Start der Höhenforschungsrakete MAIUS-2
Deutsche Forschende untersuchen extrem kalte Quantengase in der Schwerelosigkeit.
Ein Forschungsverbund unter maßgeblicher Beteiligung der Leibniz Universität Hannover hat am vergangenen Samstag von der European Space and Sounding Rocket Range nahe Kiruna in Schweden erfolgreich die Höhenforschungsrakete MAIUS-2 ins All geschossen. Während des Fluges standen ungefähr fünfeinhalb Minuten für Versuche unter Schwerelosigkeit zur Verfügung bevor die Rakete geplant zurück auf die Erde stürzte. In dieser Zeit wurden verschiedene Experimente weitestgehend autonom an Bord der Rakete durchgeführt. Dem Start waren monatelange, minutiöse Vorbereitungen vorausgegangen.
Auf der MAIUS-2-Mission wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gemische aus Quantengasen von zwei verschiedenen Atomsorten erzeugen und deren Wechselwirkungen in Schwerelosigkeit untersuchen und kontrollieren. Dazu sollten Rubidium- und Kaliumatome auf Temperaturen von bis zu wenigen hundert Nanokelvin, also kurz vor dem theoretischen Temperaturnullpunkt, gekühlt werden. Die Atome nehmen dann den extremen Quantenzustand eines Bose-Einstein-Kondensats an. Die Erzeugung dieser Quantengase erfordert einen hohen technologischen Aufwand, erlaubt aber einzigartige Forschungsmöglichkeiten. Während die Erzeugung von Rubidium Bose-Einstein-Kondensaten demonstriert und deren Verhalten im freien Fall untersucht werden konnte, baute sich das Bose-Einstein Kondensat aus Kaliumatomen allerdings nicht wie geplant auf. Nichtsdestotrotz lieferte der MAIUS-2-Flug viele wertvolle Erkenntnisse, die in den nächsten Monaten ausgewertet werden.
Die kontrollierte Erzeugung und Beherrschung von Bose-Einstein Kondensaten ist Grundvoraussetzung für extrem genaue Messungen von Beschleunigungen und Kräften mit sogenannten Atominterferometern. Die Forschenden versprechen sich von dem Einsatz der Technologie im Weltraum ein tieferes Verständnis grundlegender Naturkräfte. So soll beispielsweise die Universalität des freien Falls zukünftig mit Hilfe der Atominterferometrie auf die Probe gestellt werden. Aber auch für eine genauere und hochaufgelöste Messung des Erdschwerefelds oder für die Navigation von zukünftigen Raumsonden stellen weltraumgestützte Atominterferometer einen der vielversprechendsten Ansätze dar. Die MAIUS-Höhenforschungsraketen leisten Pionierarbeit und bereiten den Weg für das amerikanisch-deutsche Atomlabor Bose Einstein Condensate and Cold Atom Laboratory (BECCAL) zur Untersuchung von Quantengasen auf der Internationalen Weltraumstation ISS.
Bereits die Vorgängermission MAIUS-1 galt 2017 als eines der komplexesten Experimente, welches je auf einer Höhenforschungsrakete geflogen ist. Damals gelang den Forschenden erstmals die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats im All. Wegen der zweiten Atomsorte musste das Team für MAIUS-2 nun die doppelte Anzahl von Lasern und der zu ihrem Betrieb erforderlichen Elektronik in der Rakete unterbringen. Eine technologische Herausforderung – denn trotz der gesteigerten Komplexität der Nutzlast mussten die Masse und das Volumen des Aufbaus annähernd konstant gehalten werden. Auch wenn nicht alle Experimente wie geplant verlaufen sind, beweist der Start am Samstag, dass die immer weiter miniaturisierte Technologie prinzipiell im Weltraum funktioniert.
Die Mission MAIUS-2 wird im Rahmen des Projektes QUANTUS IV – MAIUS durchgeführt. Dieses Projekt steht unter der Leitung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen im Verbund mit der Leibniz Universität Hannover, der Humboldt-Universität und dem Ferdinand-Braun-Institut in Berlin und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dem Forschungsverbund gehören außerdem das DLR Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover, das DLR Institut für Softwaretechnologie in Braunschweig, die Universität Hamburg und die Mobile Raketenbasis des DLR (MORABA) an, welche auch die Startkampagne durchführt. Koordiniert und unterstützt wird das Projekt von der DLR Raumfahrtagentur mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
LUH / JOL