Photonen im Gleichklang
Erstmals gelingt die Erzeugung eines Schrödinger-Katzen-Zustands mit zehn räumlich getrennten Photonen.
Verschränkte Photonen sind ein begehrtes Gut. Nicht nur Quantencomputer benötigen möglichst viele von ihnen auf einmal. Auch für Experimente zur Quantenteleportation, für Quantensimulationen wie das „boson sampling” oder für Algorithmen zur Quantenfehlerkorrektur sind sie vonnöten. Bislang stand der Rekord für die Anzahl verschränkter Photonen, den eine chinesische Forschergruppe erzielt hatte, bei acht. Dieselbe Forschergruppe hat diese Zahl noch einmal um zwei nach oben schrauben können. Dank eines ausgeklügelten experimentellen Aufbaus gelang es den Forscher um Jian-Wei Pan vom Hefei National Laboratory for Physical Sciences at the Microscale, mehrere Schwachstellen bisheriger Verfahren so zu verbessern, dass sie nun zehn Photonen miteinander verschränken konnten.
Abb.: Der gepulste UV-Laser trifft der Reihe nach auf fünf BBO-Sandwich-Kristalle und erzeugt dabei fünf verschränkte Photon-Paare. (Bild: X.-L. Wang et al.)
Das Mittel der Wahl zur Erzeugung verschränkter Photonen ist die parametrische Fluoreszenz (spontaneous parametric down-conversion). Dabei schießt man einen Laserpuls in einen nichtlinearen Kristall, wobei sich ein Photon in zwei Photonen niedrigerer Frequenz umwandeln kann. Ein Problem bei der Erzeugung mehrerer miteinander verschränkter Photonen liegt hierbei darin, dass die Photonen möglichst in einer einzigen räumlichen Mode auftreten sollten – denn sonst würde der Sammelwirkungsgrad abnehmen und die Verschränkung hinreichend vieler Photonen sehr viel länger dauern bzw. unmöglich werden.
Die Wissenschaftler entwickelten deshalb einen Aufbau, mit dem sie diese Schwierigkeit lösen konnten. Anstelle einzelner Beta-Barium-Borat-Kristalle (BBO) nutzten sie eine spezielle Sandwich-Struktur, die aus zwei identisch geschnittenen, zwei Millimeter dicken BBO-Kristallen und einem dazwischenliegenden λ/2-Plättchen bestand. Damit ließen sich die Polarisations-verschränkten Photonen mit den gewünschten räumlichen Eigenschaften erzeugen.
Als Quelle nutzten die Forscher einen ultravioletten, gepulsten Pumplaser mit einer Leistung von 0,57 Watt. Insgesamt fünf BBO-Sandwich-Strukturen durchlief der UV-Laserpuls hintereinander, wobei die entstehenden Photonenpaare anschließend durch polarisierende Strahlteiler miteinander kombiniert wurden. Die Wegstrecke zwischen ihnen passten die Forscher genau an, damit die Photonen zur gleichen Zeit an den Strahlteilern ankamen. Die Ununterscheidbarkeit der Photonen erreichte dabei Spitzenwerte von 91 Prozent. Dies ist notwendig, denn jede zeitliche oder räumliche Information, die ein einzelnes Photon in sich trägt, könnte den Ursprung des Photons verraten und dadurch die Fähigkeit zur Interferenz stören.
Dank des beschriebenen Aufbaus gelang es den Forschern, den Sammelwirkungsgrad auf siebzig Prozent zu erhöhen. Dadurch konnten sie im Vergleich zu früheren Experimenten mit acht verschränkten Photonen bei deutlich niedrigerer Pumpleistung eine vierfach bessere Rate bei der Erzeugung verschränkter Photonen erreichen. So entstand schließlich ein Schrödinger-Katzen-Zustand aus zehn Photonen. Diesen Verschränkungszustand bestimmten die Forscher mit einer Signifikanz von 7,2 Sigma.
Dabei führten sie den Versuch auch mit unterschiedlich hoher Pumpleistung durch. Erhöhten sie etwa die Leistung des Eingangslasers auf 0,7 Watt, so erhielten sie zwar auch mehr Photonenpaare – aber die Güte des Signals nahm soweit ab, dass sich eine Zehn-Photon-Verschränkung nicht mehr klar nachweisen ließ.
Welche Technologie in Zukunft das Rennen um die beste Quantencomputer-Architektur machen wird, ist derzeit aber durchaus noch offen. Als vielversprechend gelten nicht nur Photonen, sondern auch supraleitende Qubits oder auch Ionen in magnetischen Fallen. Die Anzahl an Qubits, die man bislang mit diesen Techniken realisieren kann, ist aber bei allen noch eher gering: Bei Ionen ist es gelungen, immerhin schon 14 miteinander zu verschränken, bei Photonen sind es jetzt zehn, bei supraleitenden Qubits erst fünf.
Die Verschränkung von zehn Photonen ist zwar ein wichtiger Schritt hin zur Quanteninformationsverarbeitung der Zukunft. Noch ist der Weg aber weit. Für erste sinnvolle Anwendungen wie etwa das „boson sampling” benötigt man rund zwanzig bis dreißig miteinander verschränkte Photonen. Und dies stellt noch keinen frei programmierbaren Quantencomputer dar, sondern lediglich ein Quantenmodell, mit dem sich eine bestimmte Art von Problemen lösen lässt.
Mit zehn verschränkten Photonen kann man aber bereits Algorithmen zur Quanten-Fehlerkorrektur nutzen. So benötigt das nach Peter Shor auch Shor-Code benannte Verfahren insgesamt neun Quantenbits. Der Shor-Code verschlüsselt ein logisches Qubit in neun physikalische Qubits und ermöglicht es dadurch, beliebige Fehler an einem einzelnen Qubit aufzufinden und zu korrigieren. Eine weitere interessante Anwendung wäre die Übertragung von Quanteninformation von einer Bodenstation zu Satelliten.
Dirk Eidemüller
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