Erstmals zwei verschiedene Ionenstrahlen gleichzeitig beschleunigt
Am GSI-Schwerionensynchrotron SIS18 ist es erstmalig gelungen, zwei unterschiedliche Ionenstrahlen mit voneinander abweichenden Umlauffrequenzen gemeinsam im selben Zyklus zu beschleunigen und zu extrahieren.
GSI-Mitarbeitende konnten erstmals zwei unterschiedliche Ionenstrahlen mit voneinander abweichenden Umlauffrequenzen gemeinsam im selben Zyklus zu beschleunigen und zu extrahieren. Dabei überholen die schnelleren Ionen des einen Strahls die langsameren Ionen des anderen Strahls ständig, wobei sich die Teilchenpakete der beiden Strahlen immer wieder gegenseitig durchdringen.
Das in der Maschinenstudie demonstrierte Verfahren eröffnet eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise kann in der Tumortherapie mit geladenen Kohlenstoff-Teilchen ein zusätzlicher Helium-Anteil im Strahl zur weiteren technischen Optimierung der positionsscharfen Verfolgung des Experimentstrahls eingesetzt werden. Das neue Verfahren erlaubt dabei eine selektive Steuerung der Extraktion der beiden Teilchensorten. In Plasmaphysik-Experimenten wiederum lässt sich eine zweite Ionensorte zur Analyse der Dichtevariationen des Plasmas, das durch die erste Ionensorte erzeugt wurde, verwenden. Für Kernphysik-Experimente kann die zweite Ionensorte als Kalibrierstrahl zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt ist mit dem Verfahren auch eine hochpräzise Messung der Energie des aus dem SIS18 extrahierten Strahls möglich, die für bestimmte Hadronen-Experimente von Bedeutung ist.
Im Rahmen der nun erfolgten Maschinenstudie wurden Strahlen der beiden Ionensorten Eisen (56Fe25+) und Bismut (209Bi68+) nacheinander vom davorliegenden Linearbeschleuniger Unilac in das Synchrotron SIS18 injiziert. Beide Ionensorten kommen zwar vom Unilac mit derselben Geschwindigkeit, haben aber ein unterschiedliches Verhältnis von Masse zu Ladung, sodass die für Ablenkung und Fokussierung der Strahlen im Ringbeschleuniger erforderlichen Magnetfelder für beide Ionensorten unterschiedlich stark sind. Aus diesem Grund muss der – leichter abzulenkende – Eisen-Strahl zuerst injiziert und anschließend so weit beschleunigt werden, dass die Stärke der Magnetfelder den für die Injektion der schwerer abzulenkenden Bismut-Ionen benötigten Werten entspricht.
Durch diese Beschleunigung haben die Eisenionen im SIS18 eine höhere Geschwindigkeit und damit verbunden auch eine höhere Umlauffrequenz als die Bismutionen. Um beide Ionen gleichzeitig beschleunigen zu können, muss die Wechselspannung, die zur Beschleunigung erforderlich ist, daher durch zwei unabhängig voneinander operierende Hochfrequenz-Kavitäten mit einer an die wachsende Geschwindigkeit der jeweiligen Ionensorte angepassten Frequenz erzeugt werden. Dieser neuartige Betriebsmodus ließ sich dank der Flexibilität der Hochfrequenzanlagen des SIS18 durch eine geeignete Erweiterung der Software zur Erzeugung der Gerätesollwerte realisieren.

Noch sind einige Schritte zu erledigen, bis sich das neue Verfahren mit optimierten Strahlparametern im Routinebetrieb bei GSI/FAIR einsetzen lässt. So soll das Verfahren beispielsweise mit der Methode der Elektronenkühlung kombiniert werden, um hohe Teilchendichten erzeugen zu können. In diesem Zusammenhang sind auch theoretische Studien zu den Wechselwirkungen zwischen den beiden Strahlen bei hohen Intensitäten geplant. Der Grundstein ist mit der erfolgreichen Demonstration gelegt. (od / GSI)