15.10.2021 • VakuumBeschleunigerDünne Schichten

Schneller Virensensor aus dem Beschleuniger

Hochempfindlicher Nachweis von SARS-CoV-2 in zwei Stunden ohne Probenvorbehandlung.

Der einfache und schnelle Nachweis von Viren ist in einer Pandemie entscheidend. Auf der Basis von Single-Nanopor-Membranen von GSI hat ein internationales interdisziplinäres Forscherteam ein Testverfahren entwickelt, das SARS-CoV-2 mit der gleichen Empfindlichkeit wie ein qPCR-Test und in nur zwei Stunden in Speichel nachweist, ohne dass die Probe vorbehandelt werden muss. Darüber hinaus kann der Sensor infektiöse von nicht-infektiösen Coronaviren unterscheiden – eine entscheidende Innovation.

Abb.: Durch die Ionen-Spur-Nanotechnologie der GSI-Materialforschung entsteht...
Abb.: Durch die Ionen-Spur-Nanotechnologie der GSI-Materialforschung entsteht eine hochempfindliche Nanopore. (Bild: GSI/FAIR)

Durch die Verknüpfung verschiedener Techno­logien hat ein inter­disziplinäres Team von Wissen­schaftlern und Wissen­schaftle­rinnen der Material­forschung des GSI Helmholtz­zentrums für Schwer­ionen­forschung, des Nationalen Wissen­schaft­lichen und Technischen Forschungs­rates (CONICET) in Argen­tinien und der University of Illinois in den USA einen hoch­empfind­lichen Nano­poren-Sensor entwickelt, der gezielt SARS-CoV-2-Viren und humane Adeno­viren in verschie­densten Proben wie Speichel, Serum oder Umwelt­proben wie Abwasser nachweist. Der Sensor kombiniert zwei Schlüs­sel­­komponenten: einen empfind­lichen Nano­kanal und hoch­spezifische DNA-Moleküle, die an der Kanal­ober­fläche angebracht sind. Nach Angaben der Forschungs­gruppen ist die Methode genauso präzise wie PCR-Tests, aber einfacher und schneller und liefert Ergebnisse in weniger als zwei Stunden.

Die Techno­logie zur Her­stellung von Mem­branen mit einzelnen Nano­poren wurde am GSI über viele Jahre entwickelt. Dünne Polymer­filme werden am Linear­beschleuniger UNILAC mit einem einzelnen hoch­ener­getischen Schwerionen­projektil (z.B. 1 GeV Goldion) beschossen. Dort, wo das Ion die Folie passiert, erzeugt es eine nano­skopische Schadens­spur, die durch chemisches Ätzen in einen offenen Nano­kanal umgewandelt wird. Der Durch­messer und die Form des Kanals werden durch die Ätz­parameter eingestellt. Für diese Arbeit wurden asymme­trische Nano­poren mit einer kleinen Öffnung von weniger als 50 Nano­metern hergestellt. Die geringe Größe und die spezifische Geo­metrie gewähr­leisten eine besonders hohe Empfind­lichkeit für Trans­port­prozesse durch den Kanal.

Durch Beschichtung der Nanopore mit selektiven DNA-Aptameren, die spezifische...
Durch Beschichtung der Nanopore mit selektiven DNA-Aptameren, die spezifische Viren binden, erhalten die Nanokanäle ihre hohe Selektivität. (Bild: Ana Peinetti)

Die Selektivität des Sensors wird durch einen In-vitro-Selektions­prozess für DNA-Fragmente erreicht, sogenannte Aptamere, die in die Nanopore eingebaut werden. Diese Aptamere sind nicht nur in der Lage, das Virus zu erkennen, sondern können auch erkennen, ob es infektiös ist oder nicht. Die hier verwendeten Aptamere wurden von Ana Sol Peinetti während ihrer Arbeit als Post­dokto­randin an der University of Illinois in Urbana-Champaign entwickelt. Da sie mit der GSI-Nano­poren-Techno­logie durch ihre vorherige Arbeit mit der Gruppe von Omar Azzaroni am Institut für theoretische und angewandte physikalisch-chemische Forschung (INIFTA, CONICET-UNLP) (Argentinien) vertraut war, konnte sie beide Technologien erfolgreich kom­binieren.

Dass mit dieser Methode infek­tiöse und nicht infek­tiöse Viren unter­schieden werden können, sei eine wesent­liche Neuerung, so das Team. Die bekannten PCR-Tests weisen virales Erbgut nach, können aber nicht unter­scheiden, ob eine Probe infek­tiös ist oder ob eine Person ansteckend ist. Die einzigen Tests, die derzeit infektiöse Viren nach­weisen können, sind Plaque-Tests. Sie erfordern eine spezielle Vor­bereitung und tage­lange Inku­bation, bevor sie Ergeb­nisse liefern, während der neue Aptamer-Nano­poren-Sensor Ergeb­nisse innerhalb von 30 Minuten bis zu zwei Stunden liefert und keine Vor­behand­lung der Probe nötig ist. 

Ob ein Virus infektiös ist oder nicht gibt nicht nur Auf­schluss darüber, ob Patienten an­steckend sind, sondern bietet auch eine Möglich­keit, heraus­zufinden, ob bestimmte In­akti­vierungs­strategien tatsächlich funkti­onieren. „Zusammen mit Omar Azzaroni und Ana Sol Peinetti (jetzt Gruppen­leiterin am Institut für Chemie, Physik der Materialien, Umwelt und Energie in Buenos Aires) arbeiten wir in einem neuen Projekt zusammen, in dem auf der Grund­lage dieses neuen Sensors die Effizienz ver­schiedener Virus­in­akti­vie­rungs­protokolle getestet werden soll“, erklärt Maria Eugenia Toimil-Molares, Leiterin der Ionen-Spur-Nano­technologie­gruppe bei GSI. 

Abb: Eugenia Toimil-Molares (l.), Leiterin der Ionen-Spur-Nanotechnologiegruppe...
Abb: Eugenia Toimil-Molares (l.), Leiterin der Ionen-Spur-Nanotechnologiegruppe bei GSI, und Christina Trautmann (r.), Leiterin der GSI-Abteilung Materialforschung. (Bild: G. Otto/GSI/FAIR)

Die Nano­poren-Sensor­techno­logie hat auch über die Corona-Pandemie hinaus großes Potenzial. „Um andere Viren nach­zuweisen, muss man nach einem Pool von Mole­külen suchen, die als Aptamere dienen: neue Mole­küle für neue Viren. Wir be­ab­sichtigen sogar, Aptamere zu erhalten, die zwischen ver­schiedenen Varianten von SARS-Cov-2 unter­scheiden können“, beschreibt Peinetti. In ihrer Ver­öffent­lichung zeigen die Autoren auch den Nachweis infektiöser humaner Adeno­viren, die welt­weit für wasser­bedingte Atem­wegs­erkrankungen verantwortlich sind. 

Über den Virus­nachweis hinaus bildet die GSI-Nano­poren­techno­logie die Grund­lage für weitere Sensor­optionen. Zahlreiche Gruppen auf der ganzen Welt entwickeln spezifische Funktionalisierungsstrategien, um Nano­poren-Sensoren selektive Funk­tio­nalitäten zu verleihen. Nanoporen in Ionen­spur­membranen sind sehr vielseitig, da sie so modifiziert werden können, dass sie auf viele verschiedene äußere Ver­änderungen wie Temperatur, pH-Wert, Licht, Spannung oder das Vorhanden­sein bestimmter Ionen­spezies, Moleküle oder Medika­mente reagieren. In den letzten Jahren wurden in Zusammen­arbeit mit den Kollegen am INIFTA mehrere hoch­empfind­liche Nano­poren-Sensor­platt­formen entwickelt. „Unsere Vision ist es, die funk­tiona­lisierte Nano­poren­membran in ein trag­bares Gerät zum schnellen und effi­zienten Nach­weis und zur Diagnose von Viren zu inte­grieren“, sagt Christina Trautmann, Leiterin der GSI-Abteilung Material­forschung.

GSI / LK

 

 

 

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