18.01.2019

Rätselhafte Saturnringe

Gravitationsmessungen von Cassini deuten auf masse­armes und junges Ring­system.

Das Ringsystem des Saturn ist nicht nur ein besonderer Hin­gucker für alle Astro­nomie­begeis­terten. Es ent­hält auch viele Infor­ma­tionen über die Kompo­si­tion der Saturn­monde und ist auf diese Weise ein Schau­fenster in die Ver­gangen­heit unseres Sonnen­systems. Insbe­son­dere die Masse des Ring­systems ist dabei für die Astro­physik von Bedeu­tung, da die Masse mit dem Alter und der Zusammen­setzung der Ringe korre­liert ist. Bislang ließ sich die Masse des Ring­systems aber nur sehr grob abschätzen. Auch die Saturn­sonde Cassini konnte während ihrer normalen Betriebs­phase keine Messungen hierzu vor­nehmen, da sie in diesem Zeit­raum außer­halb der Ringe ihre Runden um Saturn drehte. Das änderte sich erst in der Schluss­phase der Mission, als der Treib­stoff langsam zur Neige ging und die NASA-Wissen­schaftler beschlossen, Cassini in einen tiefen Orbit zwischen Saturn und seine Ringe ein­schwenken und nach mehreren Umrun­dungen schließ­lich in Saturns oberen Atmo­sphären­schichten ver­glühen zu lassen, um eine Konta­mina­tion der ver­mut­lich habi­tablen Saturn­monde aus­zu­schließen.

Abb.: Künstlerische Darstellung der Raumsonde Cassini vor Saturn. (Bild: NASA...
Abb.: Künstlerische Darstellung der Raumsonde Cassini vor Saturn. (Bild: NASA / JPL)

Diese von der NASA pressetauglich „Grand Finale“ getaufte Schluss­phase der Mission sah 22 stark exzen­trische Umläufe vor, wobei Cassini den Saturn mit seinem Äquatorial­radius von gut 60.000 Kilo­metern in einer Höhe von unge­fähr 2600 und 4000 Kilo­metern über den Wolken­ober­grenzen über­flog. Da sich Cassini hier zwischen Saturn und seinen Ringen befand, konnte ein inter­natio­nales Forscher­team diese Daten nutzen, um einer­seits die Saturn­atmo­sphäre in bis­lang uner­reichter Genauig­keit gravi­tativ zu unter­suchen und anderer­seits die Masse des Ring­systems zu bestimmen.

Bei den vier höchsten Umlaufbahnen konnte Cassini aller­dings nicht mit der Erde kommu­ni­zieren, da die Raum­sonde hier schon gefähr­lich nahe am D-Ring manöv­rierte und die Tech­niker sicher­heits­halber die große High-Gain-Antenne als Schutz­schild gegen mögliche Partikel „in den Wind“ drehten, um Beschädi­gungen an empfind­lichen Instru­menten oder der Bord­elek­tronik auszu­schließen. Bei den sechs niedrig­sten Umläufen wiederum befand sich Cassini schon in den obersten Atmo­sphären­schichten von Saturn und musste das Trieb­werk ein­setzen, um nicht ins Trudeln zu geraten. Da dies einen Ein­fluss auf die Orbital­dynamik von Cassini hatte, ließen sich diese Daten eben­falls nicht zur Bestim­mung des Gravi­ta­tions­feldes nutzen. So blieben immer­hin zwölf Umläufe übrig, von denen die Wissen­schaftler letzt­lich die­jenigen fünf mit dem sauber­sten Doppler­signal für ihre Analyse aus­wählten.

Zur Messung diente die Mikrowellenverbindung zwischen Cassini und den Boden­stationen, zu denen sowohl die Antennen des NASA Deep Space Network als auch des Estrack der ESA gehörten. Die Trajek­torien dieser Bahnen waren so geneigt, dass die Flug­rich­tung von Cassini in möglichst direkter Linie zur Erde stand, um einen möglichst starken Doppler­effekt zu erhalten, der Infor­ma­tionen über die Beschleu­ni­gung von Cassini und damit auf die beschleu­ni­genden Massen offen­barte. Die Forscher schlossen dabei Messungen aus, bei denen die irdischen Antennen zu flach über den Horizont schauten, weil dann die irdische Tropo­sphäre die Messungen hätte ver­fälschen können.

Bei jedem der Umläufe konnten die Forscher über einen Zeit­raum von 24 bis 36 Stunden messen, wobei aber der optisch dichte B-Ring für jeweils zehn Minuten das Signal blockierte, wenn Cassini hinter ihm vorbei­flog. Aus diesen Signalen konnten die Wissen­schaftler ein Massen­modell von Saturn und seinem Ring­system ableiten. Ähn­liche Ergeb­nisse hat auch schon die Juno-Mission bei Jupiter gebracht.

Obwohl die Wissenschaftler alle Ringe in ihrem Modell berück­sich­tigten, brachten nur der A-, B- und C-Ring ein Beschleu­ni­gungs­poten­zial hervor, das einen mess­baren Ein­fluss auf Cassini zeigte. Da die Saturn­ringe nach ihrem Ent­deckungs­datum benannt sind, ent­spricht dies dem zweiten, dritten und vierten Ring, von innen gezählt. Die Massen der anderen Saturn­ringe D, F, G und E sind ver­nach­lässig­bar.

Bei der Analyse stießen die Forscher auf zwei Über­raschungen. Einer­seits zeigte sich eine sehr tief­reichende diffe­ren­tielle Rota­tion von Saturns Atmo­sphären­schichten. Wie die harmo­nische Analyse der Gravita­tions­daten ergab, reichen die zonalen Ost- und West-Winde auf Saturn weit hinunter, bis in eine Tiefe von gut 9000 Kilo­metern unter­halb der Wolken­ober­grenze.

Andererseits weist das Ringsystem erstaunlich wenig Masse auf. Es ent­spricht ledig­lich rund vierzig Prozent der Masse des Mondes Midas. Bis­herige Abschät­zungen hatten Ober­grenzen geliefert, die zum Teil ein Mehr­faches dieses Wertes betrugen. Ein solch leichtes Ring­system stellt nun Modelle infrage, denen zufolge sich die Ringe bereits kurz nach der Ent­stehung von Saturn heraus­ge­bildet haben. Statt­dessen gehen die Wissen­schaftler davon aus, dass sich das jetzige Ring­system erst vor rund zehn bis hundert Milli­onen Jahren gebildet hat und ver­mut­lich früher masse­reicher war als heute. Es lässt sich aus den Daten aber nicht ermitteln, wie sich das Ring­system gebildet hat. Es könnte sowohl durch den Ein­fang und das anschlie­ßende Zer­reißen von Kometen durch Gezeiten­kräfte ent­standen sein oder durch schritt­weise Zer­stö­rung mehrerer kleiner Eis­monde.

Dirk Eidemüller

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