Springende Spins
Spins in Polymeren bewegen sich großteils anhand von Vibrationen der Polymerketten fort.
Was die Schnelligkeit von Computern angeht, so stoßen die herkömmlichen Technologien an ihr Limit. Sollen Rechner künftig noch schneller werden, sind daher neue Technologien gefragt. Forscher des Instituts für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun eine Entdeckung gemacht, die eine mögliche Basis für solche neuartigen Technologien legt – etwa den nahezu stromlosen Rechner.
Der Spin ist eine absolut zwingende Voraussetzung der heutigen Elektronik. Die Molekularelektronik wiederum ist eine Weiterentwicklung der Mikroelektronik, bei der einzelne Moleküle die Bauelemente bilden. Dafür lassen sich beispielsweise Polymere nutzen, also lange Molekülketten. „Kleine Änderungen in der Struktur lassen sich bei diesen Polymeren sehr, sehr viel einfacher und präziser realisieren als entsprechende Änderungen von traditionellen Halbleitermaterialien“, erklärt Erik R. McNellis, Gruppenleiter am Institut für Physik der JGU, die Vorteile. Denn die Polymere lassen sich Atom für Atom designen. Was jedoch bisher noch nicht klar war: Wie bewegen sich die Spins in diesen Materialien?
„Bislang ging man davon aus, dass sich die Spins mit den Elektronen bewegen – also an den Ladungstransport, sprich den Strom, gekoppelt sind“, sagt McNellis. „Diese Annahme konnten wir nun widerlegen: Die Spins wandern keineswegs nur mit den Elektronen, sondern hüpfen vor allem durch Vibrationen von einer Polymerkette zur nächsten. Das eröffnet eine ganz neue Dimension der Technologie.“ Diese Vibrationen können durch das Design der Moleküle, die Gerätegeometrie sowie die Kontrolle der Temperatur beeinflusst werden. Bei der Untersuchung führten McNellis und sein Team die Simulationen zu den an der Universität Cambridge gemachten Experimenten durch.
Doch worin genau besteht nun die neue Dimension, die diese Entdeckung eröffnet? „Zum einen können wir mit den Spins Informationen übertragen, ohne Strom zu nutzen. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel energieeffiziente, ja nahezu stromlose Computer herstellen“, nennt McNellis ein Anwendungsbeispiel. Wichtig ist das etwa für integrierte Kreise, die die Bausteine des Gehirns nachahmen und für die künstliche Intelligenz genutzt werden. Aus einer weiteren Perspektive bietet der Einsatz von molekularen Komponenten in der Festkörpertechnologie oft einzigartige Vorteile, wie zum Beispiel organische Leuchtdioden (OLEDs) in Bildschirmen. Dieses Ziel rückt mit dieser Veröffentlichung näher.
In einer vorhergehenden Veröffentlichung konnten die Forscher der JGU bereits zeigen, dass sich die Spins in einem Polymer extrem viel weiter bewegen als in traditionellen Halbleitern – und das zu weit geringerem Herstellungsaufwand und höherem Designpotenzial.
JGU / DE