Oersteds Blitzidee
Vor 200 Jahren begründete der dänische Physiker Hans Christian Oersted den Elektromagnetismus.
Vor 200 Jahren, genau am 21. Juli 1820, verfasste der dänische Physiker Hans-Christian Oersted seine Arbeit „Experimenta circa effectum conflictus electrici in acum magneticam“ („Experimente zur Wirkung elektrischen Stroms auf eine Magnetnadel.
Oersted zählte damit nicht nur zu den letzten bedeutenden Latinisten in den Naturwissenschaften, sondern legte vor allem den Grundstein für den Elektromagnetismus und seine Erforschung und weitreichenden Anwendungen. Er konnte mit seinen Experimenten zeigen, dass Elektrizität und Magnetismus zusammen gehören.
Die Mehrheit der Physiker war bis dahin überzeugt, dass Elektrizität und Magnetismus völlig voneinander getrennte Phänomene sind, auch wenn Coulomb bereits für Elektrostatik und Magnetostatik analoge Gesetze gefunden hatte.
„Die Einfachheit der Oerstedschen Versuchsanordnung – galvanische Batterie, Leitungsdraht, Magnetnadel – verblüffte damals die Physiker, es war das Ei des Kolumbus“, schrieb der Wissenschaftshistoriker Karl Heinrich Wiederkehr.
Oersted schloss die beiden Enden eines Metalldrahts an die galvanische Batterie an, sodass ein elektrischer Strom durch den Draht floss, und hielt dann eine Kompassnadel in die Nähe des Drahtes. Er beobachtete, dass die Nadel dann leicht zitterte. Elektrizität und Magnetismus hingen offensichtlich zusammen. Oersted verfeinerte sein Experiment jedoch, um ganz sicher zu sein, dass der Effekt reproduzierbar war. Immer wieder zeigte sich, dass der Strom im Draht die Kompassnadel wie ein Magnetfeld ablenkte.
Am 21. Juli 1820 fasste er schließlich seine Beobachtung in seiner folgenreichen Arbeit zusammen. Darin beschrieb er den Raum um den Leiter als ganz von Kräften erfüllt und sprach von einem ,,elektrischen Konflikt“, der spiralig um den Draht verläuft und auf die Pole der Magnetnadel wirkt. Inspiriert wurde Oersted zu seinen Versuchen durch die Beobachtung der Schwankungen einer Magnetnadel während eines Gewitters.
Der 1777 als Sohn eines Apothekers geborene Oersted war zur Zeit seiner Entdeckung seit drei Jahren ordentlicher Professor für Physik an der Universität Kopenhagen, wo er bereits seit 1806 forschte. Eine großzügige finanzielle und instrumentelle Ausstattung durch das dänische Königshaus ermöglichte ihm seine eingehende Erforschung von Elektrizität und Magnetismus.
Oersteds Entdeckung löste eine Flut von Experimenten und Abhandlungen zahlreicher Forscher aus, allen voran André Ampère. Aufgrund der Reaktion der Magnetnadel auf elektrischen Strom schloss er, dass auch ein elektrischer Strom längs des Erdäquators Ursache für den Erdmagnetismus sein könnte, und das eine Magnetnadel, ein Dauermagnet, seine Aktivität durch geschlossene Ströme erhält.
Ampère konnte mit seinen ausgefeilten Apparaturen zeigen, dass sich die vom Magnetismus und Elektromagnetismus bekannten Phänomene einzig und allein mit elektrischen Strömen nachahmen ließen. Die Ursache des Magnetismus war Ampere zufolge also bewegte Elektrizität. Ampère begründete mit seinen Arbeiten in den Jahren 1821/22 das neue Gebiet der Elektrodynamik. 1822 formulierte er sein umfassendes Grundgesetz der elektrodynamischen Wirkung.
In Berlin begann der baltisch-deutsche Physiker Thomas Johann Seebeck umgehend damit, Oersteds Entdeckung zu überprüfen und weitere Experimente durchzuführen. Damit gelang es ihm 1821, die Thermoelektrizität zu entdecken.
Oersted Experimente waren nicht zuletzt eine entscheidende Anregung für Michael Faradays Beschäftigung mit dem Elektromagnetismus, die ihn schließlich zur Entwicklung des Feldbegriffs führte. Oersteds Entdeckung wurde damit zur maßgeblichen Grundlage für Physik und Technik, insbesondere für Stromerzeugung, Elektromotoren und den Rundfunk.
Albert Einstein und der niederländischen Physiker Wander Johannes de Haas veröffentlichten 1915 in den Verhandlungen der DPG ihre gemeinsame Arbeit, mit der sie den Zusammenhang zwischen dem Ferromagnetismus und dem Drehimpuls von Elektronen (Einstein-de Haas-Effekt) nachwiesen. Darin würdigten sie gleich zu Beginn Oersteds Entdeckung und Ampéres darauf aufbauende Erkenntnisse. Sie selbst lieferten einen makroskopischen Nachweis des Spindrehimpuls der Elektronen, der für die quantenmechanische Betrachtung des Magnetismus entscheidend werden sollte.
Alexander Pawlak
Weitere Infos
- A. D. Jackson und K. Jelveds, H. C. Oersted and the Discovery of Electromagnetism (2020) PDF
- Hans-Christian Oersted, Experimenta circa effectum conflictus electrici in acum magneticam (1820) Internet Archive
- Hans-Christian Oersted, Neuere electro-magnetische Versuche, Journal für Chemie und Physik 29, S. 364 (1820) Internet Archive
- K. H. Wiederkehr, Faradays Feldkonzept und Hans Christian Oersted: Zum 200. Geburtstag von Michael Faraday, Physikalische Blätter 47, 825 (1991) PDF
- Oersted-Versuch (LEIFI-Physik)
Weitere Beiträge
- A, Hardy, Eine elektrisierende Karriere - Vor 150 Jahren starb Michael Faraday (Physik Journal Nachrichten, 6. September 2017)
- F. Steinle, Exploratives Experimentieren - Charles Dufay und die Entdeckung der zwei Elektrizitäten, Physik Journal, Juni 2004, S. 47 PDF
- K. H. Wiederkehr, Zur Deutung magnetischer Phänomene im 19. Jahrhundert, Physikalische Blätter 44, 129 (1988) PDF
- A. Hermann, Der Dynamismus — ein Paradigma Anfang des 19. Jahrhunderts, Physikalische Blätter 37, 322 (1981) PDF
- Albert Einstein und W. J. de Haas, Experimenteller Nachweis der Ampereschen Molekularströme, Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 17, S. 152 (1915) [CPAE, Bd. 6]