Simulierte Windböen
Neues Windfeldmodell erfasst turbulente Schwankungen für optimierte Prognosen.
Mit einem neuen statistischen Modell ist es Forschenden der Universität Oldenburg gelungen, turbulente Schwankungen des Windes deutlich realistischer abzubilden, als es bisher möglich war. Zudem entwickelte das Team vom Institut für Physik und vom Zentrum für Windenergieforschung ForWind um Jan Friedrich eine Methode, um aus Daten weniger Messpunkte mit dem Modell vollständige, realitätsnahe Windfelder zu berechnen. Die Methode eignet sich nicht nur für Anwendungen im Bereich der Windenergie, sondern könnte auch bei der Berechnung von Aerosolkonzentrationen oder Schadstoffverteilungen in turbulenten Luftströmungen hilfreich sein.
Für Herstellerfirmen von Windkraftanlagen ist es wichtig, die Windverhältnisse am Rotorblatt möglichst genau beschreiben zu können, um etwa die Belastung von Bauteilen abzuschätzen. Auch Betreiberunternehmen von Windparks müssen schon während der Planung wissen, welche Windverhältnisse zu erwarten sind, etwa um die elektrische Leistung oder die Lärmentwicklung prognostizieren zu können. Zu diesem Zweck verwendet die Windindustrie mathematische Modelle, die Schwankungen der Windgeschwindigkeit anhand statistischer Gesetzmäßigkeiten beschreiben. Diese Windfeldmodelle haben allerdings ein großes Manko, sagt Friedrich: „In diesen Modellen fehlen die Böen. Der Wind weht darin wesentlich gleichmäßiger als in der Realität.“
Dass extreme Schwankungen der Windgeschwindigkeit in der natürlichen Umwelt deutlich häufiger auftreten als in den üblicherweise verwendeten Modellen, wies ein Team um den Oldenburger Physiker Joachim Peinke bereits 2012 nach. „Ein Ereignis, das der üblicherweise angewandten Gauß-Statistik zufolge alle 1250 Jahre stattfinden sollte, ereignet sich in der Realität einmal pro Stunde“, erläutert Peinke. Anders ausgedrückt: Ereignisse, die eigentlich so unwahrscheinlich sein sollten wie ein Sechser im Lotto – etwa Windböen, die einen Baum entwurzeln – sind in Wirklichkeit gar nicht selten. Bislang lässt sich dieses Problem nur behelfsmäßig lösen: In Anwendungen werden den Windmodellen künstlich Böen hinzugefügt – was die Wirklichkeit jedoch nur unzureichend nachbildet und zudem viel Rechenzeit beansprucht.
Friedrich und seinen Oldenburger Kolleginnen und Kollegen gelang es nun mit ihrem neuen Modell, dreidimensionale, realitätsnahe Windfelder inklusive Turbulenzen mit relativ geringem Rechenaufwand anzufertigen. Die entscheidende Leistung ihrer Arbeit bestand darin, für jeden Raumpunkt mehrere leicht voneinander abweichende klassische Gauß-Statistiken nach dem Zufallsprinzip zu überlagern. Die statistischen Eigenschaften des daraus berechneten Windfeldes – als superstatistisches Zufallsfeld bezeichnet – kann das Team nach Wunsch so einstellen, dass die Stärke und Häufigkeit von Turbulenzen am jeweiligen Standort der Wirklichkeit entsprechen. Das Modell lässt sich nutzen, um aus den Daten weniger Messpunkte ein vollständiges, wirklichkeitsnahes Windfeld zu errechnen. „Wir können den Raum zwischen gitterartig angeordneten Messpunkten sozusagen auffüllen“, erläutert Friedrich.
Diese neue Möglichkeit sei ebenfalls für Anwendungen in der Windindustrie interessant, erlaube es aber auch, wichtige Forschungsfragen mit neuen Ansätzen anzugehen. Die verwendete Methode, um vollständige Felder physikalischer Messgrößen aus einer begrenzten Menge von Daten zu rekonstruieren, ist nach Angaben des Teams breit anwendbar. So könnte sie sich beispielsweise nutzen lassen, um die Konzentration von Schadstoffen oder die Temperaturverteilung in einer städtischen Umgebung aus Daten weniger Messpunkte hochaufgelöst zu modellieren.
U. Oldenburg / JOL