Scharfer Blick in die Erdatmosphäre
ESA benennt vier Kandidaten für neue Erdbeobachtungssatelliten.
Treibhausgase und Luftschadstoffe, aber auch natürliche Phänomene wie Vulkanausbrüche wirken sich auf die Erdatmosphäre aus. Diese Prozesse detailliert untersuchen zu können, ist Ziel des Satellitenkonzeptes CAIRT, das Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie und ihre Partner entwickelt haben. Die Europäische Weltraumorganisation Esa hat CAIRT nun als einen von vier Kandidaten für eine Mission zur wissenschaftlichen Erdbeobachtung ausgewählt. Für die vier Vorschläge folgen zunächst Machbarkeitsstudien, bevor 2025 eine Mission endgültig ausgewählt wird, die im Jahr 2031 oder 2032 als „Earth Explorer 11“ starten soll.
CAIRT steht für „The Changing-Atmosphere Infra-Red Tomography Explorer“. Es handelt sich dabei um ein Infrarot-Tomographie-Experiment zur Untersuchung der Atmosphäre im Wandel. „Klimamodellrechnungen zeigen uns, dass sich die globale Atmosphäre vom Erdboden bis zum Rande des Weltweltraums in einem tiefgreifenden Wandel befindet, ausgelöst durch anthropogene Emissionen von Treibhausgasen, Luftschadstoffen und ozonzerstörenden Substanzen. Darüber hinaus gibt es natürliche Änderungen der Atmosphäre, zum Beispiel durch große Vulkanausbrüche oder Variation in der Sonnenaktivität“, erläutert Björn-Martin Sinnhuber vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT, der das internationale CAIRT-Team leitet. „Wir haben aber bisher nicht die benötigten Beobachtungen, um diese Änderungen und die ihnen zugrunde liegenden Prozesses im Detail untersuchen zu können. CAIRT kann diese Daten liefern.“
Die Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre zu verstehen, sei wichtig, da sie, zusammen mit Veränderungen in der Zirkulation, Klima, Wetter und Luftqualität beeinflussten, so Sinnhuber. „Für belastbare Vorhersagen verstehen wir heute beispielsweise noch nicht gut genug, wie sich die Zirkulation auf die Temperaturen an der Erdoberfläche, auf Dürren oder auf extreme Niederschlagsereignisse auswirkt. Diese Veränderungen hängen zudem entscheidend damit zusammen, wie sich die Ozonschicht erholt.”
Kernstück von CAIRT ist ein abbildendes Infrarotspektrometer, mit dem in bisher unerreichter räumlicher Auflösung eine Vielzahl von Spurengasen, Aerosolen und atmosphärischen Wellen vermessen werden können. Dazu wird CAIRT die Atmosphäre in einer Höhe von fünf bis 115 Kilometern im Infrarotbereich mit einer horizontalen Auflösung von etwa 50 mal 50 Kilometern und einer vertikalen Auflösung von einem Kilometer vermessen. „Als Untersuchungsverfahren ist die Tomographie vielleicht aus der medizinischen Diagnostik bekannt. Wir machen nun etwas Ähnliches mit der globalen Atmosphäre“, so Sinnhuber. „Ein solches abbildendes Infrarotspektrometer ist bisher noch nicht im Weltraum eingesetzt worden. Unser Ziel ist, durch die Infrarotmessungen ein detailliertes Bild vom inneren Zustand der Atmosphäre zu bekommen – vom Erdboden bis an den Rand des Weltalls.“
Das Satellitenkonzept CAIRT baut auf Erfahrung in der Atmosphärenfernerkundung am KIT auf. Auf diesem Gebiet haben die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren bereits Pionierarbeit geleistet. „Mit dem Gloria-Instrument betreibt das KIT gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich eine Art Prototyp vom Flugzeug und Ballon aus, mit dem uns schon großartige wissenschaftliche Beobachtungen gelungen sind. CAIRT wird das noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes auf ein neues Niveau heben, weil wir dann täglich globale Messungen bekommen können“, so Sinnhuber. „CAIRT baut auf dieser umfassenden Erfahrung in der Atmosphärenfernerkundung am KIT auf, zu der neben Satellitenexperimenten auch Untersuchungen mit Flugzeugen, Ballons und vom Boden zählen.“
Der nun von der ESA ausgewählte Vorschlag CAIRT wird vom KIT koordiniert. Weitere Partner sind die britische Universität Leeds, das Belgische Institut für Weltraum-Aeronomie, das Institut für Astrophysik Andalusiens, das Nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich, das Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), das Forschungszentrum Jülich, das Institut für Angewandte Physik „Nello Carrara“ des italienischen Forschungsrates, das Unternehmen Airbus sowie die Universität Toronto in Kanada.
KIT / JOL