19.02.2018

Reibung unter der Lupe

Neues Verfahren erlaubt präzise Bestimmung von Reibungskräften bei einer Vielzahl von Phänomenen.

Ohne Reibung kann man wortwörtlich keinen Schritt machen – im Winter zeigt sich das bei Glatteis sehr deutlich. Reibung bestimmt die Qualität des Griffs zwischen dem Reifen und der Straße, die Zuverlässigkeit von Bremsen und von Schrauben­verbindungen. Reibung zwischen tektonischen Platten der Erde ist ursächlich für das spektakuläre Phänomen der Erdbeben. Doch nach wie vor ist Reibung eines der am wenigsten verstandenen physikalischen Phänomene. Wissenschaftler der TU Berlin haben nun ein jahrhunderte­altes Problem zur exakteren Beschreibung dieses Phänomens geknackt. Ihre Methode kann besonders im Industrie­design breite Anwendung finden.

Abb.: Experimenteller Aufbau zur Messung der Reibung zwischen einem Ball aus Stahl und einem Gummiband (Bild: V. L. Popov et al.)

Gewöhnlich wird Reibung durch das Amontons-Coulomb-Gesetz beschrieben, das behauptet, die Reib­kraft sei proportional zur Normal­kraft. Hoch­präzise technologische Anwendungen erfordern heute aber eine sehr viel genauere Beschreibung. Das seit der Zeit des französischen Physikers Charles Augustin de Coulomb (1736 bis 1806) bekannte Problem blieb für die Forschung über mehr als 230 Jahre eine harte Nuss. Nun knackten Wissenschaftler vom Institut für Mechanik der TU Berlin das „Problem von Coulomb“ mit der neu entwickelten „Generalized Master Curve Procedure". Basierend auf jahrelanger Erfahrung in der numerischen Simulation von Reibungs­prozessen und auf unzähligen experimentellen Unter­suchungen entwickelten sie eine Methode, die es erlaubt, Reibung in Abhängigkeit von den wichtigsten Parametern Geschwindigkeit, Temperatur und Druck zu beschreiben.

„Damit wird es möglich, die Werte des Reibungskoeffizienten in einem breiten Bereich von Temperaturen, Gleit­geschwindigkeiten und normalen Lasten auf der Grund­lage eines begrenzten Satzes von Daten vorherzusagen“, erklärt Valentin Popov, Leiter des TU-Fachgebiets System­dynamik und Reibungs­physik. „Unsere Methode eröffnet völlig neue Perspektiven für eine Vielzahl von tribologischen Anwendungen und ihre numerische Simulation. Dazu gehört zum Beispiel die Herstellung von Reifen, die Metall­umformung, das Design von mikro­mechanischen Geräten, die Erhöhung der Lebens­dauer von medizinischen Implantaten und vieles mehr.“

Das Fachgebiet von Valentin Popov ist deutschland­weit das einzige, das sich schwerpunkt­mäßig mit der Physik der Reibungs­prozesse befasst. Es umfasst neben der Reibung im engeren Sinne auch Verschleiß, Schmierung, Adhäsion und Kontakt­mechanik. So arbeiten die Forscher in einem sehr breiten Forschungs­spektrum von der Raster­kraft­mikroskopie bis hin zur Erdbeben­forschung.

TU Berlin / DE

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