Neue Technologie revolutioniert Analyse von Eiskernen
Laserspektrometer kann Treibhausgase an einer Probe von lediglich 1,5 Millilitern Luft messen.
Die Suche nach dem ältesten Eis der Erde ist einen wichtigen Schritt weiter. Das EU-Projekt „Beyond EPICA – Oldest Ice“ hat Ende Januar seine zweite Feldsaison abgeschlossen. Bei der Bohrung wurde eine Tiefe von 808 Metern erreicht. Ziel des Vorhabens ist es, 1.5 Millionen Jahre in die Vergangenheit zurückzublicken und Daten über die Entwicklung der Temperatur, die Zusammensetzung der Atmosphäre und den Kohlenstoffkreislauf zu gewinnen. Dazu muss im antarktischen Eisschild eine Tiefe von rund 2700 Metern erreicht und ein Eiskern geborgen werden. Läuft alles wie geplant, sollte das 2025 der Fall sein. Dann erst folgt die aufwändige Analyse des ältesten Eises dieses Kerns, wofür parallel neue Methoden entwickelt werden.
Eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der neuen Analysetechnologien spielt die Uni Bern. Einem Team um Hubertus Fischer ist es in Zusammenarbeit mit der Empa gelungen, eine neue Technik zu entwickeln, mit der die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas, sowie die Kohlenstoff-Isotopenzusammensetzung von Kohlendioxid gemeinsam gemessen werden können. Die Eisprobe, die es dazu braucht, ist mit einer Dicke von lediglich einem Zentimeter sehr klein. Trotzdem ist bei der Messung höchste Genauigkeit möglich.
„Das sind wichtige Voraussetzungen“, erklärt Fischer, „um hochpräzise und hochauflösende Aufzeichnungen aus dem ältesten Eis von Beyond EPICA zu erhalten.“ Im 1.5 Millionen Jahre alten Eis sind in nur einem Meter Eiskern 15.000 bis 20.000 Jahre Klimageschichte komprimiert, was ganz neue Anforderungen an Eiskernanalysen stellt. Eiskerne sind ein besonders wichtiges Klimaarchiv, denn nur sie enthalten die Luft der Vergangenheit, um die Treibhausgaskonzentrationen der Vergangenheit direkt zu messen.
Für die neue Methode hat ein Team um Lukas Emmenegger von der Empa ein neues Laserspektrometer entwickelt, das Treibhausgase an einer Probe von lediglich 1,5 Milliliter Luft messen kann. „Diese hohe Präzision in solch kleinen Proben zu erreichen war lange kaum vorstellbar“, betont Emmenegger. An der Uni Bern wiederum wurde das neue Sublimations-Extraktionssystem ersonnen und gebaut, das es ermöglicht, solche kleinen Luftproben kontinuierlich und ohne Verunreinigung aus einem Eiskern zu gewinnen. Dank dieser Pionierarbeit, so Fischer, werde es möglich, Treibhausgasmessungen mit der notwendigen Präzision und zeitlichen Auflösung in so altem Eis durchzuführen.
Mit der Sublimationstechnik kann eine Eiskernprobe langsam von oben nach unten vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand überführt werden. Die einzelnen Proben werden in Zentimeterauflösung gesammelt, indem die Luft während des kontinuierlichen Sublimationsprozesses bei -258° C eingefroren wird. Diese Technik gewährleistet eine hundertprozentige Extraktionseffizienz. Ein weiterer Vorteil der Methode: Die aus den Eisproben extrahierte Luft geht bei der Messung im Laserspektrometer nicht verloren, sondern kann danach für weitere Analysen verwendet werden. Von „perfektem Recycling“ spricht Fischer und ergänzt: „Für einen gewöhnlichen Eiskern würde sich der Riesenaufwand, den wir für die Analyse betreiben müssen, nie rechtfertigen.“ Für das 1,5 Millionen Jahre alte Eis, bei dem die verfügbare Menge extrem knapp ist, hingegen schon.
Die Analyse des Eiskerns soll insbesondere zum besseren Verständnis des Wechselspiels zwischen Warm- und Kaltzeiten beitragen. Vor etwa einer Million Jahren – das zeigen Untersuchungen von Meeressedimenten – fand eine Veränderung dieses Wechselspiels statt. In der Zeit vor etwa 900.000 Jahren wechselten sich Eiszeiten und Warmphasen etwa alle 40.000 Jahre ab, danach nur noch alle 100.000 Jahre. Weshalb es zu diesem Wandel kam, ist ein Rätsel, doch die Klimaforschung vermutet, dass unter anderem Treibhausgase dabei eine entscheidende Rolle spielten. Diese Vermutung soll nun die Eiskernbohrung in der Antarktis untersuchen, die beinahe doppelt so weit zurückreicht, wie der älteste bisher analysierte antarktische Eiskern.
Empa / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. Mächler et al.: Laser-induced sublimation extraction for centimeter-resolution multi-species greenhouse gas analysis on ice cores, Atmosph. Measurem. Techn. 16, 355 (2023); DOI: 10.5194/amt-16-355-2023 - Past Climate and Biogeochemical Studies on Ice Cores (H. Fischer), Klima- und Umweltphysik, Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz
- Abt. Luftfremdstoffe / Umwelttechnik (L. Emmenegger), Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf, Schweiz