18.03.2019

„Plan S gefährdet die Freiheit der Wissenschaft.“

Die DPG hat gemeinsam mit anderen deutschen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften eine Stellungnahme zu Plan S abgegeben.

Die von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Forschungsrat unterstützte Initiative „Plan S“ fordert ab 2020 verpflichtend einen vollständigen und sofortigen offenen Zugang (Open Access) zu von ihnen geförderten wissenschaftlichen Publikationen. Der Dachverband der Geowissenschaften, die Deutsche Mathematiker-Vereinigung, die DPG, die Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland haben nun klar gemacht, dass sie den Übergang zu Open Access zwar unterstützen, das Vorhaben von Plan S aber noch unausgereift sei und eine sorgfältige Diskussion der Pläne erfordere. Eberhard Bodenschatz äußert sich in einem Interview mit dem Physik Journal ebenfalls besorgt über Plan S.


Was sind die kritischen Punkte bei Plan S?
Grundsätzlich kämpfe ich seit über 25 Jahren für die Befreiung der Publikationen. Leider sehe ich in Plan S die große Gefahr, dass er praktisch alles bestimmen will. Sehr enge Randbedingungen der partizipierenden Fördereinrichtungen zwingen die Autoren, nur noch in bestimmten Journalen zu veröffentlichen, die mit Plan S kompatibel sind. Das gefährdet die Freiheit der Wissenschaft. Jeder Wissenschaftler muss selbst entscheiden dürfen, wo er publiziert und was er dafür bezahlen möchte – notfalls aus der Privatkasse.

Welche Auswirkungen sehen Sie für das Publikationswesen?
Plan S favorisiert eine Planwirtschaft, die zu einem Mangel an Innovation und Risikobereitschaft führen kann und damit den Fortschritt verlangsamen wird. Ein gesunder Wettbewerb bringt die besseren Produkte hervor! Vergleichen Sie einen ostdeutschen PKW mit einem westdeutschen gleichen Baujahrs vor der Wiedervereinigung. Das sind zwei Welten – nicht wegen fehlender Begabung der Ingenieure, sondern weil es in der DDR keinen Wettbewerb gab.

Wieso geht der Wettbewerb durch Plan S verloren?
Für jede Publikation soll ein Einheitspreis gezahlt werden – egal, wie gut Service und Qualität des Verlegers sind. In einem solchen Modell können kleine Zeitschriften nur überleben, wenn sie immer mehr Artikel publizieren. Das schadet aber der Qualität. Wir müssen die Kernwerte einer qualitativ hochwertigen Publikation schützen, nämlich professionelle Bearbeitung, unabhängiges Peer Review und zuverlässige Langzeitarchivierung. Das ist jetzt bei Open Access ebenso Standard wie im traditionellen Publikationswesen.

Zudem erscheint der Zeitplan von Plan S sehr ehrgeizig…
Die Umsetzung ist viel zu kurzfristig gedacht, das kann der Wirtschaftlichkeit vieler Fachzeitschriften schaden und irreparable Schäden an den gut funktionierenden Netzwerken von Verlagen, Redakteuren und Gutachtern verursachen. Wie sollen wir in nur einem Jahr die Geldströme umstellen? Derzeit zahlen die Bibliotheken Subskriptionsgebühren, aber nach Plan S sollen Forscher oder Förderinstitutionen bezahlen.

Ein ähnliches Ziel verfolgt Projekt DEAL. Dort sind hybride Zeitschriften erlaubt, also Subskriptionszeitschriften, bei denen die Autoren "Open Access" dazukaufen können.
Jeder Autor sollte selbst entscheiden können, ob er in einem hybriden Journal veröffentlichen möchte, solange die Kosten transparent sind. Ich habe mich dagegen entschieden. Langfristig sollte es solche Zeitschriften nicht mehr geben, aber das lässt sich nicht so schnell umsetzen. Die American Physical Society hat gerade als Reaktion auf Plan S ein Open-Access-Journal nach dem Vorbild des New Journal of Physics gegründet.

Wie sollte man Plan S modifizieren?
Zunächst muss man die Deadline um drei oder vier Jahre verschieben und dann einen Plan aufstellen für die Transformation. Bis 2024 könnten wir die Finanzströme so umgestellt haben, dass es keine hybriden Journale mehr gibt. In fünf Jahren lässt sich viel erreichen, das wissenschaftliche Publikationswesen ändert sich ohnehin gerade rasant. Dazu plant die DPG in Kürze einen Workshop.

Wie ließe sich Open Access besser realisieren?
Publikationen und der Zugang dazu sind eine Grundaufgabe jeden Staates. Daher plädiere ich für die Einrichtung eines unabhängigen internationalen Fonds, in den alle Länder einzahlen und aus dem jeder Autor einen Grundbetrag für anerkannte Open-Access-Publikationen erhält. Damit werden solche Veröffentlichungen direkt vom Fonds bezahlt.

Mit welchem Ziel?
Open Access zu etablieren, ohne kleine Verlage zu gefährden. Viel wichtiger ist aber die Zukunft des Publikationswesens insgesamt. Was könnte noch kommen? Beispielsweise „living papers“? Dazu gibt es viele Ideen, aber noch keine ausgereiften.

Welche Position hat die DPG?
Die DPG ist nicht grundsätzlich gegen Plan S, sondern gegen die zu rasante Umsetzung. Die DPG verfolgt dabei keine finanziellen Interessen, weil sie nur am New Journal of Physics beteiligt ist, das bereits mit Plan S kompatibel ist. Daher kann die DPG eine Vorreiterrolle übernehmen und konstruktive Vorschläge zur Umsetzung von Plan S machen. Darüber hinaus sollte sich jeder Wissenschaftler damit auseinandersetzen, sich eine Meinung bilden und öffentlich dazu äußern.

Mit Eberhard Bodenschatz sprach Maike Pfalz

 

Weitere Infos

 

Eberhard Bodenschatz ist DPG-Vorstandsmitglied für Publikationen und setzt...
Eberhard Bodenschatz ist DPG-Vorstandsmitglied für Publikationen und setzt sich aktiv für Open Access ein. Seit 16 Jahren unterstützt er das New Journal of Physics, elf Jahre war er dort Editor-in-Chief. (Bild: MPG)

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