Radon erstmals genau messbar
Neues Messverfahren aus der PTB kommt rechtzeitig zur Verschärfung der EU-Strahlenschutzrichtlinie.
Wer in seinem Leben wie viel schädliche Strahlung abbekommt, ist von Mensch zu Mensch sehr unter-schiedlich. Höhere Dosen sind es zum Beispiel bei Astronauten bei Weltraumflügen oder bei Krebspatienten, die eine Strahlentherapie über sich ergehen lassen müssen. Für den Durchschnittsbürger sind vor allem zwei Quellen der Strahlenbelastung wichtig – die eine von Menschen gemacht, die andere von der Natur. Das sind medizinische Diagnose- und Therapieverfahren auf der einen Seite und das natürlich vorkommende Radon auf der anderen. „Bei der Medizin macht vor allem die Computertomografie einen großen Anteil an der Strahlenbelastung aus“, erläutert PTB-Physikerin Annette Röttger.
Abb.: Das neue Transfernormal der PTB ermöglicht Messungen der Radon-Aktivitätskonzentration von 200 Bq/m3 mit einer Messunsicherheit von zwei Prozent. (Foto: PTB)
Bei der natürlichen Exposition ist es hingegen vor allem das Radon: Wenn ein Haus zufällig auf einer Erdspalte steht, durch die besonders viel Radon aus dem Untergrund heraufdringt, könnte daraus eine Gefahr für die Bewohner erwachsen, vor allem bei schlechter Lüftung, wenn sich das Radon in der Raumluft anreichert. Gegen dieses natürliche Risiko aus dem Untergrund oder aus Baumaterialien, etwa Granitböden oder Gipsplatten, die ebenfalls Radon abgeben können, kann man sich schützen. „Doch das kann teuer werden“, sagt Röttger. Bevor ein Bauherr anfängt, seinen Keller mit einer Dauerbelüftung zu versehen oder Gipsplatten herauszureißen, sollte er in jedem Fall erst einmal genau messen.
Und da zeigt sich das Dilemma: Radon kommt zwar bis zu Aktivitätskonzentrationen von zirka 100.000 Bq/m3 in deutschen Häusern vor, im Durchschnitt der Häuser sind es aber eher 50 bis 200 Bq/m3. Messgeräte konnten bisher nur bei Konzentrationen von mindestens 1000 Bq/m3 kalibriert werden. „Darunter werden sie in jedem Fall ungenauer, manchmal sogar falsch. Wie viel, wissen wir aber nur selten“, sagt die Physikerin. Die Internationale Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) hat mittlerweile die Bewertung der biologischen Wirksamkeit von Radon nach oben korrigiert. Das hat Folgen: Europaweit wird erstmals ein einheitlicher Referenzwert für die mittlere Radon-Konzentrationen in Gebäuden festgelegt. Dieser Referenzwert liegt bei 300 Bq/m3 und ist damit deutlich niedriger als die bisher unverbindlichen Empfehlungen.
In den nächsten drei Jahren sollen diese Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden. Auf diese Entwicklung hat sich die PTB rechtzeitig eingestellt. Diana Linzmaier entwickelte mit dem Team der Radon-Messtechnik ein völlig neues Instrument, das erstmals auch die geringen alltagsrelevanten Aktivitätskonzentrationen genau messen kann. Die Apparatur besteht aus mehreren Teilen: Am Anfang steht ein neu entwickeltes Radium-226-Aktivitätsnormal, das viel länger und kontinuierlich Radon (Rn-222, das Zerfallsprodukt von Ra-226) erzeugt als die bisherigen Radon-Aktivitätsnormale. Bei denen war spätestens nach vier Tagen, der Halbwertszeit von Radon, die Messzeit zuende.
Die neue Quelle lässt das Radon-Gas in genau bekannter Menge und Aktivität kontinuierlich in eine Kammer strömen, wo es mit Luft gemischt wird. So entsteht eine Referenz-Atmosphäre. „Wir haben hier also eine genau bekannte Luftmenge mit einer genau bekannten Radonmenge: also eine bekannte Aktivität in einem bestimmten Volumen“, sagt Röttger. Diese Werte sollte ein Messgerät nach der Kalibrierung möglichst exakt anzeigen. Und weil der bisherige Zeitdruck wegfällt, kann die Genauigkeit jetzt auch durch länger andauernde Messungen von bis zu mehreren Wochen gesteigert werden. Als Alternative kann die erzeugte Radon-Atmosphäre auch zu einem neuen, hochempfindlichen Messgerät hin transportiert werden. Mit diesem hochempfindlichen Transfernormal lässt sich eine Konzentration von 200 Bq/m3 mit einer Messunsicherheit von zwei Prozent messen – und das in viel kürzerer Zeit.
PTB / OD