Röntgen erstrahlt europäisch
Das ehemalige Physikalische Institut in Würzburg ist „Historic Site“ der EPS.
Wenige Forscher dürften der Welt solch einen Durchblick beschert haben wie Wilhelm Conrad Röntgen. Die von ihm 1895 entdeckten Strahlen haben Wissenschaft, Technik und natürlich die Medizin revolutioniert. Seine damalige Wirkungsstätte war das physikalische Institut der Universität Würzburg, das nun von der Europäischen Physikalischen Gesellschaft (EPS) zur „Historic Site“ gekürt wurde.
Das frühere Physikalische Institut der Universität Würzburg befindet sich am Röntgenring 8 und dient nun als Röntgengedächtnisstätte. Hier entdeckte Röntgen am Abend des 8. November 1895 die später nach ihm benannten Strahlen, ein historisches Ereignis von großer Tragweite, das bereits damals auf breites Interesse stieß. Seine Arbeit „Eine neue Art von Strahlen“ verbreitete sich rasch, ebenso die berühmte Röntgenaufnahme von der Hand seiner Frau Bertha, die Röntgen am 22. Dezember 1895 angefertigt hatte. Am Neujahrstag sandte er das Bild an ausgewählte Kollegen, nur knapp zwei Wochen später erschien es weltweit in den Tageszeitungen. Die bahnbrechende Entdeckung machte Röntgen 1901 zum ersten Nobelpreisträger für Physik.
EPS-Präsident Christophe Rossel und der Würzburger Uni-Präsident Alfred Forchel weihten am 7. Juni eine Stele vor dem ehemaligen Institutsgebäude ein, die es als „EPS Historische Stätte“ ausweist. Forchel freute sich, dass durch die Auszeichnung die „Verbindung von Öffentlichkeit und Wissenschaft“ an einer sehr zentralen Stelle in der Stadt sichtbar werde. EPS-Präsident Rossel wies darauf hin, wie stark sich Röntgens Arbeit auf andere Disziplinen auswirkte: Das ehemalige Institutsgebäude sei daher wahrhaft ein historischer Ort für die gesamte Wissenschaft.
„Der Zeitpunkt für diese Auszeichnung ist optimal“, betonte DPG-Präsident Rolf-Dieter Heuer, denn der nächste Erkenntnissprung „auf Röntgens Spuren“ stehe kurz bevor. 2017 soll der Freie-Elektronenlaser „European XFEL“ am DESY in Hamburg in Betrieb gehen und ultrakurze, brillante Lichtblitze im Röntgenbereich erzeugen, mit denen sich etwa chemische Reaktionen in einer bislang unerreichten Qualität filmen lassen werden.
Den Festvortrag hielt der Würzburger Experimentalphysiker Ralph Claessen. Er machte deutlich, wie beharrlich Röntgen trotz einiger Rückschläge in eine wissenschaftliche Karriere drängte und welche Umwege er dafür bisweilen zu gehen hatte. Röntgens Wirken als Rektor der Universität war ebenso von großem Einsatz geprägt wie auch seine Zeit in München ab 1900. Dort hat er unter anderem an der Gründung des Deutschen Museums mitgewirkt.
Die Einsatzmöglichkeiten von Röntgenstrahlen sind heutzutage fast unüberschaubar. Neben der Grundlagenforschung und Medizin lassen sie sich mittlerweile auch für die Kunstgeschichte oder Archäologie nutzen, z. B. um einige von van Goghs Gemälden, die er selbst übermalt hat, rekonstruieren zu können. In Häfen ist es mittlerweile üblich, ankommende Container auf Waffen und Sprengstoff mit Röntgenstrahlen zu scannen. Und mit Hilfe der Röntgenastronomie lassen sich beispielsweise die Überreste von Supernovae untersuchen.
Mit Röntgens ehemaliger Wirkungsstätte hat die EPS bis jetzt 29 „Historic Sites“ ausgezeichnet, mit denen sie Orte in Europa würdigt, die für die Entwicklung und die Geschichte der Physik bedeutsam sind. Zwei weitere davon befinden sich in Deutschland: die Physik-Fakultät der LMU München und das Institut Berlin der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt.
Alexander Pawlak / Universität Würzburg
Weitere Infos
- EPS Historic Sites
- Wilhelm Conrad Röntgen (Universität Würzburg)
- Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Würzburg
Weitere Beiträge
- Münchner Physikgeschichten (Physik Journal News, 8. Mai 2015)
- Physikgeschichte mit Auszeichnung (Physik Journal News, 11. Oktober 2013)
- G. Landwehr, 100 Jahre Röntgenstrahlung, Physikalische Blätter 51, 1069 (1995)
- K. Kuhn, Erinnerungen an die Vorlesungen von W. C. Röntgen und L. Grätz, Physikalische Blätter 18, 314 (1962)
- Th. Heuss, Conrad Wilhelm Röntgen, Physikalische Blätter 6, 49 (1950)