19.09.2018

Plasma-Beschleunigung mit beispielloser Präzision

Ultrakompakter Beschleuniger für die Ionentherapie am Horizont.

Feuert man Lichtpulse aus einer extrem starken Laser­anlage auf Material­proben, reißt das elektrische Feld des Lichts die Elektronen von den Atom­kernen ab. Für Sekunden­bruchteile entsteht ein Plasma. Dabei koppeln die Elektronen mit dem Laser­licht und erreichen beinahe Licht­geschwin­digkeit. Beim Heraus­fliegen aus der Material­probe ziehen sie die Atomrümpfe (Ionen) hinter sich her. Um diesen komplexen Be­schleu­nigungs­prozess expe­rimentell unter­suchen zu können, haben Forscher aus dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) eine neuartige Dia­gnostik für innovative laser­basierte Teilchen­beschleu­niger entwickelt. Ihre Ergeb­nisse erscheinen jetzt in der Fach­zeit­schrift „Physical Review X“.

Abb.: Berechnete Entwicklung der Plasma­dichte nach der Bestrahlung eines Silizium-Gitters mit dem Hoch­intensitäts-Kurz­puls­laser des SLAC (USA). (Bild: Juniks/HZDR)

„Unser Ziel ist ein ultra­kompakter Beschleuniger für die Ionen­therapie, also die Krebs­bestrahlung mit geladenen Teilchen“, so der Physiker Dr. Thomas Kluge vom HZDR. Neben Kliniken könnten Universitäten und Forschungseinrichtungen von der neuen Beschleu­niger­techno­logie profitieren. Vor der Nutzungsreife ist jedoch noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten. So werden mit dem DRACO-Laser am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf derzeit Energien von rund 50 Mega­elek­tronen­volt erreicht. Um einen Tumor mit Protonen (den leichtesten Ionen) zu bestrahlen, benötigt man 200 bis 250 Mega­elek­tronen­volt.

Aufgrund seiner ultrakurzen Pulse im Bereich weniger Femto­sekunden – in dieser Zeit durchquert ein Licht­strahl gerade mal den Bruchteil eines mensch­lichen Haars – erreicht der DRACO-Laser eine Leistung von knapp einem Peta­watt. Das entspricht dem Hundert­fachen der weltweit erzeugten, mittleren elektrischen Leistung.

„Wir müssen die einzelnen Vorgänge bei der Beschleu­nigung von Elektronen und Ionen noch viel besser verstehen“, betont Kluge. Gemeinsam mit Kollegen aus Dresden, Hamburg, Jena, Siegen und aus den USA gelang es nun erstmalig, quasi live diese extrem schnell ablaufenden Prozesse am Nationalen Be­schleu­niger­labor SLAC der ameri­kanischen Universität Stanford zu beobachten. Dazu benötigen die Wissen­schaftler zeitgleich zwei besondere Laser. Der Hoch­intensitäts-Laser am SLAC verfügt über eine Leistung von immerhin rund 40 Terawatt – ist also etwa 25-fach schwächer als DRACO. Beim Auftreffen auf die Materialprobe (Target) zündet er das Plasma. Der zweite Laser ist ein Röntgen­laser, mit dem sich die einzelnen Prozesse genau aufzeichnen lassen: von der Ionisation der Teilchen im Target und der Expansion des Plasmas über die auftretenden Plasma-Oszilla­tionen und Insta­bilitäten beim Heizen der Elektronen auf einige Millionen Grad Celsius bis hin zur effizienten Beschleunigung der Elektronen und Ionen.

