29.03.2022

Quantensensoren in klassische Elektronik einbinden

Interdisziplinäres Team untersucht Integration von quantenbasierten Stromsensoren in elektronische Schaltkreise.

Mit bloßem Auge sind die Strukturen, die Doktorandin Lara Lindloge auf ein münzgroßes Glasplättchen gedruckt hat, kaum zu erkennen. Erst unter einem Mikroskop werden ihre Hauptakteure sichtbar: Nanodiamanten mit einem Stickstoff-Fehlstellen-Zentrum, kurz NV-Zentrum (nitrogen-vacancy center). Die winzigen Kristalle stehen im Mittelpunkt des neuen Forschungs­projektes „Optische Wellenleiter- und CMOS-Schnittstelle für Quanten­sensoren mit NV-Zentren“ (OCQNV) an der FH Münster. Unter Leitung von Peter Glösekötter vom Fachbereich Elektrotechnik und Informatik und Markus Gregor vom Fachbereich Physik­ingenieur­wesen untersucht ein sechsköpfiges Team, wie sich quantenbasierte Strom­sensoren auf Basis dieser besonderen Diamanten an die klassische Elektronik anbinden lassen. Das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Forschungs­arbeit auf dem Steinfurter Campus mit rund 1,5 Millionen Euro.

 

Abb.: Gemeinsam entwickeln sie im Forschungs­projekt OCQNV...
Abb.: Gemeinsam entwickeln sie im Forschungs­projekt OCQNV industrie­taugliche Quanten­sensoren (von unten nach oben): Peter Glösekötter, Jonas Homring­hausen, Lara Lindloge, Jens Pogorzelski, Marina Peters und Markus Gregor. (Bild: FH Münster / M. Liedtke)

„Als würde man ein rotes Blut­körperchen bedrucken“ – so beschreibt Jens Pogorzelski, ebenfalls Doktorand im Projekt, das Größenverhältnis der Diamantstrukturen. Im Mittelpunkt der aktuellen Vorversuche steht daher als Mikrofabrikationssystem ein ganz besonderer 3D-Drucker, der sich seit Kurzem im Labor für Quanten­technologie befindet. Die beteiligten Physik­ingenieure drucken damit zunächst die einzelnen Komponenten, die zur optischen Ansteuerung von NV-Zentren genutzt werden sollen. Dazu zählen zum Beispiel Linsen, Wellenleiter und Beugungsgitter. Die Elektro­techniker fokussieren sich auf die elektrische Ansteuerung der Komponenten und binden zusätzlich eine Mikrowellenantenne ein. „Wir entwickeln Schnittstellen für zwei Anwendungs­szenarien: Sensor-on-a-Chip, also die Integration des Sensormoduls auf einem Mikrochip, und Sensor-on-a-tip, bei dem der Diamant über eine optische Faser mit dem Sensormodul verbunden ist“, erläutert Pogorzelski.

Die fertigen Magnetfeldsensormodule funktionieren dann folgendermaßen: Das durch Stickstoffatome veränderte Kohlenstoffgitter des Diamanten fluoresziert rot, wenn es mit grünem Licht bestrahlt wird. Je stärker der elektrische Strom ist, desto stärker ist das erzeugte Magnetfeld und desto geringer ist die rote Fluoreszenz. Der Vorteil der Sensoren: Sie messen hochpräzise und werden nur optisch über Licht angesprochen – elektrische Leitungen sind also nicht notwendig. „Nanodiamanten sind mittlerweile gut erforscht. Die Herausforderung besteht darin, die Anwendungsbereiche klarer zu bespielen. Die Schnittstellen-Technologie, die wir im Projekt entwickeln, füllt diese Lücke“, fasst Gregor zusammen. Denkbar sei zum Beispiel, mit den entwickelten Magnetfeldsensoren am Ende einer Glasfaser biokompatibel Zellen zu untersuchen. Auch die Strommessung in Elektroautos zur Bestimmung ihrer Restreichweite sei ein mögliches Anwendungs­szenario. „Herkömmliche Stromsensoren nutzen einen Shunt-Widerstand, der sich allerdings stark erhitzt und zu Verlusten, Alterung und Mess­ungenauigkeiten führt. Misst man hingegen die Magnetfeld­änderung eines stromdurchflossenen Leiters, kann man ohne Shunt-Widerstand auf den Strom schließen“, erläutert Glösekötter.

Die Verknüpfung von Forschung und Lehre ist Glösekötter und Gregor ein wichtiges Anliegen. So waren die NV-Zentren in Diamanten im vergangenen Wintersemester Thema in der Lehrveranstaltung „Embedded Systems“ am Fachbereich Elektro­technik und Informatik. Die Master­studierenden sollten ein eingebettetes System, also eine Kombination aus Hardware und Software, rund um diese Technologie entwickeln. Eine Gruppe um Elektro­technik­student Julian Teuber baute beispielsweise ein Magnetfeldmessgerät, bei dem eine optische Faser den Diamanten mit der Elektronik verbindet. „Die ersten Messungen haben grundsätzlich funktioniert, wir müssen das Gerät allerdings noch kalibrieren“, berichtet Teuber. „Die Aufgabe war für uns eine echte Herausforderung, aber es hat Spaß gemacht, an einem aktuellen Forschungs­projekt mitzuarbeiten.“ Seine Begeisterung für das Thema hält weiter an – seit Kurzem ist der Student über das parallel laufende Vorhaben „Raumtemperatur-Quanten­sensorik für die Elektromobilität“ (RaQuEl) in Glösekötters Labor beschäftigt und plant seine Master­arbeit im Bereich der Quantensensorik.

FH Münster / DE

 

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