26.04.2022

Quanteneffekte jenseits des Standardmodells

Neue DFG-Forschungsgruppe in Mainz untersucht Photon-Photon-Wechselwirkungen.

Im Unterschied zur Interferenz ist eine Wechselwirkung von Lichtstrahlen unter­einander im Sinne einer Streuung klassisch unmöglich. In der subatomaren Welt hingegen, die durch Quanten­effekte beschrieben wird, wechselwirken die Photonen sehr wohl miteinander und spielen eine zentrale Rolle im Standard­modell der Teilchenphysik. Ein besseres Verständnis dieses reinen Quanteneffekts ist der Schlüssel, um zu wichtigen neuen Erkennt­nissen sowohl innerhalb des Standardmodells als auch darüber hinaus zu gelangen. Die Photon-Photon-Wechsel­wirkung steht daher im Fokus einer neuen Forschungs­gruppe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die gerade durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt wurde und in den nächsten vier Jahren zunächst mit etwa 3,5 Millionen Euro gefördert wird. Sprecher ist Experimental­physiker Achim Denig, Co-Sprecher der theoretische Physiker Marc Vanderhaeghen – beide vom Institut für Kernphysik der JGU.

Abb.: Am BESIII-Detektor in Peking wird ein Teil der experi­mentellen...
Abb.: Am BESIII-Detektor in Peking wird ein Teil der experi­mentellen Messungen im Rahmen der Forschungs­gruppe stattfinden. (Bild: IHEP, Peking)

Der Effekt der Licht-Licht-Streuung wurde bereits 1936 von Euler und Heisenberg theoretisch vorhergesagt, aber erst kürzlich am Large Hadron Collider (LHC) am Cern experi­mentell bestätigt. Dabei wechselwirken Photonen auch in der Quantenwelt nicht direkt miteinander. Die Streuung geschieht vielmehr durch die Vermittlung virtueller Teilchen, die aufgrund der Heisenbergschen Unschärfe­relation kurzzeitig aus dem Vakuum erzeugt werden können – zum Beispiel unter Vermittlung von Quarks, die der starken Wechsel­wirkung unterliegen. Diese hadronische Licht-an-Licht-Streuung liefert neben anderen hadronischen Effekten wichtige Beiträge zur theoretischen Vorhersage von Präzisions­größen im Rahmen des Standard­modells, wobei jedoch eine Berechnung dieser Effekte sehr komplex und daher oftmals in ihrer Genauigkeit limitiert ist.

„Ziel der Forschungs­gruppe ist es, die existierenden Beschränkungen in der Beschreibung der Photon-Photon-Wechsel­wirkungen aufzuheben. Dies hat weitreichende Konse­quenzen für unser Verständnis subatomarer Materie sowie für Präzisions­tests des Standard­modells – zum Beispiel hinsichtlich des anomalen magnetischen Moments des Myons“, sagt Achim Denig. „Die Photon-Photon-Wechsel­wirkung ist somit ein Schlüssel für vielfältigste Entdeckungen in der Hadronen- und Teilchen­physik. Dabei bietet ihr Studium sogar das Potenzial, neue Teilchen jenseits des Standard­modells nachzuweisen – etwa axionartige Teilchen als aussichts­reiche Kandidaten für dunkle Materie.“

Der vollständige Titel der neuen Forschungs­gruppe lautet „Photon-Photon-Wechsel­wirkungen innerhalb und jenseits des Standardmodells – voll­ständige Nutzung des Entdeckungs­potenzials von MESA bis hin zum LHC“. Er beschreibt, dass die Grundlage für ein besseres Verständnis neben innovativen theoretischen Berechnungen vor allem auch Messungen an Teilchen­beschleunigern sind. In der Forschungsgruppe werden Messungen am neuen MESA-Beschleuniger an der JGU bei niedrigsten Energien und höchsten Inten­sitäten mit Hochenergie-Messungen am Large Hadron Collider (LHC) in Genf kombiniert. Ebenso wichtig sind experi­mentelle Daten bei mittleren Energieskalen am Mainzer Beschleuniger MAMI und dem BES-III-Experiment in China, die wiederum in die theoretischen Berechnungen einfließen.

Die neue Forschungs­gruppe vereint die Mainzer Expertise auf all diesen Forschungs­gebieten und zeichnet sich durch eine Kooperation zwischen Experimental­physikerinnen und -physikern und theoretischen Physikerinnen und Physikern aus. Dabei ergeben sich zahlreiche Synergien, um die Photon-Photon-Wechsel­wirkung auf allen Ebenen und von Grund auf zu verstehen und nachzu­vollziehen. Die Forschungs­gruppe ist ferner eingebettet in das Forschungs­programm des Mainzer Exzellenzclusters Prisma+ und bindet inter­nationale Kooperation­spartner aus Polen, China und vom Cern mit ein.

JGU / JOL

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