Quantenblick ins Hirn
Neues Verbundprojekt entwickelt Quantensensoren für Hirntumor-Operationen.
Einen Hirntumor zu entfernen, stellt Chirurgen vor besondere Herausforderungen: Sie müssen den Tumor beseitigen, ohne jedoch gesundes Hirngewebe zu beschädigen. Unter anderem gilt es, den Motorkortex im Blick zu haben, der für Bewegung verantwortlich ist. Führt beispielsweise eine Nervenbahn von diesem zum Arm, darf sie nicht durchtrennt werden. Entsprechende Diagnostik hilft bereits heute dabei, solche Nervenbahnen und Hirnregionen zu erkennen und zu schonen. Künftig soll die Quantensensorik die Zuordnung von Funktionen zu gewissen Hirnarealen noch einmal verbessern – über neue diagnostische Geräte, die unter anderem die Neuronavigation verfeinern. Daran arbeitetet ein Konsortium der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) im Projekt DiaQNOS gemeinsam mit verschiedenen Partnern aus Forschung, Medizin und Industrie.
Gefördert wird das fünfjährige Projekt, das im Oktober 2022 gestartet ist, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt knapp elf Millionen Euro. Die Basis für das Projekt legte das Verbundprojekt BrainQSens: Hier entwickelte ein Konsortium, in dem auch die JGU vertreten war, hochempfindliche Magnetsensoren, die eine verbesserte medizinische Diagnostik ermöglichen. „In diesem Flaggschiff der Quantensensorik konnten wir die Magnetfeldsensorik bereits so weit verbessern, dass damit prinzipiell magnetische Felder des Gehirns registriert werden können“, sagt Arne Wickenbrock, der das Verbundprojekt koordiniert. „Nun geht es darum, die nächsten Schritte auf dem Weg zur medizinischen Anwendung zu gehen und Quantensensorik für die Gesellschaft nutzbar zu machen.“
Das Konsortium spiegelt diesen Anwendungsbezug wider, indem neben Neurochirurgen des Universitätsklinikums Freiburg, also den späteren Nutzern der Technologie, auch der medizinische Gerätebauer inomed Medizintechnik vertreten ist. Zudem bringen die Firmen Sacher Lasertechnik und TTI ihre Kompetenz auf dem Weg zur Vermarktung ein. Drei Jahre lang soll ein OP-taugliches Gerät entwickelt werden, anschließend stehen zwei Jahre medizinische Forschung auf dem Programm. Dabei soll unter anderem Hirngewebe aus einer Gewebedatenbank in Freiburg erstmalig auf seine magnetischen Eigenschaften untersucht werden, vor allem im Hinblick auf neue diagnostische Möglichkeiten für Hirntumore.
Die Forschenden widmen sich unter anderem dem Bau des Quantensensors, schließlich hat die Arbeitsgruppe von Dmitry Budker die Magnetographie als Kernkompetenz in Mainz gestärkt, auch lässt er seine Kompetenz in das Projekt mit einfließen. „Diese Quantensensoren beruhen auf Stickstoff-Fehlstellen in Diamanten – Magnetfeldsensoren im Nanomaßstab, die im Diamanten eingeschlossen sind. In einer dünnen Schicht aus Diamant kann eine riesige Anzahl dieser Magnetfeldsensoren existieren. Somit wird es uns möglich, ein magnetisches Bild von dem Objekt zu erzeugen, das der Sensor sieht“, erläutert Wickenbrock.
Die Nervenkommunikation im menschlichen Körper funktioniert über elektrische Ladungen, die durch die Nervenbahnen sausen. Nun erzeugt jede bewegte Ladung ein Magnetfeld – es gibt also zahlreiche magnetische Felder im menschlichen Körper, so auch im Gehirn. Diese soll der Sensor erkennen und analysieren und den Chirurgen auf diese Weise mehr über die Funktion der jeweiligen Hirnareale verraten. Somit können die Mediziner den Schnittweg genauer und patientenschonender planen.
JGU Mainz / JOL