24.02.2020

Proteinkristalle mit Elektronen abbilden

Schnellere Bestimmung von Proteinstrukturen per serieller Elektronenbeugung.

Um die biologischen Funktionen von Proteinen zu verstehen, ist es unerläss­lich, ihre Struktur zu erforschen. Durch ihrer winzigen Dimen­sionen und Zerbrech­lich­keit sind diese Strukturen jedoch schwer zu bestimmen. Die immense Dosis an hoch­energe­tischer Röntgen­strahlung, die Daten in aus­re­ichender Auflösung erzeugt, richtet in den zu unter­suchenden Proteinen große Schäden an, die oft die Struktur­auf­lösung verhindert. Jetzt haben Forscher vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie und dem DESY eine innovative neue Methode entwickelt, die diese Probleme umgeht und weit verbreitete, kosten­effektive Techno­logien nutzt.

Abb.: Ein kleiner Elektronenstrahl trifft auf tausende winziger...
Abb.: Ein kleiner Elektronenstrahl trifft auf tausende winziger Proteinkristalle nacheinander. Mit ihren Beugungsmuster können die Proteinstrukturen in hoher Auflösung bestimmt werden. (Bild: R. Bücker, MPSD)

Seit Jahrzehnten suchen Forscher aus unter­schied­lichen Arbeits­gebieten bereits nach kreativen Lösungen für das Strahlungs­schäden-Problem. Ein neuer Ansatz ist die Nutzung von ultra­kurzen und inten­siven Röntgen­blitzen an Groß­instru­menten wie dem neuen European X-ray Free Electron Laser EuXFEL in Hamburg, der hoch­auf­ge­löste Abbil­dungen produ­ziert, bevor die Proteine wort­wört­lich explo­dieren. Obwohl diese Methode durch spekta­ku­läre Ergeb­nisse besticht, benötigt man große und teure Teilchen­beschleu­niger, um Röntgen­strahlen der nötigen Brillanz zu erzeugen. Eine andere Methode setzt Elektronen­strahlen ein, die sanfter mit den zarten Bio­mole­külen umgehen und ein­facher zu erzeugen sind. Diese kommt zum Beispiel am Center for Structural Systems Biology CSSB in Hamburg zum Einsatz.

Die Forscher vom MPSD und vom DESY haben auf raffi­nierte Weise diese Ansätze mit Big Data-Analysen und den neuesten Kamera­techno­logien kombiniert und dadurch hoch­auf­ge­löste Protein­strukturen aus relativ leicht erhält­lichen Nano­kristallen gewonnen. Dazu entwickelten die Wissen­schaftler die serielle Elektronen­beugung, die experi­men­telle Methoden aus der Röntgen­kristallo­graphie adaptiert, um Beugungs­muster aus tausenden Kristallen zu gewinnen und diese zu verarbeiten.

Statt ein Großforschungs­instrument wie EuXFEL einzu­setzen, verteilten sie die Kristalle auf einem dünnen Kohle­film und legten sie in ein Elektronen­mikroskop, wie es in vielen Laboren vorhanden ist. Der Elektronen­strahl wird dazu gebracht, von einem Nano­kristall zum nächsten zu hüpfen, um Beugungs­daten zu sammeln. Die Nutzung von Nano­kristallen redu­ziert nicht nur die benötigte Menge der oft seltenen und teuren Proben, sondern erspart den Forschern zudem das Züchten großer Protein­kristalle, wie bei konven­tio­nellen Röntgen­methoden – oftmals eine extrem schwierige Aufgabe.

Um die vom Elektronenstrahl verur­sachten Schäden zu umgehen, wird statt eines Einzel­bilds ein kurzer Film mit einer Hoch­geschwin­dig­keits­kamera gedreht, während der Elektronen­strahl auf einem Kristall ruht. Der Film zeigt, wie der Kristall buch­stäb­lich dahin­schmilzt. Aber dennoch bleiben aus­reichende Infor­ma­tionen im „Diffrac­tion during Destruc­tion-Movie“, um die Daten so zu rekon­stru­ieren, als hätte es beinahe keinen Schaden gegeben. Dieser Prozess wird inner­halb weniger Stunden bei Tausenden von Nano­kristallen wieder­holt. Die enormen Daten­mengen werden dann mit­hilfe am DESY entwickelter, spezieller Software in eine hoch­auf­ge­löste Protein­struktur umge­wandelt.

Außer bei Proteinen und anderen Bio­mole­külen kann die serielle Elektronen­beugung auch für viele neu­artige Funktions­materi­alien einge­setzt werden – wie zum Beispiel Perowskite und metall­orga­nische Frame­works, die viel­ver­sprechende Kandi­daten für zukünftige Anwen­dungen in Solar­zellen und Wasser­stoff­speichern dar­stellen. Das Forschungs­team ist begeistert über die Ein­fach­heit der Methode mit ihren verhältnis­mäßig geringen Anforde­rungen an wert­volle Proben und aufwändige Labor­aus­stattung und erhofft sich ihre Verbreitung vom MPSD in Laboren weltweit.

MPSD / RK

Weitere Infos

 

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen