28.08.2019

Quantenkritische Materialien

Nachwuchsgruppe untersucht das Entstehen und Vergehen von Quasiteilchen.

Manche Materialien besitzen Eigenschaften, die sich mit klassischer Physik nicht mehr berechnen lassen – ihre Erklärungen finden diese „Quantenmaterialien“ im kleinsten Maßstab, auf Quantenebene. An welchen kritischen Punkten Quantenmaterialien grundlegende Eigenschaften ändern, warum und wie sie das tun und wie sie sich kontrollieren lassen, sind Fragen, die Lukas Janssen, Professur für theoretische Fest­körperphysik der TU Dresden, in einer kürzlich bewilligten Emmy Noether-Nachwuchs­gruppe untersucht.

 

Abb.: Lukas Janssen (Bild: L. Janssen)
Abb.: Lukas Janssen (Bild: L. Janssen)

Mit diesem Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) werden herausragende Nachwuchs­wissenschaftler bis zu sechs Jahre lang als Leiter einer Forschungsgruppe gefördert, um sie für die Hochschul­lehrtätigkeit zu qualifizieren – und somit zur Berufung auf eine Professur. Zum 1. September 2019 wird die Gruppe „Quantum Critical Matter“ ihre Arbeit aufnehmen. Lukas Janssen führt damit seine bisherigen Lehr- und Forschungs­tätigkeiten zu Phasen­übergängen und magnetischer Frustration in einem prestigeträchtigen Programm fort. „Die Förderung im Emmy Noether-Programm ist eine einzigartige Möglichkeit, mich auf eine Karriere als Hochschul­lehrer vorzubereiten“, erklärt der 35-jährige Forscher. „Ich darf eine kleine und innovative Gruppe junger Nachwuchs­wissenschaftler leiten, die ein spannendes und aktuelles Forschungsfeld weiter voranbringen wird. So viel Freiheit werde ich womöglich nie wieder in meiner Karriere bekommen!“

Janssens Quantenmaterial-Forschung fokussiert auf das Entstehen und Verschwinden von Quasiteilchen: Mikroteilchen-Verbände, die sich in ihren Wechselwirkungen wie einzelne Teilchen verhalten. Janssen will ihr Verhalten bei kritischen Punkten, die Zustands­änderungen in einem Material bewirken, näher erforschen – und so herausfinden, welche quanten­mechanischen Wechselwirkungen die Physik stark korrelierter Materialien wie Supraleiter oder magnetischer Isolatoren bestimmen. Noch handelt es sich um Grundlagen­forschung. Das daraus resultierende Wissen könnte jedoch in neuen Anwendungen nutzbar gemacht werden: „Denkbar sind zum Beispiel Impulse zur Synthese neuer Materialien, die einen massentauglichen Quantencomputer ermöglichen“, erklärt Janssen. Der Name des Projekts: „Quantenkritische Materie: Von frustrierten Spins zu wechselwirkenden Fermionen und emergenten Eichfeldern“.

Janssens künftige Teammitglieder – zwei Doktoranden sowie jährlich ein Masterstudent, ab 2022 zudem ein Postdoc – werden dabei von internationalen Forschern unterstützt, darunter Kollegen vom Oak Ridge National Laboratory im US-Staat Tennessee, vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoff­forschung Dresden, sowie von den Universitäten in São Paulo (Brasilien), Melbourne (Australien), Würzburg, Vancouver (Kanada), Liverpool (UK), Köln und Harvard (USA). Die DFG fördert die Nachwuchsgruppe mit rund einer Million Euro.

Bevor Lukas Janssen als Postdoctoral Associate an die Dresdner Professur unter Matthias Vojta kam, forschte er in Vancouver, Kanada als DFG-Research-Fellow in der Gruppe von Igor Herbut unter anderem an Supraleitern sowie quanten­kritischen Punkten in Halb­metallen. Studiert und promoviert hat der junge Wissenschaftler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Von 2012 bis 2016 förderte die DFG Janssens Projekt „Quanten­phasen­übergänge und kritische Phänomene in Graphen“ – eine Materialklasse, deren einlagige, wabenartige Atomstruktur als zweidimensionales Versuchslabor für Systeme aus Mikroteilchen wie relativistischen Fermionen dienen kann. „Dort“, resümiert Janssen, „begann meine intensive Forschung an quantenkritischer Materie“ und seine besondere Faszination für ihre Physik: „Quanten­materialien verbinden mehrere spannende und hochaktuelle Teilgebiete der Physik: Wir sind zwar in erster Linie Festkörperphysiker, doch reicht unsere Forschung von anspruchsvollen mathematischen Konzepten der Hoch­energie­physik über Aspekte der Quanten­informations­theorie bis hin zur Synthese neuer magnetischer Materialien in Zusammenarbeit mit Material­wissenschaftlern und Chemikern." In Graphen und verwandten Systemen mit Fermionen entdeckte Janssens DFG-Projekt bereits neue Quanten­phasenübergänge. „Diese Erkenntnisse wollen wir nun auf eine systematische Basis stellen.“ Nicht nur akademisch ist das Emmy Noether-Programm ein Gewinn für den Physiker: „Die langfristige DFG-Förderung gibt uns auch als Familie eine verlässliche Perspektive“, sagt der vierfache Familienvater.

TU Dresden / DE

 

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