22.06.2023

Schulteams entdecken Schwerelosigkeit

Zwei Nachwuchsteams qualifizieren sich für echte Messzeit am Bremer Fallturm.

Nach einem halben Jahr intensiven Grübelns, Tüftelns und Ausprobierens gibt es am 23. Juni 2023 für zwei Schulteams die Belohnung: mit dem eigenen Experiment im großen Bremer Fallturm unter Schwerelosigkeit zu forschen. Möglich macht dies das DroPS-Förder­programm am Zentrum für angewandte Raumfahrt­technologie und Mikro­gravitation (ZARM) der Universität Bremen, das in Kooperation mit dem DLR_School_Lab Bremen einmal pro Jahr durchgeführt wird.

 

Abb.: Ein Team bei der Integration des Flüssigkeits­behälters in das...
Abb.: Ein Team bei der Integration des Flüssigkeits­behälters in das Schallwellen-Experiment, um erste Testläufe zu absolvieren. (Bild: ZARM, U. Bremen)

Wie können Kinder und Jugendliche schon früh für Naturwissenschaft und Technik begeistert werden? „Indem man sie einfach ranlässt! Alles, was man braucht, sind Neugier, Kreativität und eine Portion Teamspirit“, erklärt Benny Rievers, der die Nachwuchsförderung am ZARM leitet. Genau diese Voraussetzungen brachten die beiden Schulteams mit, die sich im November 2022 für das DroPS-Programm mit ihrer Experiment­idee bewarben. Ihre eingereichten Projektskizzen wurden von der Fachjury als besonders wissens­hungrig bewertet, sodass sie sich für den Wettbewerb qualifizierten.

Das Ziel: einen Versuchsaufbau selbstständig zu konzipieren, zu designen und zu bauen, der schließlich im Fallturm Bremen für 4,74 Sekunden durch die Schwerelosigkeit rauscht und eine wissenschaftliche Fragestellung beantwortet. „Im Prinzip machen die Schülerinnen und Schüler nichts anderes, als es auch die echten Wissenschaftler in der Forschung tun, wenn sie zu uns ins ZARM kommen“, führt Rievers aus und bekräftigt damit den Hands-On-Ansatz des Wettbewerbs.

Für die Integrierte Gesamtschule Osterholz-Scharmbeck gehen vier Jungs an den Start. Ihre Frage an die Wissenschaft lautet, ob Tenside – also waschaktive Substanzen wie Seife oder Spülmittel – Öle und Fette unter Mikro­gravitation anders lösen, als wir es hier bei uns in der Küche beim Abspülen von Tellern beobachten können. Damit tauchen sie tief in die Welt der Chemie und der Strömungsmechanik ein, wenn sie sowohl die chemischen Verbindungen und Effekte als auch das Verhalten dieser unterschiedlichen Flüssigkeiten und Substanzen untersuchen. Ihr Experiment­aufbau ist dabei denkbar simpel und doch ausgeklügelt genug, um ihrer Forschungsfrage auf den Grund zu gehen: Zwei mit Öl benetzte Platten, auf die über einen Microcontroller das Tensid appliziert wird, um im richtigen Moment der Mikrogravitationsphase die Effekte per Highspeed-Kamera beobachten zu können.

In einem zweiten Team haben sich vier Mädchen zusammengefunden, die sich bei der Sommerakademie 2022 der Universität Bremen kennenlernten. Sie kommen von Schulen aus Achim, Bremen Nord und dem Stadtteil Findorff. Die Entfernung zwischen den Orten war jedoch kein Hindernis ihr Projekt voranzubringen, entsprechend intensiv wurden dann an den Nachmittagen die Köpfe zusammengesteckt. Kernfrage ihres Experiments ist es, ob sich Wassertropfen mit akustischen Schallwellen in der Schwerelosigkeit ablenken lassen. Alles, was sie dafür benötigen ist ein basslastiges Musikstück, ein leistungsfähiger Lautsprecher, ein Tropfsystem mit eingefärbter Flüssigkeit und High-Speed-Kameras, die alles im Detail aufzeichnen.

Was sich jetzt so simpel anhört, brauchte aber seine Vorbereitungszeit. Denn Kreativität und handwerkliches Geschick sind von Beginn an gefragt, wenn in den Teams überlegt und entschieden werden muss, welche Hardware und Bauteile überhaupt benötigt werden, um der eigenen Forschungsfrage auf die Schliche zu kommen. Erlernt werden aber auch neue Kenntnisse, wenn sich die Nachwuchs­wissenschaftler in die Programmierung von Controllern und die CAD-Software zur Anfertigung von Konstruktions­zeichnungen reinfuchsen müssen. „Hier überlassen wir die Teams aber nicht sich selbst. Unsere Experten vom ZARM und dem DLR_School_Lab stehen den Schülern in den sechs Monaten Laufzeit des Wettbewerbs mit Rat und Tat zu Seite, und bevor es in den großen Fallturm geht, wurden erste Testflüge im kleineren Space Tower – einem zehn Meter Miniatur-Fallturm des DLR_School_Labs – absolviert“, beschreibt Rievers die einzelnen Vorbereitungs­phasen des DroPS-Programms. Denn nur ein voll funktionsfähiges Experiment kann am Ende Ergebnisse und Daten liefern.

Zum großen Finale werden sich schließlich alle Teams und Betreuer in der Integrationshalle des ZARM treffen. Die Versuchs­aufbauten werden mit letzten Handgriffen in die Experiment­kapsel integriert und für ihren Flug im Bremer Fallturm vorbereitet, ehe sie dann aus 120 Metern Höhe im Vakuum mit einer Endgeschwindigkeit von 165 Stundenkilometern fallen gelassen werden und dabei knapp fünf Sekunden Schwerelosigkeit erleben. Von Kontrollraum aus können die Teams ihre Forschung live in Aktion beobachten. Die gesammelten Experimentdaten und Beobachtungen müssen von den Schülern anschließend in Kleinarbeit analysiert und interpretiert werden. „Auch das ist Teil echten wissenschaftlichen Arbeitens. Die Einsatz­bereitschaft, das Engagement und ihre Neugier wird sich für die Schulteams mit Abschluss des DroPS-Wettbewerbs aber in mehrfacher Hinsicht gelohnt haben“, ist Rievers überzeugt.

ZARM / DE

 

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