Schwarzes Loch dreht sich auf die Seite
Rotationsachse ist um mehr als vierzig Grad gegenüber der Achse der Sternbahn geneigt.
Svetlana Berdyugina von der Universität Freiburg und Direktorin des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik (KIS), hat zusammen mit einem internationalen Team von Astronominnen und Astronomen zum ersten Mal zuverlässig einen großen Unterschied zwischen der Rotationsachse des schwarzen Lochs und der Achse der Umlaufbahn des Doppelsternsystems namens MAXI J1820+070 gemessen. Die Rotationsachse ist um mehr als vierzig Grad gegenüber der Achse der Sternbahn geneigt. „Diese Erkenntnis stellt die derzeitigen theoretischen Modelle zur Entstehung Schwarzer Löcher in Frage“, sagt Berdyugina.
„Der Unterschied von mehr als vierzig Grad zwischen der Bahnachse und dem Spin des schwarzen Lochs war völlig unerwartet. Wissenschaftler sind bisher oft davon ausgegangen, dass dieser Unterschied sehr gering ist, wenn sie das Verhalten von Materie in einem gekrümmten Zeitraum um ein schwarzes Loch modelliert haben“, erklärt Berdyugina. Die neue Erkenntnis zwinge Astronomen dazu, die Modelle um eine neue Dimension zu erweitern.
Das Forschungsteam machte seine Entdeckung mit dem astronomischen Polarimeter DIPol-UF, einem Instrument zur Messung des Winkels der optischen Drehung des Lichts. Gebaut wurde es vom Leibniz-Institut für Sonnenphysik und der finnischen Universität Turku. Im Nordic Optical Teleskop auf La Palma auf den spanischen Kanaren kam es dann schließlich zur Anwendung. „Unser verwendetes Polarimeter DIPol-UF ist einzigartig in seiner Fähigkeit, die optische Polarisation mit der Präzision und Genauigkeit von wenigen Teilen pro Million zu messen. Die Bestimmung der Bahnorientierung von schwarzen Löchern anhand der Polarisation eröffnet einen neuen Weg zum Verständnis ihrer Entstehung und Physik“, erklärt Berdyugina.
Die schwarzen Löcher in Doppelsternsystemen sind durch einen kosmischen Kataklysmus entstanden – den Kollaps eines massereichen Sterns. Jetzt stellten die Forschenden fest, wie ein schwarzes Loch Materie von dem nahen, leichteren Begleitstern mitreißt, der das Gravitationszentrum des Systems umkreist. Die Wissenschaftler sahen helle optische Strahlung und Röntgenstrahlung als letzten Seufzer des einfallenden Materials und die Radioemission von den Jets, die aus dem System ausgestoßen wurden. Indem sie die leuchtenden Gas-Ströme, die Jets, im Radio- und Röntgenbereich verfolgten, konnten die Astronomen die Richtung der Rotationsachse des schwarzen Lochs genau bestimmen.
U. Freiburg / JOL