09.07.2024

Scharfer Blick in den Untergrund

Neue Hochdruck-Prüfanlage für Gesteinsproben in Potsdam eingeweiht.

Ende Juni wurde die neue Hochdruck-Prüfanlage für Gesteins­proben „TrueTriax“ in der Hochdruck-Halle des Geoforschungs­zentrum Potsdam GFZ im Beisein von Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft feierlich eingeweiht. Mit der neuen Anlage können thermische, hydraulische, mechanische und chemische Prozesse in bis zu zehn Kilometer Tiefe simuliert werden. Das liefert wichtige Daten für die Geoenergie­forschung und -anwendung. Um den wissen­schaftlichen und techno­logischen Vorsprung Deutschlands und Europas auf diesem Gebiet nicht zu verlieren, wird zudem ein nationales und ein europäisches Triaxial-Hochdruck­pressen-Cluster ähnlicher aber komplementär spezialisierter Anlagen angestrebt.

Abb.: Die Stempel zum Pressen der Gesteinsblöcke, je zwei in allen drei...
Abb.: Die Stempel zum Pressen der Gesteinsblöcke, je zwei in allen drei Raumrichtungen. Löcher zum Einpressen von Flüssigkeiten und Gasen sowie Messsensoren sind integriert.
Quelle: GFZ

Ob tiefe Geothermie zur regenerativen Wärme­versorgung, Wärme- und Kältespeicherung oder die geologischen Speicherung von Wasserstoff als zukünftigem Energie­träger: Wer den tiefen Untergrund energetisch nutzen möchte, muss die Prozesse und die Wechselwirkungen, die dort bei hohem Druck und hohen Temperaturen zwischen Gestein und Fluiden stattfinden, möglichst genau kennen: Wie ist die Durchlässigkeit des Gesteins für bestimmte Flüssig­keiten oder Gase? Wie ändert sich das mit variierendem Druck und Temperatur? Unter welchen Belastungen aus welchen Richtungen bricht das Gestein? Wie beeinflusst die variierende Temperatur im Untergrund die Brucheigen­schaften Welche chemischen Reaktionen finden unter diesen extremen Druck- und Temperatur­bedingungen statt?

Antworten auf Fragen wie diese werden künftig mithilfe der neuen reaktiven, petrophysikalischen Hochdruck-Hochtemperatur-Prüfanlage PAX-1600, kurz TrueTriax genannt, ermöglicht. Sie erlaubt einzigartige Experimente unter Bedingungen, wie sie in bis zu zehn Kilometer Tiefe herrschen und daher in der Natur nur sehr schwer experimentell zugänglich sind. Insbesondere können mit der TrueTriax-Anlage höchst­spezialisierte Druck- und Durch­lässigkeitsversuche an Gesteinsproben durchgeführt werden Dabei werden Druck, Temperatur und Durchströmungs­parameter für Gase oder Flüssig­keiten variiert und gemessen. Besonders ist, dass diese Versuche auch mit Flüssigkeiten durchgeführt werden können, die in der Zusammensetzung tiefen Thermal­wässern entsprechen. Akustische Sensoren erlauben die seismische Analyse von Bruch­prozessen im Gestein. 

„Wir danken dem Land Brandenburg für die finanzielle Unterstützung. Mit der TrueTriax-Anlage erschließen sich bisher experimentell unerreichte Dimensionen für die Untersuchung wichtiger Prozesse im tiefen Untergrund. Im Reigen unserer hochkarätigen Infra­struktur ist dies ein zukunftsweisendes Highlight, das uns wichtige neue Erkenntnisse in der Geoenergie­forschung bringen wird – einem Forschungsgebiet, das in den letzten Jahren eine besondere gesellschaftliche Relevanz bekommen hat. Das GFZ leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Versorgungs­sicherheit und Energie­unabhängigkeit auf Basis heimischer Ressourcen. Für das gestiegene Interesse vonseiten der Politik, Wirtschaft und Öffent­lichkeit stehen wir mit unserer Expertise und unabhängiger, fakten­basierter Beratung und Unterstützung zur Verfügung“, sagt Susanne Buiter, Wissen­schaftliche Vorständin des GFZ.

„Wir freuen uns sehr, dass wir mit der TrueTriax eine einzigartige Anlage realisieren konnten. Damit ist das GFZ in ein weltweit neues Versuchsfeld gerückt. Die Anlage ist unser Auge in den Untergrund: Wir arbeiten mit Annahmen, Modellen, Prognosen – um Aussagen über den Untergrund zu machen. Hierfür sind Messdaten die unerlässliche Basis. Die TrueTriax wird uns einzigartige Daten über die komplexen gekoppelten thermischen, hydrau­lischen, mechanischen und chemischen Prozesse liefern. Nicht zuletzt, wenn nach vielver­sprechenden Reservoirs oder Speicher­horizonten gebohrt wird, ist es wichtig, die Verhältnisse im tiefen Gestein so gut wie möglich zu kennen. Bohrungen erfordern Investitionen in Millionen­höhe, und die Optimierung der Bohrungs­planungen und Prognosen hilft, Geld zu sparen: Sie vergünstigt die Bohrkosten, erhöht die Sicherheit und vermindert das Fündigkeits­risiko“, sagt Ingo Sass, Sektions­leiter Geoenergie am GFZ.

Weitere Einsatzfelder neben den bereits genannten Themen tiefe Geothermie, Wärme- und Kälte­speicherung sowie Speicherung von Wasserstoff sind beispielsweise die Endlagerung von radioaktivem Abfall, die Entstehung von Erdbeben oder die Gewinnung kritischer Rohstoffe wie Lithium aus geo­thermischen Fluiden. Deutschlandweit gibt es aktuell neun ähnliche Triax-Anlagen an Forschungs­einrichtungen, die jedoch komple­mentäre Speziali­sierungen aufweisen. Das GFZ ist bestrebt, diese zu einem nationalen Triaxial-Hochdruck­pressen-Cluster (Triaxial Cell Cluster – TriCC) zu vernetzen. So sollen den beteiligten Universitäten und außer­universitären Forschungs­einrichtungen exzellente Forschung im Labormaßstab sowie vielfältige Kooperationen ermöglicht werden. „Wir streben diese Clusterung auch an, um den wissen­schaftlichen und technischen Vorsprung, den wir in Deutschland und Europa auf diesem Gebiet haben, insbesondere gegenüber Asien nicht zu verlieren“, sagt Ingo Sass.

GFZ / JOL

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