05.12.2014

Photozyklus in der Zeitlupe

Aktivität eines Bio­moleküls per Röntgen­laser mit Sub­nano­meter-Auf­lösung be­stimmt.

Mit dem weltstärksten Röntgenlaser hat ein internationales Forscherteam um Marius Schmidt von der Universität von Wisconsin in Milwaukee ein lichtempfindliches Biomolekül in Aktion beobachtet. Die Arbeit belegt, dass Röntgenlaser mit ihren extrem kurzen Blitzen die schnelle Dynamik von Biomolekülen in einer Art Ultra-Zeitlupe festhalten können. „Unsere Studie ebnet den Weg für Filme aus der Nanowelt mit atomarer räumlicher und ultraschneller zeitlicher Auflösung“, betont Schmidt.

Abb.: Die PYP-Struktur ändert sich unter dem Einfluss von Licht, wobei sich die Elektronendichte von den roten Regionen (Grundzustand) zu den blauen Regionen (angeregter Zustand) bewegt. (Bild: M. Schmidt, University of Wisconsin)

Die Wissenschaftler hatten für ihre Untersuchungen das sogenannte photoaktive gelbe Protein (photoactive yellow protein, PYP) als Modellsystem benutzt. PYP ist ein Rezeptor für blaues Licht und Teil der Photosynthese-Maschinerie in bestimmten Bakterien. Sobald es ein blaues Photon einfängt, durchläuft es den sogenannten Photozyklus, während es die Energie des Photons erntet. Schließlich kehrt es in seinen Ausgangszustand zurück. Die meisten Schritte des PYP-Photozyklus sind gut untersucht, was das Molekül zu einem exzellenten Kandidaten macht, um neue Untersuchungsmethoden an ihm zu überprüfen.

Für ihre ultraschnellen Schnappschüsse der PYP-Dynamik produzierten die Wissenschaftler zunächst winzige Kristalle mit weniger als 0,01 Millimetern Durchmesser aus PYP-Proteinen. Diese Kristalle streuen das Licht der Röntgenblitze auf charakteristische Weise, und aus dem resultierenden Streubild lässt sich die Struktur der PYP-Moleküle berechnen. Die Mikrokristalle sprühten die Forscher in den Strahl des derzeit stärksten Röntgenlasers der Welt, der Linac Coherent Light Source LCLS am Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien. Ein extrem genau synchronisierter blauer Laser löste dabei den Beginn des Photozyklus aus, bevor die Kristalle von einem Röntgenblitz getroffen wurden. Dank der ultrakurzen und -hellen LCLS-Röntgenblitze konnten die Wissenschaftler beobachten, wie das PYP im Verlauf des Photozyklus seine Form ändert.

Mit einer Auflösung von 0,16 Nanometern sind diese Bilder die detailliertesten, die bisher mit einem Röntgenlaser von einem Biomolekül aufgenommen wurden. Die Messung konnte nicht nur die bereits bekannten Abläufe des PYP-Photozyklus reproduzieren und damit zeigen, dass die neue Technik funktioniert. Sie zeigt den Ablauf auch in feinerem Detail als frühere Untersuchungen. Dank der hohen zeitlichen Auflösung kann der Röntgenlaser außerdem ultraschnelle Schritte im PYP-Zyklus untersuchen, die kürzer als eine Pikosekunde sind und damit zu schnell für bisherige Techniken. Solche ultraschnellen Schnappschüsse lassen sich zu einem Film anordnen, der die Moleküldynamik in Ultra-Zeitlupe zeigt.
„Das ist ein echter Durchbruch“, betont Ko-Autor Henry Chapman vom Center for Free-Electron Laser Science bei DESY, der auch Mitglied im Hamburg Centre for Ultrafast Imaging ist. „Unsere Arbeit öffnet die Tür zu zeitaufgelösten Untersuchungen dynamischer Prozesse mit atomarer Auflösung.“

Verglichen mit anderen Methoden bieten Röntgenlaser wie die LCLS oder der European XFEL, der zurzeit vom Hamburger DESY-Campus bis ins benachbarte Schenefeld gebaut wird, verschiedene Vorteile für die Untersuchung der ultraschnellen Dynamik von Molekülen. Sie produzieren die brillantesten Röntgenblitze der Welt, mit denen sich eine Zeitauflösung im Femtosekundenbereich erreichen lässt. Bei dieser Studie verwendeten die Forscher Pulse von nur etwa vierzig Femtosekunden Länge. Die Blitze lassen sich sogar noch weiter verkürzen, so dass eine Zeitauflösung im Bereich von wenigen Femtosekunden möglich wird.

„Man braucht einen sehr kurzen Blitz, um die einzelnen Schritte dieser schnellen Prozesse erkennen zu können", unterstreicht Ko-Autor und DESY-Forscher Anton Barty. „Die kurzen Blitze umgehen auch das Problem, dass die meist empfindlichen Proben vom intensiven Röntgenlicht geschädigt werden.“ Zwar vaporisieren die starken Pulse normalerweise die Proben, aber die Blitze sind so kurz, dass die Probe sich erst auflöst, wenn das Röntgenlicht sie bereits passiert hat. So entsteht ein Streubild hoher Qualität von der intakten Probe auf dem Detektor. Eine internationale Gruppe unter Leitung von DESY hatte erst vor wenigen Jahren gezeigt, dass dieses Prinzip namens „Diffraction before Destruction“ (Beugung vor Zerstörung) tatsächlich funktioniert.

Röntgenlaser nutzen für jeden Schuss eine frische Probe, so dass sich keine Strahlenschäden in den Proben ansammeln, wie es bei manchen anderen Untersuchungen der Fall sein kann. Außerdem untersuchen Röntgenlaser üblicherweise sehr kleine Kristalle, die meist viel einfacher herzustellen sind als große Kristalle. Manche Biomoleküle sind so schwer zu kristallisieren, dass sie sich überhaupt nur mit einem Röntgenlaser untersuchen lassen. Die kleinen Kristalle sind darüber hinaus von Vorteil, wenn es – wie bei der PYP-Untersuchung – darum geht, denselben dynamischen Prozess möglichst in allen Molekülen des Kristalls anzustoßen. In größeren Proben wird der auslösende Laserpuls oft so stark absorbiert, dass er nur eine dünne obere Molekülschicht anregt und die hinteren Bereiche des Kristalls gar nicht mehr erreicht.

Die Forscher hatten die Größe der PYP-Kristalle in dieser Untersuchung so gewählt, dass der blaue Laser bei allen Molekülen in einem Kristall zusammen dieselbe Dynamik auslöst. Da die Röntgen-Streubilder ebenfalls von allen Molekülen zusammen erzeugt werden, lassen sich auf diese Weise feinere Details von molekularen Strukturänderungen erkennen, weil alle Moleküle sich jeweils in demselben Zustand befinden.

DESY / DE

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