08.08.2017

Sternenfeuer im Labor

Lasergetriebene Kernfusion erreicht Bedingungen wie im Zentrum schwerer Sterne.

Experimente zur Kernfusion lassen nicht nur auf eine künftige Energie­quelle für die Mensch­heit hoffen. Sie liefern auch neue Ein­sichten zum Energie­umsatz von Sternen. Die für die Modell­rechnungen notwen­digen Daten zu den Wirkungs­quer­schnitten von Kern­reak­tionen stammen üblicher­weise von Beschleuniger­experi­menten. Eine Schwierig­keit bei solchen Experi­menten besteht jedoch darin, dass diese Wirkungs­quer­schnitte zwar bei hohen Energien groß sind und sich dann präzise ermit­teln lassen. Bei niedri­geren Energien sinkt die Reaktions­rate wichtiger Fusions­prozesse jedoch rapide ab und lässt sich häufig nur noch schwer vom Hinter­grund unter­scheiden.

Abb.: Die Implosions-Fusion (rechts) läuft bei den selben Druck- und Tempe­ratur­verhält­nissen ab wie im Zentrum eines Sterns (links; Bild: LLNL).

Eine Möglichkeit, die notwendigen Plasmabedingungen direkt zu erzeugen, liefert die Anlage zur Träg­heits­fusion der National Ignition Facility am Lawrence Liver­more National Labora­tory in den USA. Einem Forscher­team ist es nun gelungen, erst­mals die Wirkungs­quer­schnitte bei der Fusion von je zwei Deuterium- bzw. Tritium­kernen bei Bedin­gungen zu studieren, wie sie im Zentrum schwerer Sterne vor­liegen. Im ersten Fall fusio­nierten zwei Deuterium­kerne zu Helium-3, wobei ein Neutron frei­gesetzt wurde. Im zweiten Fall ver­schmolzen zwei Tritium­kerne zu Helium-4 und sandten dabei zwei Neutronen aus. Solche Prozesse sind nicht nur für das Ver­ständnis des stel­laren Energie­umsatzes von Bedeutung – auch wenn gerade bei schweren Sternen der CNO-Zyklus dominant ist, für den diese Reak­tionen keine Rolle spielen. Doch auch für die Nukleo­synthese nach dem Urknall ist die Deuterium­fusion im unter­suchten Energie­bereich wichtig und liefert eine Erklä­rung für die beob­achtete Häufig­keit von Helium-3.

Das Experiment nutzte die gebündelte Leistung von 192 Hoch­leistungs-Laser­strahlen mit einer Gesamt­energie von 0,8 bis 1,5 Mega­joule. Diese Strahlen trafen im Zeit­raum von einigen Dutzend Nano­sekunden auf eine rund einen Zenti­meter durch­messende Gold­kapsel, in der ein Gas­gemisch einge­schlossen war. Je nach Versuch handelte es sich hierbei um eine Mischung von Protium oder Deuterium mit Tritium oder um reines Tritium.

Die starke Laserleistung erhitzte die Goldkapsel enorm, wodurch diese ther­mische Röntgen­strahlung abstrahlte, die wiederum die kohlen­stoff­haltige äußere Hülle der Kapsel ver­dampfen ließ. Dies geschah blitz­schnell und lieferte genügend Druck, um die Gold­kapsel samt Inhalt implo­dieren zu lassen und die gewün­schten Druck- und Tempe­ratur­para­meter zu erzeugen.

Bei den verschiedenen Versuchen lag die erzielte Plasma­tempe­ratur bei einigen Dutzend Milli­onen Kelvin, die Dichte bei einigen Gramm pro Kubik­zenti­meter. Das entsprach einer Verdich­tung um einen Faktor von etwa 1000. Obwohl die Fusions­bedin­gungen nur für den Bruch­teil einer Nano­sekunde lang andau­erten, war das aus­reichend, um hin­reichend viele Fusions­prozesse zu ermög­lichen. Die Ionen im Zentrum der Kapsel machten im Schnitt einige Tausend bis Hundert­tausend Kolli­sionen durch. Damit ent­sprachen die erziel­ten Bedin­gungen den­jenigen im Zentrum schwerer Sterne mit Massen von knapp zehn bis zu etwa vierzig Sonnen­massen, die am Ende ihrer Lebens­dauer in Super­novae ver­glühen. Zwei Versuche, bei denen eine besonders starke Verdich­tung gelang, lagen sogar noch ein Stück über diesen Werten.

Mit diesen Wirkungsquerschnitts-Messungen konnten die Forscher frühere Versuche an Teilchen­beschleu­nigern vali­dieren. Damit liefern sie eine wichtige unab­hängige Bestä­tigung dieser für die Astro­physik so bedeut­samen Messungen. Bei den Mess­fehler konnten die Wissen­schaftler im Vergleich zu den Beschleu­niger­experi­menten zwar keine bedeu­tenden Fort­schritte erzielen, doch handelt sich hier noch um die ersten Versuche in diesem Energie­bereich. Bei den Messungen bestä­tigte sich auch die Annahme aus früheren Beschleu­niger­experi­menten und theore­tischen Modellen, dass in diesem Energie­bereich keine uner­warteten Reso­nanzen bei der Fusion auf­treten.

Dank der guten Kontrolle über die Reaktionsbedingungen planen die Forscher bereits die nächsten Schritte an der National Ignition Facility. So sollte in hoch­dichten Plasmen insbe­sondere der abschir­mende Effekt der Plasma-Elek­tronen bedeut­sam werden. Dieser spielt zwar eine wichtige Rolle in Modellen zur Nukleo­synthese, ließ sich bis­lang aber experi­mentell in dieser Form noch nicht nach­weisen, da er bei diesen Para­meter­werten eher schwach ist. Eine indirekte Abschät­zung der Forscher bei diesen Versuchen ergab, dass die Abschir­mung durch die Plasma-Elek­tronen den Wirkungs­quer­schnitt wohl nur leicht um nicht einmal ein Prozent erhöht. Bei anderen Reak­tions­bedin­gungen sollte dieser Effekt jedoch stärker werden.

Aber auch andere Kernreaktionen, die im Innern schwerer Sterne auf­treten, wollen die Wissen­schaftler nun unter­suchen. Mit weiteren Verbes­se­rungen an der Anlage sollten sich auch die Bedin­gungen in leichteren Sternen von unge­fähr einer Sonnen­masse nach­stellen lassen. Dann wird es mög­lich sein, das Zentrum von Sternen wie unserer Sonne direkt im Labor „nach­zu­bauen“.

Dirk Eidemüller

RK

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