Scharfer Blick in den Untergrund
Neue Hochdruck-Prüfanlage für Gesteinsproben in Potsdam eingeweiht.
Ende Juni wurde die neue Hochdruck-Prüfanlage für Gesteinsproben „TrueTriax“ in der Hochdruck-Halle des Geoforschungszentrum Potsdam GFZ im Beisein von Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft feierlich eingeweiht. Mit der neuen Anlage können thermische, hydraulische, mechanische und chemische Prozesse in bis zu zehn Kilometer Tiefe simuliert werden. Das liefert wichtige Daten für die Geoenergieforschung und -anwendung. Um den wissenschaftlichen und technologischen Vorsprung Deutschlands und Europas auf diesem Gebiet nicht zu verlieren, wird zudem ein nationales und ein europäisches Triaxial-Hochdruckpressen-Cluster ähnlicher aber komplementär spezialisierter Anlagen angestrebt.
Ob tiefe Geothermie zur regenerativen Wärmeversorgung, Wärme- und Kältespeicherung oder die geologischen Speicherung von Wasserstoff als zukünftigem Energieträger: Wer den tiefen Untergrund energetisch nutzen möchte, muss die Prozesse und die Wechselwirkungen, die dort bei hohem Druck und hohen Temperaturen zwischen Gestein und Fluiden stattfinden, möglichst genau kennen: Wie ist die Durchlässigkeit des Gesteins für bestimmte Flüssigkeiten oder Gase? Wie ändert sich das mit variierendem Druck und Temperatur? Unter welchen Belastungen aus welchen Richtungen bricht das Gestein? Wie beeinflusst die variierende Temperatur im Untergrund die Brucheigenschaften Welche chemischen Reaktionen finden unter diesen extremen Druck- und Temperaturbedingungen statt?
Antworten auf Fragen wie diese werden künftig mithilfe der neuen reaktiven, petrophysikalischen Hochdruck-Hochtemperatur-Prüfanlage PAX-1600, kurz TrueTriax genannt, ermöglicht. Sie erlaubt einzigartige Experimente unter Bedingungen, wie sie in bis zu zehn Kilometer Tiefe herrschen und daher in der Natur nur sehr schwer experimentell zugänglich sind. Insbesondere können mit der TrueTriax-Anlage höchstspezialisierte Druck- und Durchlässigkeitsversuche an Gesteinsproben durchgeführt werden Dabei werden Druck, Temperatur und Durchströmungsparameter für Gase oder Flüssigkeiten variiert und gemessen. Besonders ist, dass diese Versuche auch mit Flüssigkeiten durchgeführt werden können, die in der Zusammensetzung tiefen Thermalwässern entsprechen. Akustische Sensoren erlauben die seismische Analyse von Bruchprozessen im Gestein.
„Wir danken dem Land Brandenburg für die finanzielle Unterstützung. Mit der TrueTriax-Anlage erschließen sich bisher experimentell unerreichte Dimensionen für die Untersuchung wichtiger Prozesse im tiefen Untergrund. Im Reigen unserer hochkarätigen Infrastruktur ist dies ein zukunftsweisendes Highlight, das uns wichtige neue Erkenntnisse in der Geoenergieforschung bringen wird – einem Forschungsgebiet, das in den letzten Jahren eine besondere gesellschaftliche Relevanz bekommen hat. Das GFZ leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Energieunabhängigkeit auf Basis heimischer Ressourcen. Für das gestiegene Interesse vonseiten der Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit stehen wir mit unserer Expertise und unabhängiger, faktenbasierter Beratung und Unterstützung zur Verfügung“, sagt Susanne Buiter, Wissenschaftliche Vorständin des GFZ.
„Wir freuen uns sehr, dass wir mit der TrueTriax eine einzigartige Anlage realisieren konnten. Damit ist das GFZ in ein weltweit neues Versuchsfeld gerückt. Die Anlage ist unser Auge in den Untergrund: Wir arbeiten mit Annahmen, Modellen, Prognosen – um Aussagen über den Untergrund zu machen. Hierfür sind Messdaten die unerlässliche Basis. Die TrueTriax wird uns einzigartige Daten über die komplexen gekoppelten thermischen, hydraulischen, mechanischen und chemischen Prozesse liefern. Nicht zuletzt, wenn nach vielversprechenden Reservoirs oder Speicherhorizonten gebohrt wird, ist es wichtig, die Verhältnisse im tiefen Gestein so gut wie möglich zu kennen. Bohrungen erfordern Investitionen in Millionenhöhe, und die Optimierung der Bohrungsplanungen und Prognosen hilft, Geld zu sparen: Sie vergünstigt die Bohrkosten, erhöht die Sicherheit und vermindert das Fündigkeitsrisiko“, sagt Ingo Sass, Sektionsleiter Geoenergie am GFZ.
Weitere Einsatzfelder neben den bereits genannten Themen tiefe Geothermie, Wärme- und Kältespeicherung sowie Speicherung von Wasserstoff sind beispielsweise die Endlagerung von radioaktivem Abfall, die Entstehung von Erdbeben oder die Gewinnung kritischer Rohstoffe wie Lithium aus geothermischen Fluiden. Deutschlandweit gibt es aktuell neun ähnliche Triax-Anlagen an Forschungseinrichtungen, die jedoch komplementäre Spezialisierungen aufweisen. Das GFZ ist bestrebt, diese zu einem nationalen Triaxial-Hochdruckpressen-Cluster (Triaxial Cell Cluster – TriCC) zu vernetzen. So sollen den beteiligten Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen exzellente Forschung im Labormaßstab sowie vielfältige Kooperationen ermöglicht werden. „Wir streben diese Clusterung auch an, um den wissenschaftlichen und technischen Vorsprung, den wir in Deutschland und Europa auf diesem Gebiet haben, insbesondere gegenüber Asien nicht zu verlieren“, sagt Ingo Sass.
GFZ / JOL