Neue Plattform für die Quantenphotonik
Optische Wellenleiter für abhörsichere Kommunikation und hochgenaue Sensoren.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin wollen die Quantenphysik aus den Lehrbüchern in die Realität bringen. Mit Hilfe von optischen Glas-integrierten Wellenleitern entwickeln sie eine universelle Plattform, die es ermöglicht, Lösungen für abhörsichere Quantenkommunikation und hochgenaue Quantensensoren miniaturisiert, schnell und auf Kundenwunsch aufzubauen.
Heute können Zustände einzelner Quanten nicht nur ausgelesen, sondern auch aktiv angeregt und manipuliert werden. Mit dieser zweiten Quantenrevolution eröffnen sich völlig neue Anwendungen in der Kommunikation, der Simulation, dem Computing und der Sensorik. Allerdings braucht man derzeit noch recht komplizierte und energiefressende Laboraufbauten, um mit Qubits zu messen oder zu rechnen. Um nun kostengünstige Geräte zur realisieren, setzen die Forscher auf technische Lösungen aus der Telekommunikation. Denn für die Übertragung und Manipulation von Photonen sind bereits Protokolle und Infrastrukturen in Form von speziellen Leiterplatten und vorhanden.
Eine große Chance für Lösungen in der Quantenkommunikation sehen die Forscher in der Nutzung von optischen Wellenleitern, die in Glas integriert werden. Der klare Vorteil von Glasfasern gegenüber Halbleitern liegt darin, dass Glas transparent für Nahinfrarot-Wellen ist, welche bei Quantentechnologien genutzt werden. Außerdem weist Glas als optischer Wellenleiter deutlich weniger Verluste auf, stellt eine geringere Reststreuung des Lichts sicher, ist in der Produktion kostengünstiger und recycelbar. Der Einsatz dieser glasbasierten Chips in Verbindung mit der Quantenphotonik erlaubt es, abhörsichere Kommunikationswege zu realisieren, wie sie im Bankenwesen, für die öffentliche Sicherheit und den Anspruch von souveränem Datenschutz unabdingbar sind.
Die Crux der quantenphotonischen Verschlüsselung liegt darin, dass sich der Zustand eines Photons nach dem Auslesen unweigerlich verändert. Somit ist es dem Empfänger möglich, zu erkennen, ob die Information auf ihrem Weg abgefangen, ausgelesen oder reproduziert wurden. Dieses Abfangen im Kommunikationskanal zu erkennen und somit Datenleaks und Hackerangriffe zu verhindern, ist mit klassischen elektronischen Verschlüsselungsmethoden nicht möglich. In der Quantensensorik machen sich die Experten den Umstand zunutze, dass sich Qubits wie Wellen überlagern können. Die dabei entstehende quantenmechanische Phase reagiert extrem empfindlich, wodurch sogar einzelne Atome ausgemessen werden können. Auf diese Weise entstehen Sensoren etwa für Gravitations- und Magnetfelder, die im Vergleich zu klassischen Sensoren eine bislang unerreichte Genauigkeit erreichen. Zudem ermöglicht diese Lösung, Messungen auf absolutem Niveau, womit auf das Kalibrieren von Sensoren verzichtet werden kann.
Damit die hochgenauen Sensoren nicht von unerwünschten Umwelteinflüssen gestört werden, entwickeln die Forscher isolierende Vakuumkammern auf Glas, so dass die Quantensensoren auch außerhalb von Laboren eingesetzt werden können. Wojciech Lewoczko-Adamczyk und Oliver Kirsch vom Fraunhofer IZM kennen die Vorteile der Quantensensorik: „Durch die Vakuumkammern auf Glas ist der Einsatz quantenmechanischer Sensoren auch an Orten möglich, an denen bislang nicht daran zu denken war, etwa als Biosensoren. Durch Messungen einzelner Atome, deren Spektren auf Magnetfelder reagieren, werden mit Hilfe von Licht Einblicke in die Magnetfelder von Herz oder Gehirn möglich, die medizintechnische Aufnahmen mit CT oder MRT ergänzen.“
Dabei versuchen die Forscher, die Sensorsysteme so weit zu miniaturisieren, dass sich Patienten während der Untersuchung sogar frei bewegen können. „Auch in der Lebensmittelforschung und Medizintechnik können Quantensensoren einen Beitrag leisten, da auch bei extrem geringer Konzentration von Viren oder Bakterien in einer Lösung weit über die herkömmlichen Standards hinaus gemessen werden kann“, so Kirsch weiter. Doch diese Vision ist größer als nur die Entwicklung einzelner Produkte: entstehen soll eine universelle Plattform, die es ermöglicht, quantenphotonische Geräte schnell und dem Kundenwunsch entsprechend aufzubauen.
Hierfür werden in ein Glassubstrat wenige Mikrometer schmale Wellenleiter integriert, die das Licht gezielt dorthin führen, wo die Quanten angeregt und ausgelesen werden können. Zusätzlich wird das Glassubstrat mit Strukturen metallisiert, um auch elektrische Signale weiterzuleiten. Auf diese Weise entsteht eine Plattform, die optische und elektrische Informationen auf Quantenebene vereint – eine elektrooptische Leiterplatte. Um diesem Ziel näher zu kommen, haben die Forscher der Gruppe Quantum Photonic Packaging ihre photonischen Technologien so weit optimiert, dass sie für den Einsatz im Quantenbereich geeignet sind. In mehreren Projekten wollen sie die Quantentechnologien bis zur industriellen Fertigung vorantreiben.
Fh.-IZM / JOL
Weitere Infos
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Quantum Photonic Packaging, Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, Berlin