06.06.2008

Stabilität durch Kollisionen

Inelastische Kollisionen können kalten bosonischen Molekülgasen eine fermionische Ordnung geben und sie so vor weiteren destabilisierenden Kollisionen bewahren.

Inelastische Kollisionen können kalten bosonischen Molekülgasen eine fermionische Ordnung geben und sie so vor weiteren destabilisierenden Kollisionen bewahren.

Richtig interessant wird es in einem Vielteilchensystem, wenn die Partikel ihr Verhalten miteinander abstimmen. So sind quantenmechanische Korrelationen für die Eigenschaften der Bose-Einstein-Kondensate oder der Supraleiter verantwortlich. Mit Experimenten an kalten atomaren Gasen in Lichtgittern will man den Korrelationen auf die Spur kommen, die der Hochtemperatursupraleitung zugrunde liegen. Dabei bringen starke elastische Wechselwirkungen die Teilchen in einen korrelierten Zustand, während inelastische Stöße normalerweise stören und die Teilchen aus dem Lichtgitter werfen. Doch jetzt berichten Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, dass auch inelastische Stöße zwischen Molekülen zu Ordnung und Stabilität führen können.

Niels Syassen und seine Kollegen haben ein Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-87-Atomen in ein dreidimensionales Lichtgitter gebracht, das durch interferierende Laserstrahlen erzeugt wurde. In diesem Gitter verspürten die Atome ein Potential, das zunächst die Form von gestapelten Eierkartons hatte. In jeder Potentialmulde saßen in der Regel zwei Atome, die durch ein starkes Magnetfeld von etwa 1000 Gauß mithilfe einer Feshbach-Resonanz locker zu einem Molekül verbunden wurden. Übrig gebliebene Einzelatome wurden mit einem Lichtpuls aus dem Potential entfernt, sodass schließlich in jeder Mulde ein Molekül saß.

Bei der ersten Reihe von Experimenten änderten die Forscher das Lichtgitter so, dass das Potential die Form von übereinander gestapelten Wellblechen hatte. Dann konnten die Moleküle sich in einer Raumrichtung nahezu frei bewegen. Sie wurden nur von einem schwachen harmonischen Potential daran gehindert, in dieser Richtung zu entweichen. Das Lichtgitter enthielt jetzt zahlreiche voneinander unabhängige eindimensionale Gase, deren Moleküle miteinander inelastisch kollidierten. Dabei wurden sie aus dem Lichtgitter geworfen und gingen verloren. Die Forscher verfolgten die zeitliche Entwicklung der Molekülzahl im Lichtgitter, in dem sie nach einer bestimmten Wartezeit das Gitter abschalteten, die verbliebenen Moleküle dissoziierten und die Atome zählten. Diese ganze Prozedur wiederholten sie mehrmals mit neuen Molekülen für veränderte Wartezeiten.

Es zeigte sich, dass die Moleküle viel langsamer entwichen als man es erwarten würde, wenn ihre Bewegungen völlig unabhängig voneinander gewesen wären. Unkorrelierte Moleküle wären praktisch schon nach 2 ms restlos aus dem Lichtgitter entwichen. Die Experimente ergaben jedoch, dass noch nach 3 ms etwa die Hälfte der Moleküle im Lichtgitter vorhanden war. Die inelastischen Stöße führten dazu, dass die bosonischen Moleküle auf Distanz gingen und einander mieden als wären sie Fermionen. Dadurch sank die Wahrscheinlichkeit für weitere Kollision, und die Moleküle konnten länger im Lichtgitter verbleiben. Die Verlustrate der korrelierten Moleküle im Gitter war etwa zehnmal kleiner als im unkorrelierten Fall. Die Forscher modellierten das Verhalten der Moleküle mithilfe eines Tonks-Girardeau-Gases, bei dem sich Bosonen eindimensional bewegen und sowohl elastisch als auch inelastisch kollidieren. Auch hier führte eine starke inelastische Wechselwirkung dazu, dass die Verlustrate deutlich verringert war.

Auch bei der zweiten Reihe von Experimenten konnten sich die Moleküle nur längs einer Raumachse bewegen. Sie waren jedoch zusätzlich einem schwachen periodischen Potential ausgesetzt, sodass sie auf bestimmten Gitterplätzen saßen und von einem Platz zum anderen tunneln konnten. Auch diesmal führten die inelastischen Kollisionen zu korreliertem Verhalten der Moleküle, das ihre Verlustrate stark verringerte, und zwar um einen Faktor 1000. Dahinter steckt vermutlich der Quanten-Zeno-Effekt. Wenn man an einem Quantensystem in kurzen Zeitabständen eine Messung wiederholt, zwingt man es mit großer Wahrscheinlichkeit immer wieder in denselben Zustand zurück und verhindert so seine zeitliche Entwicklung. Die fortwährend stattfindenden inelastischen Stöße zwischen den Molekülen im periodischen Potential sind in diesem Sinne ebenfalls Messprozesse, die das molekulare Gas in einem stark korrelierten Zustand „einfrieren“. Dadurch werden die Moleküle daran hindern, in eine benachbarte Mulde zu tunneln und dort mit einem anderen Molekül zu kollidieren. Seinen Anfangszustand „vergisst“ das molekulare Gas übrigens schon nach wenigen Kollisionen.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die bisher als störend empfundenen inelastischen Stöße dazu genutzt werden können, gewünschte korrelierte Zustände herzustellen.

Rainer Scharf

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