Pulse statt Nullen und Einsen
Neuromorphes Rechnen ermöglicht höhere Lernfähigkeit von IT-Systemen, ohne deren Energiebedarf zu steigern.
Neuromorphes Rechnen nennt sich ein neue Kompetenzfeld am Forschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme Fortiss. Künftig wird es neben klassischen auch neuromorphe IT-Systeme geben, die Information nicht mehr mit Nullen und Einsen kodieren, sondern in Form von Pulsen, vergleichbar biologischen Nervenzellen. Damit soll beispielsweise die Lernfähigkeit von Robotern gesteigert werden, ohne dass der Energieverbrauch steigt. Während beim biologischen Modell Informationsverarbeitung und Speicherung am selben Ort stattfinden, ist dies bei klassischen Computern nicht der Fall. Der Speicher ist räumlich getrennt. Und genau dieses Konzept erweist sich als Nadelöhr: Die Daten müssen ständig zwischen Prozessor und Speicher abgeglichen werden. Das limitiert die Datentransferrate und schraubt den Energieverbrauch hoch.
Bei neuromorphen IT-Systemen ist nicht nur die Architektur der informationsverarbeitenden Einheiten den biologischen neuronalen Netzen nachempfunden. Künftig soll auch deren Prinzip der Informationsverarbeitung auf Siliziumchips übertragen werden: Dabei werden die Informationen nicht mit dem binär kodiert, sondern wie beim menschlichen Gehirn in Form von zeitgetakteten Pulsen.
Am Fortiss hat sich ein Team um den Computerwissenschaftler Axel von Arnim vorgenommen, in Anlehnung an die Signalübertragung biologischer Systeme die Lernfähigkeit und Intelligenz technischer Systeme wie Roboter oder maschinelle Bildverarbeitung zu verbessern. Dazu wird das Team Erkenntnisse aus der Neurobiologie nutzen und Softwaremethoden aus dem Bereich künstliche Intelligenz und deren Teilgebiet Deep Learning verwenden.
„Neuromorphe Systeme sind energieeffizient, anpassungsfähig und können lernen. Sie eignen sich besonders gut, um kognitive Computer zu realisieren, die komplexe Daten analysieren und erlerntes Wissen nutzen, um Vorhersagen zu treffen. Außerdem ist das Datenformat universell, was die Kommunikation zwischen neuromorphen Systemen erleichtert“, erklärt von Arnim.
Bevor jedoch technische Systeme mit der neuen Generation künstlicher neuronaler Netze arbeiten, müssen die Grundlagen dafür geschaffen werden. Dafür kooperieren die Computerwissenschaftler von Fortiss mit der Arbeitsgruppe von Wolfgang Maass an der TU Graz. Gemeinsam werden die Beteiligten Algorithmen und Software für energiesparende neuromorphe Hardware entwickeln und Möglichkeiten für das Rechnen und Lernen mit gepulsten neuronalen Netzen erforschen. Ebenso werden sie erkunden, welche Softwarearchitektur für neuromorphes Rechnen notwendig ist.
„Derzeit sind unterschiedliche Systeme auf dem Markt, beispielsweise Simulatoren, Chips oder selbstgebastelte Bibliotheken. Da es sich um unterschiedliche Systeme handelt, ist die Kommunikation zwischen den Komponenten erschwert“, erläutert Maass. „Wir arbeiten an einer Standardbibliothek für neuromorphe Software. Diese erlaubt Programmierern nicht nur den Zugriff auf die neue Generation künstlicher neuronaler Netzwerke. Auch der Zusammenbau der verschiedenen SNN-Komponenten wird damit erleichtert.“
fortiss / RK