Offshore-Windparks werden immer wirtschaftlicher
EU-Projekt Floatech optimiert den Einsatz schwimmender Windräder.
Die Technologie der schwimmenden Offshore-Windenergieanlagen hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Offshore-Turbinen werden sie auf schwimmenden Plattformen gebaut, die mit Ankerleinen im Meeresgrund befestigt werden. Sind feststehende Offshore-Windkraftanlagen auf eine Tiefe von circa 50 bis 60 Metern Tiefe beschränkt, unterliegen schwimmende (floating) Windräder dieser Limitierung nicht. Das hat den Vorteil, dass Standorte mit idealen Windverhältnissen nahezu unabhängig von der Meerestiefe erschlossen werden können. Die Motivation, unabhängig von der Meerestiefe zu sein, beruht darauf, dass achtzig Prozent der Windressourcen auf hoher See bei einer Meerestiefe von über sechzig Metern liegen. Die Technologie der schwimmenden Windräder ist damit besonders für Staaten mit steilen Küstenabschnitten wie Spanien, Portugal, Japan und den USA relevant und öffnet ein Tor, um auch hier Offshore-Windparks zu bauen.
Zusätzlich sind die Auswirkungen der schwimmenden Windräder auf die Umwelt geringer. Es müssen keine Betonfundamente in den Meeresboden eingelassen werden, was mit erheblichen Lärmemissionen und Sedimentschäden verbunden ist, und sie können nach dem Ende ihrer Lebensdauer rückstandsfrei entfernt werden. Die Anlagen können zudem weiter von den Küsten entfernt installiert werden und sind somit weniger dem Gegenwind, also Protesten der Küstenbevölkerung ausgesetzt. Trotz der vielen Vorteile haben jedoch erst wenige Projekte den Pilotstatus überschritten. Der wohl größte derzeitige schwimmende Windpark steht vor der Küste Norwegens – Hywind Tampen, elf Windräder mit einer installierten Leistung von 88 Megawatt. Die Hauptgründe für den Pilotstatus vieler Projekte sind die noch relativ unausgereiften Konzepte der schwimmenden Tragstrukturen und die damit verbundenen Gesamtkosten. Die Hafeninfrastruktur weltweit, insbesondere in Europa, benötigt massive Investitionen, um die riesigen Windräder mit einem angestrebten Rotordurchmesser von 240 bis 260 Metern zu bauen und mit einem Schleppschiff an den vorgesehenen Standort zu schleppen. Außerdem steigen die Anforderungen an die Windturbinen selbst, da sie nun durch Wellen und Windanregung ständig in Bewegung sind und sich daraus eine größere Beanspruchung aller Komponenten ergibt, was wiederum die Kosten treibt.
Das Projekt Floatech, das von der TU Berlin unter der Leitung von Navid Nayeri koordiniert und von 2020 bis 2023 im Horizon2020-Programm der EU in einer ersten Phase gefördert wurde, hatte einige Ziele erfolgreich umgesetzt: Die Entwicklung einer effizienten und präzisen Software, die alle relevanten Aspekte von schwimmenden Windanlagen berechnen kann. Anwendung und Analyse von Regelungsstrategien, die speziell auf das Umfeld von schwimmenden Windkraftanlagen angepasst sind und die Effizienz erhöhen, beziehungsweise die Belastungen der Struktur reduzieren können. Und die Entwicklung eines Kostenanalyse-Tools, um potentielle Kosteneinsparung durch die Regelungsstrategien zu evaluieren.
Grundlage für die Software, die alle relevanten Aspekte von schwimmenden Windanlagen berechnen kann, war die Simulationssoftware QBlade. Ihre Weiterentwicklung durch das Fachgebiet Experimentelle Strömungsmechanik stand im Mittelpunkt des Projekts Flaotech. QBlade wurde erweitert, um alle komplexen physikalischen Phänomene und deren Interaktionen rund um schwimmende Windenergieanlagen abzudecken. Solch eine Software ist essentiell, um zum Beispiel speziell auf schwimmende Turbinen zugeschnittene Regelungsstrategien – also das Regeln der Turbinenleistung durch Anpassung der Drehzahl und Rotation der Turbinenblätter um die eigene Achse – erforschen und exakte Kostenanalysen durchführen zu können.
Dazu wurde ein hydrodynamisches Modul namens QBlade-Ocean entwickelt. QBlade-Ocean ermöglicht, die Simulation verschiedenster Wellenzustände und berechnet die dominierenden hydrodynamischen Kräfte, um die Interaktion zwischen schwimmender Windkraftanlage und ihrer Umgebung (Wellen, Meeresgrund, Wind) analysieren zu können. Dadurch, dass QBlade zuvor bereits alle Voraussetzungen erfüllte, um Onshore-Windkraftanlagen zu simulieren, entsteht durch die Kopplung des neuen Moduls eine Simulationssoftware, die für wissenschaftliche und industrielle Anwendungen im Bereich schwimmender Windkraftanlagen geeignet ist.
QBlade wurde von Forschern an der TU Delft verwendet, um innovative Regelungsstrategien speziell für schwimmende Windkraftanlagen zu entwickeln und sie zu perfektionieren (Active Wake Mixing). Diese Strategien zielen darauf ab, die schwimmende Bewegung so auszunutzen, dass ein Windrad, das in einem Windpark je nach Windrichtung auch einmal hinter einem anderen stehen kann, nur wenig Einbußen bei der Windgeschwindigkeit hinnehmen muss. Dadurch soll die jährliche Energieproduktion von Windparks erhöht werden. QBlade ermöglicht eine umfassende Vorhersage des Einflusses dieser Strategien auf die Dynamik des schwimmenden Systems, die Lasten und die Turbinen-Nachlauf-Interaktion.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Realisierbarkeit von schwimmenden Windtechnologien wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen NextOcean, der TU Delft und der TU Berlin verfolgt: Die Idee ist, Wellen und ihre Wellenkräfte vorherzusagen, bevor sie eine schwimmende Plattform treffen. Realisiert wird dies durch ein Radar, das die Wellenamplituden misst. Parallel laufende Algorithmen werten diese Informationen aus und sagen die Kräfte sowie daraus resultierend die Bewegung der schwimmenden Plattform voraus. „Für schwimmende Windkraftanlagen könnte diese Technologie ein Durchbruch sein, da anhand dieser Informationen die Bewegung der Anlage und damit Lasten oder Leistungsfluktuationen reduziert werden könnten”, erklärt Robert Behrens de Luna, Projektmanager von Floatech. QBlade spielt dabei eine Schlüsselrolle in der Entwicklung, indem es eine Schnittstelle für die Übertragung der Wellenvorhersagedaten an den Windturbinenregler bereitstellt und so die Wirksamkeit des Gesamtkonzepts untersucht werden kann.
TU Berlin / JOL