08.08.2017

Quantenmagnete mit Löchern

Verborgene magnetische Ordnung in ein­dimen­sio­nalen, mit Löchern dotierten Quanten­kristallen.

Magnetismus beruht darauf, dass in bestimmten Stoffen wie Eisen die Spins der Elek­tronen ein­heit­lich aus­ge­richtet sind. Besonders interes­sante Effekte treten auf, wenn magne­tische Fest­körper­kristalle „Löcher“ auf­weisen, wenn also an bestimmten Gitter­plätzen ein Elektron fehlt. Hier kommt es zu einem Wechsel­spiel zwischen der Bewegung der Fehl­stelle und den magne­tischen Korre­la­tionen der Elek­tronen-Spins, wodurch die magne­tische Ordnung des Kristalls nicht mehr so stark zu Tage tritt. Fest­körper­physiker können im Allge­meinen die beiden Prozesse nicht sepa­rieren und daher die Frage, ob die magne­tische Ordnung in der Tat redu­ziert oder nur verdeckt ist, nicht beant­worten.

Abb.: Aufnahme einer atomaren Kette mit dem Quanten­gas­mikro­skop. Atome unter­schied­licher Spin-Richtung sind räum­lich getrennt: Ist der Spin abwärts gerichtet (grün), dann befinden sich die Atome im unteren Teil der Doppel­struktur des Gitter­topfs. Weist der Spin nach oben (rot), dann ist das Atom im oberen Teil. Auch die Löcher sind klar zu erkennen. (Bild: MPQ)

Ein Forscherteam um Christian Groß vom MPI für Quanten­optik hat jetzt gezeigt, dass die magne­tische Ordnung in ein­dimen­­sio­nalen Quanten­magneten erhalten bleibt, auch wenn sie mit Löchern dotiert sind, und damit einen wichtigen Nach­weis für die Tren­nung von Spin und Ladung erbracht. Die Quanten­kristalle werden dabei aus kalten Atomen in optischen Gittern erzeugt. Voraus­setzung dafür war die Mög­lich­keit, die Bewe­gung des Lochs und die Anre­gung der Spins in einem Mess­prozess jeweils getrennt zu beob­achten. Im nächsten Schritt wollen die Wissen­schaftler das Ver­fahren auf zwei­dimen­sionale Systeme aus­weiten. Hier wäre die Wechsel­wirkung von Löchern mit den magne­tischen Korre­la­tionen noch weit­aus komplexer und könnte zu der Ent­deckung von exo­tischen Materie­phasen führen, die beispiels­weise für die Hoch­tempe­ratur-Supra­leitung verant­wort­lich sind.

Die Wissenschaftler kühlen zunächst ein Ensemble von fermio­nischen Lithium-6-Atomen auf extrem tiefe Tempe­ra­turen, etwa einem Million­stel Kelvin über dem abso­luten Null­punkt. Die Atome werden in einer aus Laser­strahlen gebil­deten optischen Falle so einge­fangen, dass sie sich in einer Ebene anordnen. Diese wird wiederum in rund zehn parallel verlau­fende Röhrchen aufge­spalten, inner­halb der sich die Atome bewegen können. Im letzten Schritt wird den Röhrchen ein optisches Gitter über­lagert. Es entspricht dem perio­dischen Poten­zial, das Elek­tronen in einem Fest­körper­kristall spüren. So wie Elek­tronen tragen auch Lithium-Atome einen Spin-1/2-Zustand, also ein magne­tisches Moment, das auf­wärts oder abwärts zeigen kann. Bereits in einem früheren Experi­ment haben die Wissen­schaftler gezeigt, dass sich in einem solchen System die magne­tischen Momente benach­barter Atome unter­halb einer bestimmten Tempe­ratur entgegen­gesetzt aus­richten und somit zu anti­ferro­magne­tischen Korrela­tionen führen.

In dem Nachfolgeexperiment gehen die Forscher der Frage nach, wie sich Löcher auf den Ordnungs­grad des Quanten­kristalls aus­wirken. „Die Dotie­rung mit Löchern erreichen wir dadurch, dass wir in das optische Gitter weniger Atome laden, als Gitter­plätze vorhanden sind“, erklärt Timon Hilker, der an dem Experi­ment mitwirkte. „Die span­nende Frage ist nun, ob die Löcher statisch oder beweg­lich sind, und wie sie sich auf den Ordnungs­grad des Systems aus­wirken.“

Bleibt im Theater ein Sitz frei, dann kommt mitunter Bewegung in die Menge, nach und nach rücken Zuschauer auf – anders ausge­drückt: Das Loch wandert. Etwas Ähn­liches können die Forscher an ihrem Quanten­system mit ihrem Quanten­gas­mikro­skop beob­achten, mit dem sie die genaue Position der Atome und der Fehl­stellen mit Einzel­platz­auf­lösung erkennen. „Im Unter­schied zum leer geblie­benen Sitz­platz im Theater sind diese Löcher aber deloka­li­siert“, betont Hilker. „Erst bei der Messung ent­scheidet sich, wo sie sich genau befinden.“

Auf den ersten Blick reduzieren oder verdecken die Fluktu­ationen der Atome im Gitter die anti­ferro­magne­tischen Korre­la­tionen. Das Team vermag jedoch genauer hinzu­schauen. Die Forscher haben nämlich ein Verfahren entwickelt, Atome unter­schied­licher Spin-Richtung räum­lich zu trennen. Dafür über­lagern sie dem optischen Gitter noch ein Über­gitter, sodass, in Kombi­nation mit einem magne­tischen Feld­gradienten, in jedem Gitter­topf eine Doppel­struktur entsteht, deren Poten­zial von der Spin-Richtung abhängt. Die große tech­nische Heraus­forde­rung dabei besteht darin, dass Über­gitter und optisches Gitter auf Nano­meter genau justiert werden müssen.

„Auf diese Weise können wir in unserem System sowohl die Löcher als auch die beiden Spin-Richtungen auf einen Schlag erkennen“, betont Groß. „So können wir uns direkt die Umge­bung eines Lochs anschauen. Wir sehen, dass im Allge­meinen die Ordnung erhalten bleibt, dass also die beiden Spins links und rechts von einem Loch anti­parallel ausge­richtet sind. Und bei der Aus­wertung unserer Auf­nahmen, die jeden Spin und jedes Loch in dem System auf­zeigen, können wir die Löcher in gewisser Weise heraus rechnen. Solche nicht­lokalen Messungen sind experi­men­telles Neuland und öffnen neue Perspek­tiven für die Unter­suchung exo­tischer Materie­phasen.“

Die Wissenschaftler wollen mit dieser Methode jetzt auch zwei­dimen­sionale löcher­dotierte Quanten­kristalle unter­suchen. Das wäre ein neuer Ansatz, das Ver­halten von zwei­dimen­sionalen korre­lierten Elek­tronen­systemen zu simu­lieren, die Fehl­stellen ent­halten. Solche Experi­mente könnten zu einem besseren Ver­ständnis der Hoch­tempe­ratur-Supra­leitung führen. Nach einem gängigen theore­tischen Modell spielt bei diesem Phänomen das Wechsel­spiel zwischen Löchern und anti­ferro­magne­tischen Korre­lationen eine ganz zentrale Rolle.

MPQ / RK

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