25.02.2021

Quantencomputing mit Rydberg-Atomen

Großes Verbundprojekt „QrydDemo“ soll Rydberg-Quantencomputer bis 2025 realisieren.

Im Rennen um die Verwirklichung eines praxistauglichen Quanten­computers gilt ein Konzept auf der Basis von Rydbergatomen als besonders aussichtsreich. Im Rahmen des neuen, vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbund­projekts „QRydDemo“ wollen Forscher unter der Leitung der Universität Stuttgart gemeinsam mit der Industrie bis 2025 einen Demonstrator für einen Rydberg-Quantencomputer realisieren. Hierfür sollen Rydberg­atome in einer zweidimensionalen optischen Fallenstruktur gruppiert und durch gezielte Verschränkung und Verschiebung der Atom­fallen quantenlogische Operationen durch­geführt werden. 
 

Abb.: Darstellung eines Mehr­teilchen-Quanten­gatters mit gefangenen...
Abb.: Darstellung eines Mehr­teilchen-Quanten­gatters mit gefangenen Rydberg­atomen. Ein zentrales Qubit kontrolliert den Zustand von mehreren benach­barten Qubits über die starke Wechsel­wirkung zwischen Rydberg­atomen. (Bild: C. Brandes / U. Stuttgart)

Ähnlich wie ein klassischer Computer führt ein Quanten­computer eine Folge von Algorithmen aus. Allerdings tut er dies mit den kleinsten physikalischen Einheiten. Diese Qubits können nicht nur die Zustände 0 und 1 annehmen, sondern auch Überlagerungs­zustände zwischen 0 und 1. Solche Superpositionen sind auch zwischen weit entfernten Qubits möglich, wobei eine Änderung am einen Teilchen auch eine Änderung am anderen bewirkt. Gelingt es, zwei Qubits miteinander zu verschränken, ist ihr gemeinsamer Zustand eine Überlagerung aller Einzelzustände. Um mit Qubits Rechen­operationen durchführen zu können, muss der Zustand der Superposition und der Verschränkung für viele Qubits über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden. Es kommt also darauf an, wie präzise man einzelne Qubits kontrollieren kann und wie gut sich die Anzahl der Qubits hochskalieren lässt. 

In den letzten drei Jahren konnten auf der Basis von Rydberg­atomen Kontrolle und Verschränkung in Systemen von mehr als fünfzig Qubits gezeigt sowie Qubit-Operationen mit einer Fehler­quote von weniger als einem Prozent demonstriert werden. „Rydbergatome sind mehrere tausend Mal größer als normale Atome und können durch ihr locker gebundenes Elektron andere Rydberg­atome über Distanzen von etwa fünf Mikrometern hinweg ‚fühlen‘ – für Atome sind das gigantische Entfernungen“, erklärt Florian Meinert am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart die besondere Eignung von Rydbergatomen. Dabei erfolgt die Anregung besonders kohärent, kontrolliert und frei von Störungen. „Quantengatter aus Rydbergatomen sind daher ein äußerst viel­versprechender Ansatz, deren Leistung sich aus unserer Sicht um die Größen­ordnungen steigern lässt, die für einen praxistauglichen Quanten­computer erforderlich sind“, meint Meinert.

In dem Projekt arbeiten Forscher aus der Experimental­physik und der theoretischen Physik sowie Entwickler aus der Industrie Hand in Hand zusammen. Während die Gruppe um Florian Meinert mit ihren Experimenten zur Steuerung und Kontrolle der Rydbergatome quasi den Prozessor des Computers liefert, entwickelt das Team um Hans Peter Büchler am 3. Institut für theoretische Physik der Universität Stuttgart das Programm, das die Rechen­schritte der Quanten­algorithmen ausführt. Ziel ist es, am Ende der Projekt­laufzeit ein Webinterface zu installieren, mit dem sich ein erstes Set an Problemstellungen berechnen lässt. Zudem gilt es, die Rechenprozesse zu optimieren und die Fehlerraten zu minimieren. Ein weiterer notwendiger Entwicklungs­schritt ist das Benchmarking des Quanten­computer-Ergebnisses mit sehr anspruchsvollen Simulationen, die auf klassischen Super­computern durchgeführt werden. Diesen Fragestellungen widmet sich Simone Montangero (Universität Padua und Honorar­professor Universität Ulm). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit neun Millionen Euro, weitere 1,1 Millionen Euro fließen von Seiten der Industriepartner.

Um die Kohärenz in einem Qubit-Ensemble über lange Zeit zu halten, setzen die Forscher auf ein ausgeklügeltes Laser- und Fallen­system, welches es erlauben soll, die Qubit-Zustände 0 und 1 und alle Überlagerungs­zustände sehr gut zu kontrollieren und zu speichern sowie logische Quantengatter als Grund­bausteine der Rechen­operationen zu realisieren. Derartige Laser gibt es bisher nicht auf dem Markt. Daher ist mit der Münchner Firma Toptica Photonics AG ein Industriepartner in das Grundlagenforschungsprojekt eingebunden, der auf die Entwicklung hochpräziser Laser­systeme spezialisiert ist.

Das Potential von Quantencomputern für Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland sei hoch, so Tilman Pfau, der Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart und Koordinator des Verbund­projekts „QRydDemo“: „Der Quanten­computer kann seine Stärken insbesondere bei rechenintensiven Frage­stellungen ausspielen. Das ist zum Beispiel bei Simulationen von Molekül­verbindungen oder Festkörpern der Fall, etwa um chemische oder biologische Prozesse besser zu berechnen und in Folge neue Materialien oder Verbindungen zu entwickeln.“ Aber auch perfekt optimierte Verkehrsströme, Produktions­abläufe oder hoch leistungs­fähige Batterien ließen sich mit der grund­legend anderen Rechenweise realisieren. 

U. Stuttgart / DE

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