14.06.2021

Scharfer Blick in die Erdatmosphäre

ESA benennt vier Kandidaten für neue Erdbeobachtungssatelliten.

Treibhaus­gase und Luft­schadstoffe, aber auch natürliche Phänomene wie Vulkan­ausbrüche wirken sich auf die Erdatmosphäre aus. Diese Prozesse detailliert untersuchen zu können, ist Ziel des Satelliten­konzeptes CAIRT, das Forscher des Karlsruher Instituts für Techno­logie und ihre Partner entwickelt haben. Die Europäische Weltraum­organisation Esa hat CAIRT nun als einen von vier Kandidaten für eine Mission zur wissen­schaftlichen Erd­beobachtung ausgewählt. Für die vier Vorschläge folgen zunächst Machbarkeits­studien, bevor 2025 eine Mission endgültig ausgewählt wird, die im Jahr 2031 oder 2032 als „Earth Explorer 11“ starten soll.

Abb.: Das Infrarot­spektro­meter GLORIA, bereits erfolgreich eingesetzt auf...
Abb.: Das Infrarot­spektro­meter GLORIA, bereits erfolgreich eingesetzt auf zahlreichen Flugzeugmess­kampagnen, als Prototyp für das Satelliten­instrument CAIRT. (Bild: L. Tkotz)

CAIRT steht für „The Changing-Atmosphere Infra-Red Tomo­graphy Explorer“. Es handelt sich dabei um ein Infrarot-Tomo­graphie-Experi­ment zur Untersuchung der Atmosphäre im Wandel. „Klimamodell­rechnungen zeigen uns, dass sich die globale Atmosphäre vom Erdboden bis zum Rande des Weltweltraums in einem tief­greifenden Wandel befindet, ausgelöst durch anthro­pogene Emissionen von Treibhaus­gasen, Luftschad­stoffen und ozon­zerstörenden Substanzen. Darüber hinaus gibt es natürliche Änderungen der Atmosphäre, zum Beispiel durch große Vulkan­ausbrüche oder Variation in der Sonnen­aktivität“, erläutert Björn-Martin Sinnhuber vom Institut für Meteo­rologie und Klima­forschung des KIT, der das inter­nationale CAIRT-Team leitet. „Wir haben aber bisher nicht die benötigten Beobach­tungen, um diese Änderungen und die ihnen zugrunde liegenden Prozesses im Detail untersuchen zu können. CAIRT kann diese Daten liefern.“

Die Veränderungen in der Zusammen­setzung der Atmosphäre zu verstehen, sei wichtig, da sie, zusammen mit Veränderungen in der Zirku­lation, Klima, Wetter und Luft­qualität beeinflussten, so Sinnhuber. „Für belastbare Vorhersagen verstehen wir heute beispielsweise noch nicht gut genug, wie sich die Zirku­lation auf die Tempera­turen an der Erdoberfläche, auf Dürren oder auf extreme Niederschlags­ereignisse auswirkt. Diese Veränderungen hängen zudem entscheidend damit zusammen, wie sich die Ozonschicht erholt.”

Kernstück von CAIRT ist ein abbildendes Infrarot­spektrometer, mit dem in bisher unerreichter räumlicher Auflösung eine Vielzahl von Spurengasen, Aerosolen und atmo­sphärischen Wellen vermessen werden können. Dazu wird CAIRT die Atmosphäre in einer Höhe von fünf bis 115 Kilometern im Infrarot­bereich mit einer hori­zontalen Auflösung von etwa 50 mal 50 Kilometern und einer vertikalen Auflösung von einem Kilometer vermessen. „Als Untersuchungs­verfahren ist die Tomographie vielleicht aus der medizinischen Diagnostik bekannt. Wir machen nun etwas Ähnliches mit der globalen Atmosphäre“, so Sinnhuber. „Ein solches abbildendes Infrarot­spektrometer ist bisher noch nicht im Weltraum eingesetzt worden. Unser Ziel ist, durch die Infrarot­messungen ein detailliertes Bild vom inneren Zustand der Atmosphäre zu bekommen – vom Erdboden bis an den Rand des Weltalls.“  

Das Satelliten­konzept CAIRT baut auf Erfahrung in der Atmosphären­fernerkundung am KIT auf. Auf diesem Gebiet haben die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren bereits Pionierarbeit geleistet. „Mit dem Gloria-Instrument betreibt das KIT gemeinsam mit dem Forschungs­zentrum Jülich eine Art Prototyp vom Flugzeug und Ballon aus, mit dem uns schon großartige wissen­schaftliche Beobach­tungen gelungen sind. CAIRT wird das noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes auf ein neues Niveau heben, weil wir dann täglich globale Messungen bekommen können“, so Sinnhuber. „CAIRT baut auf dieser umfassenden Erfahrung in der Atmosphären­fernerkundung am KIT auf, zu der neben Satelliten­experimenten auch Unter­suchungen mit Flugzeugen, Ballons und vom Boden zählen.“

Der nun von der ESA ausgewählte Vorschlag CAIRT wird vom KIT koordiniert. Weitere Partner sind die britische Universität Leeds, das Belgische Institut für Weltraum-Aero­nomie, das Institut für Astro­physik Anda­lusiens, das Nationale Zentrum für wissen­schaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich, das Euro­päisches Zentrum für mittelfristige Wetter­vorhersage (ECMWF), das Forschungs­zentrum Jülich, das Institut für Angewandte Physik „Nello Carrara“ des italienischen Forschungs­rates, das Unternehmen Airbus sowie die Universität Toronto in Kanada.

KIT / JOL

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