asteroiden geprägt war. Frühere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass die Entstehung der Erde in ihrer heutigen Gestalt und die Entstehung ihres Trabanten aufgrund einer Kollision der Erde mit einem unbekannten Planeten eng miteinander verknüpft waren. Doch während alle Gesteine auf der Erdoberfläche infolge der Plattentektonik und unter dem Einfluss von Klima, Wetter und weiteren geologischen Prozessen ständigen Veränderungen unterworfen waren, blieb das Mondgestein weitgehend konserviert. Es ähnelt bis heute sehr stark dem Gestein, wie es sich vor mehr als drei Milliarden Jahren bei der Entstehung des Mondes herausgebildet hat.
„Die Untersuchung bestimmter Mondgesteine, sogenannter Impaktbrekzien, ermöglicht uns eine Zeitreise in die Vergangenheit: Sie zeigen uns, wie die Erde einst aussah. Diese Gesteine enthalten Spuren des intensiven planetarischen Bombardements, das auf der Mondoberfläche und dementsprechend auch auf der Erde stattfand. Diese Erkenntnisse sind vor allem deshalb besonders interessant, weil sie Rückschlüsse auf chemische und physikalische Gegebenheiten erlauben, unter denen vor ungefähr 3,7 Milliarden Jahren das Leben auf der Erde entstand. Besonders wertvoll sind dabei Isotopenanalysen, die wir hier am BGI mit Forschungstechnologien durchführen können, die es zur Zeit der Apollo-Missionen noch gar nicht gab“, sagt Audrey Bouvier, Professorin für experimentelle Planetologie an der Universität Bayreuth.
Dem von ihr geleiteten Forschungsteam am BGI gehört auch Ran Zhao an. Er nimmt nun im Rahmen seiner Doktorarbeit an den Analysen der Gesteinsproben teil. Die Untersuchungen werden sich auch auf die Analysen von Mondgestein erstrecken, das in Form von Meteoriten auf der Erde eingeschlagen ist. Mondmeteoriten liefern Stichproben von Gestein an anderen Orten auf der Mondoberfläche. Ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften sind jedoch während ihres Eintritts in die Erdatmosphäre und infolge der Verwitterung auf der Erde in den letzten Zehntausenden von Jahren – bis zu ihrer Entdeckung in der Sahara-Wüste – stark verändert worden. Daher können sie nicht mehr als frisches Mondmaterial angesehen werden.
Audrey Bouvier wurde kürzlich von der Europäischen Weltraumorganisation ESA als europäisches Mitglied eines der „Science Strategy Teams“ ausgewählt, die an der bevorstehenden Raumfahrtmission zur Erforschung der Marsmonde unter japanischer Leitung beteiligt sind. Eine Raumsonde der japanischen Raumfahrtagentur JAXA wird im Herbst 2024 zum Mars starten, um die beiden Marsmonde Phobos und Deimos genau zu beobachten und mindestens zehn Gramm Regolith-Gestein von der Phobos-Oberfläche einzusammeln. Die Gesteinsproben sollen 2029 auf der Erde eintreffen, aber internationale Strategieteams bereiten sich schon jetzt auf die Gesteinsanalysen vor. Die JAXA wird einen Teil der Proben dem BGI zur Verfügung stellen. Das Team von Bouvier beschäftigt sich dabei vor allem mit der Frage, welche Erkenntnisse über die Entstehung des frühen Sonnensystems und der terrestrischen Planeten aufgrund der Analysen von Marsmondgestein gewonnen werden können.
U. Bayreuth / DE