13.04.2015

Sterne mit angehaltener chemischer Uhr

Gemessenes Alter einer Gruppe roter Riesen­sterne wider­spricht Standard­modellen der galak­tischen Ent­wicklung.

Die Geschichte der Milchstraße lässt sich anhand der Häufig­keiten verschiedener chemischer Elemente, die in den Spektren von Stern­atmo­sphären sichtbar sind, und aus der Bewegung der Sterne ablesen. Beide Faktoren sind zentral für die „Galak­tische Archä­ologie“, die die Entwicklung der Milch­straße zum Gegen­stand hat. Sie nutzt stellare Häufig­keits­verhält­nisse zur indirekten Alters­bestimmung von Sternen. Masse­reiche Exemplare, die nach kurzer Lebens­zeit als Super­novae explo­dieren, reichern das inter­stellare Medium mit Sauer­stoff und anderen Alpha-Elementen an. Masse­ärmere Sterne, die als Super­novae vom Typ Ia enden, leben länger und produzieren hingegen haupt­sächlich Eisen. Die Zeit­differenz zwischen der Anrei­cherung des inter­stellaren Mediums mit Alpha-Elementen und Eisen erlaubt Rück­schlüsse auf den Zeit­punkt der Geburt eines Sterns – dies bezeichnen Astro­nomen als „Chemische Uhr“, die für viele Sterne funk­tioniert.

Abb.: Lage der von CoRoGEE untersuchten roten Riesen in der Milch­straße relativ zur Sonne. Die Stern­symbole kennzeichnen diejenigen Sterne, für die die chemische Uhr nicht funktioniert. Die Achsen geben die galak­tische Breite und Abstand vom galak­tischen Zentrum in Licht­jahren an. (Bild: F. Anders)

Ein erhöhtes Alpha-Eisen-Verhältnis garantiert jedoch nicht ein hohes Alter eines Sterns, berichtet jetzt ein internationales Team von Forschern unter Leitung von Cristina Chiappini vom Leibniz-Institut für Astro­physik Potsdam. Erst seit kurzem erlaubt die Astero­seismo­logie die präzise Alters­bestimmung der Sterne. Die Methode basiert auf der Messung von Pulsationen und liefert so zusätzliche Informationen über das Alter eines Sterns. Die unter­suchten Sterne erscheinen jung, obwohl sie im Vergleich zur Sonne mit Alpha-Elementen angereichert sind. Interes­santerweise befinden sich die meisten dieser Sterne in den inneren Regionen der galaktischen Scheibe wo das Zusammenspiel zwischen Balken und Spiralarmen eine komplexe chemische Entwicklung zur Folge hat.

„Obwohl bereits ähnliche Sterne in anderen Stichproben früherer Veröffent­lichungen enthalten waren, handelte es sich dabei nur um einige wenige. Das könnte erklären, warum diesen Sternen bisher nur so wenig Aufmerk­samkeit zuteil wurde,“ erklärt Team-Mitglied Friedrich Anders. „Wir rechnen mit weiteren Hinweisen zur Herkunft dieser Sterne und der komplexen chemischen Evolution der Milch­straße durch zukünftige Beob­achtungen,“ schließt Chiappini.

Die neuen Daten sind das Ergebnis einer Kollaboration einer hochauflösenden Infrarot­himmels­durch­musterung und Teil der Sloan Digital Sky Survey III mit dem Rote-Riesen-Team des Corot-Weltraum­teleskops. Diese Kollaboration erlaubt die spektro­skopische Nach­beob­achtung hunderter roter Riesen­sterne mit seis­mischen Informationen. Nur damit ist es möglich, die inneren Regionen der galak­tischen Scheibe und das Alter der Feld­sterne zu bestimmen.

AIP / OD

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