26.09.2016

Sparsamer Strahlungsdetektor

Günstige Einkristalle aus Blei-Halogenid-Perowskit eignen sich gut zur Messung radioaktiver Strahlung.

Ein Forschungsteam der Empa und der ETH Zürich hat Einkristalle aus Blei-Halogenid-Perowskiten entwickelt, die radioaktive Strahlung sehr exakt messen können. Sie lassen sich aus wässrigen Lösungen oder günstigen Lösungs­mitteln herstellen. Erste Experimente haben gezeigt, dass solche Kristalle ebenso gut funktionieren wie die bisher gebräuchlichen Halbleiter aus Cadmium­tellurid, deren Herstellung wesentlich aufwändiger ist. Die Entdeckung könnte den Preis vieler Radio-Detektoren deutlich senken – etwa bei Scannern im Sicherheits­bereich, bei tragbaren Dosimetern in Kraftwerken und bei Mess­geräten in der medizinischen Diagnostik.

Abb.: Bleihalogenid-Einkristall (Bild: Empa)

Wenn instabile Isotope zerfallen, entstehen fast immer Gamma­strahlen. Um radioaktive Substanzen zu erkennen, braucht es also Gamma-Detektoren, die günstig und hoch­empfindlich sind und bei Raum­temperatur arbeiten. Geeignete Substanzen zu finden, ist nicht ganz einfach, wie Maksym V. Kovalenko, Professor an der ETH Zürich und Forschungs­gruppen­leiter an der Empa erläutert: Der gesuchte Kristall, der bei Raum­temperatur Gamma­strahlen erkennt, muss eine hohe elektronische Qualität besitzen. Das heißt, die Ladungs­träger im Kristall müssen äußerst mobil sein und eine lange Lebens­dauer besitzen, um das Signal in Form eines elektrischen Impulses zuverlässig weiterzuleiten.

Außerdem muss der Kristall aus schweren Elementen bestehen, damit er die energie­reiche Gamma­strahlung überhaupt einfangen kann. Und schließlich muss es möglich sein, aus dem gewünschten Stoff große Ein­kristalle wachsen zu lassen, die unempfindlich gegen Bruch und Temperatur­schwankungen sein müssen.

Bisher war vor allem Cadmium­tellurid für diese Eigenschaften bekannt. Doch der Stoff, aus dem man auch Dünnschicht-Solarzellen produziert, ist nicht wasser­löslich und schmilzt erst bei über 1000 Grad Celsius. Die Herstellung von Detektor-Kristallen ist daher aufwändig und teuer. Kovalenko und seinem Forscherteam ist es nun gelungen, Halbleiter­kristalle einer anderen Stoff­klasse (Blei-Halogen-Perowskite) in klassischer Becherglas-Chemie herzustellen. Die hoch­empfindlichen Detektor­kristalle können Gamma­strahlen sichtbar machen, kosten jedoch nur wenige Schweizer Franken pro Kristall.

Eine mögliche Anwendung wäre ein Mini-Geigerzähler, der an Smart­phones angeschlossen werden kann. So könnten Menschen in radio­aktiv verseuchten Gebieten zum Beispiel jedes ihrer Lebens­mittel einzeln auf Radio­aktivität testen.

Ein weiteres mögliches Anwendungs­gebiet der neuen Kristalle ist die Diagnostik von Stoffwechsel­problemen im Gehirn. Störungen an Dopamin-Rezeptoren können viele Folgen haben: Parkinson, Schizophrenie, Hyper­aktivität (ADHS), soziale Angst­störungen oder Drogen- und Alkohol­sucht. Diagnostiziert werden solche Störungen, indem Patienten radioaktive Tracer-Substanzen verabreicht werden, die in der Magnet­resonanz­tomographie Hirn­aktivitäten sichtbar machen. Das Verabreichen radioaktiver Substanzen ist nicht ungefährlich: Ist die Substanz unrein, drohen Gesundheits­schäden. Das Überprüfen der Reinheit muss jedoch sehr schnell geschehen, weil die Tracer-Substanz eine geringe Halbwert­szeit hat, also rasch zerfällt.

Um die Fähigkeiten der Blei-Halogen-Perowskite zu demonstrieren, hat Kovalenkos Team den neuen Einkristall-Detektor für die Isotopen­reinheits­kontrolle von 18F-Fallyprid eingesetzt, eine Tracer-Substanz, die klinisch in Studien über Dopamin-Rezeptoren benutzt wird. 18F-Fallyprid ist radioaktiv und hat eine Halbwerts­zeit von 110 Minuten – es bleibt also zwischen Herstellung und Injektion nur wenig Zeit, die Substanz auf ihre radiochemische Reinheit zu untersuchen.

Bisher werden die Messungen in einem aufwändigen, zweistufigen Prozess durchgeführt: Zuerst wird die Substanz mit dem Hoch­leistungs­flüssigkeits­chromatographie-Verfahren getrennt, in einem zweiten Schritt dann die Radio­aktivität mit einem Detektor gemessen. Mit dem neuen Einkristall ließ sich dieser zweistufige Prozess erfolgreich auf einen einzigen, einfachen Schritt reduzieren. Der Kristall muss lediglich vor die Tracer-Substanz gehalten werden, dann lassen sich die Ergebnisse auf dem angeschlossenen Messgerät ablesen.

Empa / DE

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