Quanten-Elektromechanik mit Schwung
Supraleitendes Qubit ließ sich an einzelne Phononen koppeln.
Für eine Vielzahl neuer Technologien ist die Ausnutzung von Quanteneffekten interessant. Nicht nur in der Quanteninformationsverarbeitung, sondern auch in der Sensorik gibt es viele Hoffnungen auf neue Quantensysteme. Die kontrollierte Nutzung von Quanteneffekten in makroskopischen Systemen gelingt bislang aber vor allem bei supraleitenden Quantenbits. Andere physikalische Systeme lassen sich meist nur deutlich aufwändiger beherrschen. Dabei würde die Kopplung elektrischer Systeme an andere Freiheitsgrade – etwa von supraleitenden Qubits an Kristallschwingungen – ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Abb.: Schema der piezoelektrischen Kopplung zwischen Resonator und Qubit. (Bild: Y. Chu et al.)
Dabei muss diese Kopplung ihrerseits aber wieder unter sehr kontrollierten Bedingungen stattfinden. Denn sonst tritt Dekohärenz ein, und die gewünschten Quanteneigenschaften würden sich durch Kontakt mit der Umgebung blitzschnell in Nichts auflösen. Die Kopplungsstärke zwischen den verschiedenen Freiheitsgraden muss deshalb hoch sein und deutlich überhalb der Verlustrate des Qubits und des Oszillators liegen.
Piezoelektrische Materialien bieten sich besonders für eine solche Kopplung an. Allerdings war es bislang erst einem Forscherteam gelungen, ein nichtlineares elektromechanisches System mit hinreichend starker Kopplung zu realisieren. Dieser Durchbruch aus dem Jahr 2010 benötigte allerdings ein sehr aufwändig konstruiertes System und ließ sich deshalb bis heute nicht wesentlich näher an die Einsatzreife bringen. Forschern der Universität Yale ist es nun gelungen, ein wesentlich einfacheres System aus einem supraleitenden Qubit und Phononen in einem Kristall umzusetzen. Hierzu koppelten die Forscher ein Transmon-Qubit an die Gitterschwingungen eines Saphir-Kristalls. Dabei konnten sie auch erstaunlich hohe Kohärenzzeiten der einzelnen Phononen und eine hohe Kooperativität des Gesamtsystems nachweisen.
Den Resonator stellten die Forscher aus einem 420 Mikrometer dicken Saphir-Wafer her, der mit einer ein Mikrometer dünnen Schicht aus Aluminiumnitrid überzogen war. Hierzu erzeugten sie auf dem Kristall einen kreisförmigen Aluminiumnitrid-Resonator, der über dünne Aluminiumleiter elektrisch mit dem Transmon-Qubit verbunden war. Dieses bestand aus einem Squid-Ring, das ebenfalls aus Aluminium gefertigt war und zwei gleich große Kontakte besaß. Die Forscher nutzten großteils gängige Techniken wie Elektronenstrahl-Lithographie, reaktives Ionenätzen und Photolithographie. Nur wenige Arbeitsschritte erforderten neuartige Herstellungsverfahren, etwa um den piezoelektrischen Wandler in der gewünschten Form aufzubringen, der für die Kopplung zwischen dem Qubit und den mechanischen Schwingungen sorgt.
„Unser System ist relativ einfach herzustellen, was einerseits seine Robustheit und andererseits das Potenzial für künftige Anwendungen erhöht“, sagt Yiwen Chu von der Yale University. Die Aluminiumnitrid-Scheibe, die als Wandler zwischen Qubit und den Gitterschwingungen im Saphir-Kristall diente, hatte eine Dicke von knapp einem Mikrometer und einen Radius von 100 Mikrometern – mehr als ausreichend für die Phononen, die eine deutlich kürzere Wellenlänge haben. Bei bestimmten Frequenzen des Qubits bildeten sich verschiedene Phononen-Moden aus. Im Bereich der Bandabstoßung zeigten sich auch Vakuum-Rabi-Oszillationen.
Mit diesem Aufbau ließen sich einfache Quantenrechenoperationen durchführen. Hierzu brachten die Wissenschaftler das Qubit und die entsprechenden Phononen-Moden in Resonanz beziehungsweise schalteten diese wieder ab. Durch geeignete und hinreichend schnelle Änderung der Qubit-Frequenz ließen sich so etwa die Zustände von Qubit und Resonator tauschen. Dabei ergab sich eine erstaunlich lange Kohärenzzeit für die einzelnen Phononen von über zehn Mikrosekunden.
Einzelne Moden erreichten sogar Kohärenzzeiten von zwanzig bis dreißig Mikrosekunden. Diese hohen Werte sind aufgrund der großen Reinheit des Kristalls möglich, in dem keine Störstellen die Phononen schlucken. Die Kooperativität des Systems bestimmten die Wissenschaftler zu 260. Dies ist rund eine Größenordnung besser als bei früheren, vergleichbaren Anordnungen. Im Wesentlichen verdankt sich dieser Anstieg einer um rund drei Größenordnungen verbesserten Kohärenzzeit sowohl des Qubits als auch des mechanischen Systems.
Solche elektromechanischen Systeme könnten sich dank ihrer guten Kohärenzzeit in Zukunft insbesondere nutzen lassen, um Quanteninformationen zu speichern. Derartige Speicher wären sowohl kompakt als auch robust gegenüber äußeren Einwirkungen. Solche elektromechanische Apparate ließen sich aber auch nutzen, um supraleitende Qubits an sichtbares oder infrarotes Licht zu koppeln und damit als wichtige Schnittstelle für die Übertragung von Quanteninformationen zu dienen.
Als nächstes Ziel wollen die Wissenschaftler einen langlebigen Quantenspeicher mit ihrem Aufbau demonstrieren. Bis es gelingen wird, elektromechanische Systeme als Quantenwandler zwischen weiteren physikalischen Freiheitsgraden einzusetzen, wird es nach Ansicht der Forscher aber noch einige Jahre brauchen.
Dirk Eidemüller
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