Photosynthese auf Quantenebene nachgestellt
Physiker entdecken im Experiment mit „atomaren Riesen“ neue Eigenschaften des Energietransports.
Mit der Realisierung eines künstlichen Quantensystems ist es Physikern der Universität Heidelberg gelungen, wesentliche Prozesse der Photosynthese auf Quantenebene mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung nachzustellen. Dabei entdeckten die Wissenschaftler um Matthias Weidemüller und Shannon Whitlock in ihrem Experiment mit Rydberg-Atomen neue Eigenschaften des Energietransports. Ihre Arbeiten sind ein wichtiger Schritt zur Beantwortung der Frage, auf welche Weise quantenphysikalische Mechanismen zur Effizienz der Energieumwandlung in künstlichen Systemen wie zum Beispiel der Photovoltaik beitragen könnten.
Abb.: Künstlerische Darstellung des dipolaren Energietransports von Rydberg-Anregungen (leuchtende Kugeln) in einem Meer aus Atomen. (Bild: S. Whitlock / G. Günter)
In ihren Untersuchungen gehen Weidemüller und sein Team von der Frage aus, wie sich die Energie von Licht effizient sammeln und an anderer Stelle in veränderte Energieformen umwandeln lässt, zum Beispiel in chemische oder elektrische Energie. Die Natur hat in der Photosynthese einen besonders effizienten Weg für diese Energieumwandlung gefunden. In Lichtsammel-Komplexen – einer Ansammlung von Membranproteinen – wird die Lichtenergie zunächst absorbiert und anschließend mit Hilfe sogenannter Nanoantennen zu einem molekularen Reaktionszentrum transportiert, wo sie in chemische Energie transformiert werden kann.
„Dieser Prozess hat eine Effizienz von nahezu 100 Prozent. Trotz intensiver Forschung ist es immer noch ein Rätsel, welche Mechanismen für diese überraschend hohe Effizienz verantwortlich sind“, sagt Weidemüller. Basierend auf aktuellen Forschungserkenntnissen gibt es die Vermutung, dass quantenphysikalische Effekte wie Verschränkung, das heißt der gegenseitige Einfluss räumlich getrennter Quantenobjekte, hier von Bedeutung sind.
In ihrem Experiment verwendeten die Heidelberger Forscher ein Gas von Atomen, das auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt wurde. Einige der Atome wurden mit Laserlicht in elektronisch hochangeregte Zustände gebracht. Ein Elektron dieser „atomaren Riesen“, die Rydberg-Atome genannt werden, bewegt sich auf makroskopischen Abständen von nahezu Haaresgröße um den Atomkern. Damit bilden diese Atome ein ideales System, um Phänomene am Übergang zwischen makroskopischer klassischer Welt und mikroskopischer Quantenwelt zu untersuchen. Ähnlich den Lichtsammel-Komplexen der Photosynthese kann nun Energie von Rydberg-Atom zu Rydberg-Atom transportiert werden, wobei jedes Rydberg-Atom ähnlich einem Radiosender seine Energiepakete an umliegende Atome überträgt und so als Nanoantenne fungiert.
„Um den Energietransport beobachten zu können, mussten wir zunächst einen Weg finden, um die Rydberg-Atome räumlich abzubilden. Bislang war es nicht möglich, diese Atome direkt mit Hilfe eines Mikroskops sichtbar zu machen“, erklärt Georg Günter, der im Team von Weidemüller arbeitet. Ein Trick aus der Quantenoptik sorgte dafür, dass bis zu 50 Atome innerhalb eines charakteristischen Radius um ein Rydberg-Atom in der Lage waren, Laserlicht zu absorbieren. Auf diese Weise entstand ein kleiner Schatten in den Mikroskop-Bildern. Damit konnten die Wissenschaftler den Ort der Rydberg-Atome bestimmen.
Dass es mit dieser Technik auch möglich sein würde, den Transport von Energie zu verfolgen, war für die Heidelberger Physiker eine große Überraschung. Die Untersuchungen an den „atomaren Riesen“ zeigten jedoch, dass sich die Rydberg-Anregungen, die in ein Meer von Atomen eingebettet waren, von ihren ursprünglichen Ausgangspunkten über die atomaren Nachbarn räumlich ausgebreitet hatten. Die Wissenschaftler beobachteten dabei eine klassische Diffusion, die zum Beispiel der Ausbreitung von Tinte in einem Wasserglas ähnelt.
Mittels eines mathematischen Modells konnte das Team um Weidemüller zeigen, dass die Atome in der Umgebung den Energietransport von Rydberg-Atom zu Rydberg-Atom maßgeblich beeinflussen. „Wir hoffen neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich die Umwandlung von Energie auch in künstlichen Systemen, wie sie zum Beispiel in der Photovoltaik eingesetzt werden, optimieren lässt“, betont Weidemüller.
U. Heidelberg / PH