01.02.2008

Spurensuche im kosmischen Netz

Ein internationales Team hat die Verteilung und die Eigenbewegungen Tausender weit entfernter Galaxien gemessen. Diese Methode entpuppt sich als Prüfstein für die Modelle der kosmischen Expansion.



Das Universum dehnt sich aus – und wird dabei immer schneller. Über die Ursache dieser beschleunigten Expansion rätseln die Forscher seit deren Entdeckung vor zehn Jahren. Treibt eine geheimnisvolle Dunkle Energie das All auseinander? Oder stimmt gar die Gravitationstheorie nicht? Ein internationales Team hat jetzt die Verteilung und die Eigenbewegungen Tausender weit entfernter Galaxien gemessen. Diese Methode entpuppt sich als Prüfstein für die Modelle der kosmischen Expansion.

Die Astronomen unter Leitung von Luigi Guzzo, Gastwissenschaftler an den Max-Planck-Instituten für extraterrestrische Physik und für Astrophysik in Garching, haben Milchstraßensysteme in einem Raum von 25 Millionen Kubiklichtjahren unter die Lupe genommen und dabei mehr als 13.000 Spektren von Galaxien gewonnen. Weil das Licht eine bestimmte Zeit benötigt, um eine kosmische Distanz zu durchlaufen, nehmen wir ferne astronomische Objekte so wahr, wie sie früher ausgesehen haben. Das Alter der untersuchten, schwach glimmenden und sehr weit entfernten Galaxien beträgt rund sieben Milliarden Jahre. Das Weltall als Ganzes ist etwa doppelt so alt.

Bei solch gewaltigen Abständen von mehreren Milliarden Lichtjahren macht sich die so genannte kosmologische Rotverschiebung deutlich bemerkbar: Seit dem Urknall vor knapp 14 Milliarden Jahren dehnt sich der Raum aus – die Galaxien treiben darin auseinander wie die Rosinen in einem aufgehenden Hefeteig. Dabei werden die Lichtwellen „gedehnt“ und erscheinen langwellig, also rot. Diese Rotverschiebung zeigt sich im Galaxienspektrum und gibt einen Hinweis auf die Entfernung, wobei gilt: je größer die Rotverschiebung, desto größer die Entfernung.

In der Natur weisen die Galaxien aber zusätzlich zur allgemeinen Fluchtbewegung mehr oder weniger starke Eigenbewegungen auf. Diese rühren von Materiekonzentrationen her, deren Schwerkraft die einzelnen Sternsysteme beeinflussen. Misst man die Bewegungen vieler Galaxien in einem großen Raumwürfel, lässt sich daraus eine dreidimensionale Karte des Universums erstellen.

Eine derartige Karte zeigt die Verteilung der Galaxien und ihre statistischen Eigenbewegungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit und gibt auf diese Weise Aufschluss über den Stand der Strukturbildung. Denn seit dem Urknall haben sich aus winzigen Dichtefluktuationen bis heute gigantische Netze aus Galaxienhaufen entwickelt. Am Max-Planck-Institut für Astrophysik simulieren Wissenschaftler am Computer die Evolution des Universums – die wiederum eng mit der rätselhaften Kraft zusammenhängt, die das All auseinander treibt.

Abb. Weltall in Bewegung: Diese Computersimulation zeigt, wie Galaxien zu einem massiven Superhaufen verklumpen. Die gelben Nadeln sind Geschwindigkeitsvektoren und verdeutlichen die Zunahme der Schwerkraft, die von der feinen Balance von Dunkler Materie, Dunkler Energie und der Expansion des Universums abhängt. (Bild: MPI für Astrophysik/Klaus Dolag)

Hier setzt die Arbeit von Luigi Guzzo und seinen Kollegen an. Mit dem 8,2-Meter-Spiegelfernohr „Melipal“ des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile bestimmten die Forscher aus den Spektren die Bewegungen der Galaxien und gewannen damit eine Momentaufnahme des etwa sieben Milliarden Jahre alten Universums. Aus einem Vergleich mit dem Babybild des Alls – es zeigt die Dichtefluktuationen 400.000 Jahre nach dem Urknall – sowie dem gegenwärtigen Zustand lassen sich die Rolle der Dunklen Energie sowie deren Wesen und Stärke herauslesen.

In der Tat hatten Forscher im Jahr 1998 entdeckt, dass die Expansion des Universums heute schneller verläuft als in der Vergangenheit. Dieses Ergebnis kam überraschend, hatte man bis dahin doch geglaubt, dass die Schwerkraft die Expansion des Universums abbremsen müsste. Was steckte dahinter? Mindestens zwei mögliche Erklärungen gelten bis heute als denkbar.

Bei der Dunklen Energie handelt es sich um eine Verallgemeinerung der von Albert Einstein eingeführten, später aber verworfenen Kosmologischen Konstante. Sie macht ungefähr 75 Prozent der gesamten Energiedichte im Universum aus und lässt sich nicht direkt nachweisen, sondern nur indirekt aus der Expansion des Weltalls und der Bildung der großräumigen Strukturen ableiten. Eine andere Alternative: Die Gleichung der Allgemeinen Relativität und damit die Theorie der Schwerkraft müssen modifiziert werden.

Die Messungen der Wissenschaftler um Luigi Guzzo stimmen mit dem Modell der Kosmologischen Konstante überein. Allerdings gibt es noch große Unsicherheiten im Ergebnis. „Wenn wir unsere Beobachtungen auf ein zehnfach größeres Raumvolumen ausdehnen könnten, sollten wir aber ziemlich sicher die Frage beantworten, ob die Ursache der beschleunigten Ausdehnung des Universums tatsächlich die Dunkle Energie ist oder eine Form von Schwerkraft, die von unserem bisherigen Verständnis der Gravitation abweicht“, sagt Guzzo.

Quelle: MPG / [HOR]

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