Protein-Nanoskop untersucht Medikamenten-Wechselwirkung
Forscher nutzen Infrarotspektroskopie zur Analyse der Interaktion von Medikamenten mit ihren Zielproteinen.
„Wir haben jetzt ein Werkzeug in der Hand, um die Dynamik pharmakologisch interessanter Proteine im atomaren Detail zu erforschen“, sagt Klaus Gerwert vom Lehrstuhl Biophysik der RUB. „Wir wollen Substanzbibliotheken gezielt nach potenziellen pharmakologischen Wirkstoffen durchsuchen.“ „Mit unserer Technik können zukünftige Medikamente genauer auf die Proteine abgestimmt werden, was die Nebenwirkungen erheblich reduzieren kann“, ergänzt Carsten Kötting vom selben Lehrstuhl.
Abb.: Infrarotspektren (oben links) geben Aufschluss über Strukturveränderungen in Proteinen. Um Proteine zu untersuchen, die durch Bindungspartner aktiviert werden, verankern die Bochumer Forscher die Moleküle über ein „His-Tag“ an einer Lipiddoppelschicht (grau), die wiederum an einen Germanium-Kristall (IRE) gebunden ist. In den Kristall strahlen sie Infrarot-Licht (rot) ein, das sich ausbreitet und so die gebundenen Proteine erreicht. (Bild: P. Pinkerneil & J. Güldenhaupt; Wiley-VCH)
Mit der Infrarot-Differenz-Spektroskopie verfolgen Forscher dynamische Vorgänge in Proteinen. Das war bislang nur bei licht-aktivierten Proteinen möglich, aber nicht bei Proteinen, die durch Interaktion mit Bindungspartnern aktiviert werden – genau das ist aber gerade bei vielen krankheitsrelevanten Molekülen der Fall. Um die Dynamik dieser Proteine zu analysieren, müssen sie fest an der Messoberfläche verankert sein und mit den pharmakologischen Wirkstoffen überspült werden, mit denen sie interagieren. Eine solche Verankerung ist zwar möglich, konnte jedoch nicht für jedes beliebige Protein realisiert werden. Dieses Problem umging das RUB-Team, indem es die Infrarot (IR)-Spektroskopie mit einer oberflächensensitiven Technik (Abgeschwächter Totalreflexion) und sogenanntem „His-Tagging“ (Verankerung an dieser Oberfläche) kombinierte.
Bei der herkömmlichen IR-Spektroskopie wird Infrarot-Licht auf eine wässrige Probe eingestrahlt; ein Teil des Lichtes wird von den Proteinen absorbiert, was Rückschlüsse auf ihre Struktur erlaubt. Die RUB-Forscher strahlten das Infrarot-Licht nun durch einen Germanium-Kristall ein, an dessen Oberfläche die Proteine gebunden werden. An den Grenzflächen des Kristalls wird das Licht immer wieder reflektiert und breitet sich so durch den Kristall aus (Abgeschwächte Totalreflexion). Dabei tritt ein Teil der Lichtwellen aus dem Kristall aus und erreicht so die an der Oberfläche gebundenen Proteine. Eine ähnliche Technik, die „Surface Plasmon Resonanz“ wird heute standardmäßig in der Pharmaindustrie eingesetzt, hat aber nicht die atomare Auflösung der neuen Technik.
Die Bindung erfolgte über das His-Tag, eine einfache Aminosäurekette, die heute standardmäßig an Proteine angehangen wird, um sie biochemisch zu untersuchen – quasi ein Universaladapter. Über diesen Anker dockten die Forscher die Proteine am Germanium-Kristall an. So lagen die Moleküle fest gebunden an einer Oberfläche vor, die das Infrarot-Licht für die Messung über abgeschwächte Totalreflexion zuführte. Der große Vorteil: Eine Fülle von Proteinen ist bereits mit His-Tag ausgestattet, ist also problemlos mit der neuen Bochumer Kombinationsmethode analysierbar. Auch jedes weitere Protein, an das eine His-Kette angehangen wird, ist nun der IR-Spektroskopie zugänglich. „Das wird helfen, eine Vielzahl von biologischen und medizinischen Fragen zu beantworten“, so Gerwert.
Als Erstes erprobte das Team die neue Methode am Protein Ras, dem zentralen Ein/Aus-Schalter des Zellwachstums. Defektes, „onkogenes“ Ras, ist einer der häufigsten Auslöser von Krebs. Den Forschern gelang es, Ras mit dem His-Tag erfolgreich an die Messoberfläche zu binden und dieses an die Kette gelegte Ras durch einen Bindungspartner zu aktivieren. „Die Technik ist derart empfindlich, dass wir das Signal von einer nur fünf Nanometer dicken Proteinschicht auflösen konnten. Das entspricht circa einem Zehntausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares“, so Jörn Güldenhaupt, der maßgeblich an der Entwicklung der Methode beteiligt war. Auch kleinste Strukturänderungen beim Übergang zwischen den beiden Schalterstellungen des Ras-Proteins waren mit dem „Protein-Nanoskop“ zu erkennen.
RUB / PH