„Mit der Methode der Kleinwinkel-Streuung haben wir Messungen im Femto­sekunden-Bereich und auf Skalen von wenigen Nano­meter bis hin zu einigen hundert Nano­meter realisiert“, berichtet Melanie Rödel, die als HZDR-Doktorandin federführend am Experiment beteiligt war. Mehrjährige Arbeiten waren nötig, um diese Bereiche zu erschließen und saubere Signale auf den Streubildern des Röntgen­lasers zu erhalten. „Die neue Diagnostik für laserbasierte Beschleu­niger hat unsere Erwartungen an die räumliche und zeitliche Auflösung hervorragend bestätigt. Damit haben wir das Fenster für die direkte Beobachtung plasma­physi­kalischer Prozesse in Echtzeit geöffnet“, freut sich Dr. Josefine Metzkes-Ng, Leiterin einer der beteiligten Nach­wuchs­gruppen am Institut für Strahlenphysik des HZDR.

Ab 2019 steht ein Experimentier­aufbau der nächsten Generation mit einem deutlich leistungs­stärkeren Kurzpuls-Laser an der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) zur Verfügung, die das HZDR derzeit im Rahmen einer inter­nationalen Kolla­boration am weltstärksten Röntgen­laser European XFEL in der Nähe von Hamburg aufbaut.

Ein besonderer Aha-Effekt der erfolgreichen Experimente war für die beteiligten Physiker ein spezielles Detail aus ihren Berechnungen. „Unsere Targets wurden am Ionenstrahlzentrum des HZDR speziell entwickelt, damit sie an der Oberfläche eine Art winzige Fingerstruktur aufweisen. Der Laserstrahl streut an dieser Struktur, sodass besonders viele Elektronen aus den Ecken beschleunigt werden und sich überkreuzen“, führt Thomas Kluge aus. Dass dieses durch die Berechnungen vorhergesagte Detail im Experiment zu entdecken war – immerhin läuft es in einer Zeitspanne von nur zehn Femtosekunden ab –, schürt Hoffnungen. Etwa darauf, weitere spontane Musterbildungen (Instabilitäten) beobachten zu können. Diese können zum Beispiel durch die Schwingung der Elektronen im elektromagnetischen Feld des Lasers entstehen.

Abb.: Während der ultrakurz gepulste Hochleistungslaser des SLAC (rot) das Plasma im Target erzeugt (orange), zeigen die Streubilder des Röntgen­lasers (lila) die komplexen Beschleu­nigungs­prozesse auf (unten). (Bild: Juniks/HZDR)

Dabei geht es den Forschern zum einen darum, Instabilitäten zu identifizieren, die die Beschleunigung der Elektronen und Ionen stören – um diese etwa durch die Auswahl geeigneter Targets zu vermeiden. „Wir wissen aus unseren Simulationen aber auch, dass Instabilitäten die Effizienz des Beschleunigungsvorgangs sogar erhöhen können“, erläutert der Physiker. „In unseren Simulationen konnten wir etwa die Raleigh-Taylor-Instabilität identifizieren.“ Diese führt dazu, dass der optische Laser mehr Energie in das von ihm erzeugte Plasma überträgt. Solche ‚positiven‘ Instabilitäten könnten also eine wichtige Stellschraube sein, um den über die Elektronen vermittelten Prozess der Ionenbeschleunigung zu optimieren.

Von der neuen HIBEF-Anlage erwarten sich die Laserexperten viele weitere Aufschlüsse zur Plasma-Beschleunigung. Dieses ‚Extremlabor‘ des HZDR wird die Station für Experimente bei hohen Energiedichten („High Energy Density Science Instrument“, HED) am European XFEL mit Hochleistungslasern ausstatten. „Der Röntgenpuls aus dem European XFEL, mit dem wir die Prozesse im Plasma vermessen werden, ist sehr kurz. Wir planen zudem den Einsatz zusätzlicher diagnostischer Tools, sodass wir beispielsweise die Plasma-Oszillationen optimal studieren und weitere Instabilitäten im Experiment sehen und auch gezielt erzeugen können“, blickt Thomas Kluge voraus. So wollen die HZDR-Forscher ihrem Ziel, einen ultrakompakten Laserbeschleuniger für die Protonentherapie von Krebserkrankungen zu entwickeln, Schritt für Schritt näher kommen.

HZDR / LK

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