23.06.2020

Nur im All stabil

Wichtiges Molekül für Synthese von Aminosäuren in galaktischer Molekülwolke entdeckt.

Mit Hilfe von Labor­experimenten am Zentrum für Astrochemische Studien (CAS) des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in München konnten Forscher zusammen mit astronomischen Beobachtungen des Italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) ein neues Molekül in der Molekülwolke G+0.693-0.027 in der Nähe des galaktischen Zentrums identifizieren. Das neu entdeckte Molekül heißt Propargylimin: Nach Meinung der Experten könnte diese chemische Spezies eine fundamentale Rolle bei der Bildung von Aminosäuren spielen, die zu den wichtigsten Bestandteilen des Lebens, wie wir es kennen, gehören.
 

Abb.: In der Molekülwolke G+0.693-0.027 (türkiser Stern) wurde Propargylimin...
Abb.: In der Molekülwolke G+0.693-0.027 (türkiser Stern) wurde Propargylimin (r.u.) zum ersten Mal nach­gewiesen. (Bild: NASA Spitzer Space Telescope / IRAC4 camera / MPE-CASAC experiment / V. M. Rivilla, INAF-Arcetri)

Propargylimin hat die chemische Formel HCCCHNH und ist eine instabile Verbindung. Es ist sehr schwierig, es unter den normalen Bedingungen der Erdatmosphäre zu isolieren; bei den für das interstellare Medium typischen niedrigen Dichten und Temperaturen fühlt es sich aber wohl. Luca Bizzocchi, der Hauptautor der Studie, der die Molekülspektroskopie am MPE untersucht hat, erklärte: „Die Besonderheit dieser chemischen Spezies liegt in ihrer Kohlenstoff-Stickstoff-Doppelbindung, die ihr eine hohe Reaktivität verleiht. Mit dieser Doppelbindung ist es ein grundlegender Bestandteil der chemischen Ketten, die von den einfachsten und am häufigsten im Weltraum vorkommenden Molekülen mit Kohlenstoff und Stickstoff – zum Beispiel Formaldehyd oder Ammoniak – zu den komplexeren Aminosäuren, den Grund­bausteinen der terrestrischen Biologie, führen.“

Mit dem Ziel, das Vorhandensein von Propargylimin im Weltraum nachzuweisen, haben Wissenschaftler in den Max-Planck-Laboratorien eine spektroskopische Analyse durchgeführt, um das „Identikit“ des Moleküls zu erstellen. „Wenn ein Molekül im interstellaren Medium rotiert, sendet es Photonen mit sehr präzisen Frequenzen aus. Diese Informationen, kombiniert mit Daten von Radioteleskopen, erlauben uns herauszufinden, ob ein Molekül in den Molekül­wolken, wo Sterne und Planeten entstehen, tatsächlich vorhanden ist“, fährt Bizzocchi fort.

In diesem Fall wurden die Labordaten mit den Ergebnissen von Beobachtungen verglichen, die am 30-Meter-Radioteleskop in der Sierra Nevada, Spanien, gemacht wurden. „Unser Molekül war schon da“, sagte Víctor M. Rivilla M., Marie Skłodowska-Curie-Forschungs­stipendiat am INAF Florenz, der die Beobachtungen des INAF leitete, die zur Bestätigung von Propargylimin in der G+0.693-0.027-Umgebung führten. „Es lag in unseren Daten der Molekülwolke, aber wir konnten es nicht identifizieren, ohne seine genaue Spektroskopie zu kennen, das heißt die vollständige Beschreibung seines Emissions­frequenz­musters. Sobald wir das bekamen, stellten wir dank der Messungen im Labor fest, dass Propargylimin zweifellos vorhanden war und darauf wartete, dass es jemand erkannte.“

Tatsächlich nehmen Moleküle mit einer solchen Kohlenstoff-Stickstoff-Doppelbindung an der Strecker-Synthese teil, einem chemischen Verfahren, das zur Synthese von Aminosäuren im Labor weit verbreitet ist. Unter günstigen Bedingungen dürften ähnliche Reaktionen auch in einer Reihe extra­terrestrischer Umgebungen wie dem gefrorenen Mantel um interstellaren Staub oder an der Oberfläche von Asteroiden auftreten, wie die jüngste Entdeckung von Glycin, der einfachsten Aminosäure, im Schweif des Kometen 67P Churyumov-Gerasimenko zeigt.

„Hochpräzise Molekül­spektroskopie ist eines der Ziele unserer Gruppe“, schloss Paola Caselli, die Direktorin des Zentrums für Astro­chemische Studien am MPE und Mitautorin des Artikels. „Nur mit hochpräzisen Messungen der Frequenzen inter­stellarer Moleküle können wir solche Moleküle als leistungs­fähige Diagnose­werkzeuge der physikalischen und chemischen Entwicklung interstellarer Wolken nutzen, in denen sich Sternsysteme wie das unsere bilden.“

MPE / DE
 

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