30.11.2020

Neue Plattform für die Quantenphotonik

Optische Wellenleiter für abhörsichere Kommunikation und hochgenaue Sensoren.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Zuver­lässigkeit und Mikro­integration IZM in Berlin wollen die Quantenphysik aus den Lehrbüchern in die Realität bringen. Mit Hilfe von optischen Glas-inte­grierten Wellenleitern entwickeln sie eine universelle Plattform, die es ermöglicht, Lösungen für abhörsichere Quanten­kommunikation und hochgenaue Quanten­sensoren miniaturisiert, schnell und auf Kundenwunsch aufzubauen.

Abb.: Eine neue quanten­photonische Plattform nutzt optische Techno­logien in...
Abb.: Eine neue quanten­photonische Plattform nutzt optische Techno­logien in Leiter­platten, um mit Quanten zu rechnen. (Bild: Fh.-IZM)

Heute können Zustände einzelner Quanten nicht nur ausgelesen, sondern auch aktiv angeregt und manipuliert werden. Mit dieser zweiten Quanten­revolution eröffnen sich völlig neue Anwendungen in der Kommunikation, der Simulation, dem Computing und der Sensorik. Allerdings braucht man derzeit noch recht komplizierte und energie­fressende Labor­aufbauten, um mit Qubits zu messen oder zu rechnen. Um nun kosten­günstige Geräte zur realisieren, setzen die Forscher auf technische Lösungen aus der Telekommunikation. Denn für die Übertragung und Manipulation von Photonen sind bereits Protokolle und Infra­strukturen in Form von speziellen Leiterplatten und vorhanden.

Eine große Chance für Lösungen in der Quanten­kommunikation sehen die Forscher in der Nutzung von optischen Wellenleitern, die in Glas integriert werden. Der klare Vorteil von Glasfasern gegenüber Halbleitern liegt darin, dass Glas transparent für Nahinfrarot-Wellen ist, welche bei Quanten­technologien genutzt werden. Außerdem weist Glas als optischer Wellenleiter deutlich weniger Verluste auf, stellt eine geringere Reststreuung des Lichts sicher, ist in der Produktion kosten­günstiger und recycelbar. Der Einsatz dieser glasbasierten Chips in Verbindung mit der Quanten­photonik erlaubt es, abhörsichere Kommunikations­wege zu realisieren, wie sie im Bankenwesen, für die öffent­liche Sicherheit und den Anspruch von souveränem Datenschutz unabdingbar sind. 

Die Crux der quanten­photonischen Verschlüsselung liegt darin, dass sich der Zustand eines Photons nach dem Auslesen unweigerlich verändert. Somit ist es dem Empfänger möglich, zu erkennen, ob die Information auf ihrem Weg abgefangen, ausgelesen oder reproduziert wurden. Dieses Abfangen im Kommunikations­kanal zu erkennen und somit Datenleaks und Hacker­angriffe zu verhindern, ist mit klassischen elek­tronischen Verschlüsselungs­methoden nicht möglich. In der Quanten­sensorik machen sich die Experten den Umstand zunutze, dass sich Qubits wie Wellen überlagern können. Die dabei entstehende quanten­mechanische Phase reagiert extrem empfindlich, wodurch sogar einzelne Atome ausgemessen werden können. Auf diese Weise entstehen Sensoren etwa für Gravitations- und Magnetfelder, die im Vergleich zu klassischen Sensoren eine bislang uner­reichte Genauig­keit erreichen. Zudem ermöglicht diese Lösung, Messungen auf absolutem Niveau, womit auf das Kalibrieren von Sensoren verzichtet werden kann. 

Damit die hochgenauen Sensoren nicht von unerwünschten Umwelt­einflüssen gestört werden, entwickeln die Forscher isolierende Vakuum­kammern auf Glas, so dass die Quantensensoren auch außerhalb von Laboren eingesetzt werden können. Wojciech Lewoczko-Adamczyk und Oliver Kirsch vom Fraunhofer IZM kennen die Vorteile der Quanten­sensorik: „Durch die Vakuum­kammern auf Glas ist der Einsatz quanten­mechanischer Sensoren auch an Orten möglich, an denen bislang nicht daran zu denken war, etwa als Biosensoren. Durch Messungen einzelner Atome, deren Spektren auf Magnetfelder reagieren, werden mit Hilfe von Licht Einblicke in die Magnetfelder von Herz oder Gehirn möglich, die medizin­technische Aufnahmen mit CT oder MRT ergänzen.“

Dabei versuchen die Forscher, die Sensor­systeme so weit zu minia­turisieren, dass sich Patienten während der Untersuchung sogar frei bewegen können. „Auch in der Lebensmittel­forschung und Medizin­technik können Quanten­sensoren einen Beitrag leisten, da auch bei extrem geringer Konzen­tration von Viren oder Bakterien in einer Lösung weit über die herkömm­lichen Standards hinaus gemessen werden kann“, so Kirsch weiter. Doch diese Vision ist größer als nur die Entwicklung einzelner Produkte: entstehen soll eine universelle Plattform, die es ermöglicht, quanten­photonische Geräte schnell und dem Kundenwunsch entsprechend aufzubauen.

Hierfür werden in ein Glas­substrat wenige Mikrometer schmale Wellen­leiter integriert, die das Licht gezielt dorthin führen, wo die Quanten angeregt und ausgelesen werden können. Zusätzlich wird das Glassubstrat mit Strukturen metallisiert, um auch elektrische Signale weiterzuleiten. Auf diese Weise entsteht eine Plattform, die optische und elektrische Informationen auf Quantenebene vereint – eine elektro­optische Leiter­platte. Um diesem Ziel näher zu kommen, haben die Forscher der Gruppe Quantum Photonic Packaging ihre photonischen Technologien so weit optimiert, dass sie für den Einsatz im Quanten­bereich geeignet sind. In mehreren Projekten wollen sie die Quanten­technologien bis zur industriellen Fertigung voran­treiben. 

Fh.-IZM / JOL

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