Stromlinien in Echtzeit
Maschinelles Lernen sagt Strömungsfelder in Sekundenbruchteilen vorher.
Wollen Ingenieure oder Designer die aerodynamischen Eigenschaften eines neu gestalteten Autos, eines Flugzeugs oder anderer Objekte testen, lassen sie den Computer normalerweise ein komplexes System von Gleichungen lösen, um den Luftstrom um das Objekt zu modellieren – ein Verfahren, das Stunden oder gar einen Tag in Anspruch nimmt. Nobuyuki Umetani von Autodesk Research und Bernd Bickel vom Institute of Science and Technology Austria haben diesen Prozess deutlich beschleunigt, sodass Stromlinien und Druckfeld nun in Echtzeit verfügbar sind. Ihre Methode basiert auf maschinellem Lernen zur Modellierung der Strömung um kontinuierlich editierbare 3D-Objekte.
Abb.: Die neue Software zeigt innerhalb von Sekundenbruchteilen die Stromlinien und den Druck an den Oberflächen von interaktiv deformierbaren Objekten. (Bild: N. Umetani)
Maschinelles Lernen kann extrem zeitaufwendige Berechnungen deutlich beschleunigen. Bisher dauerte die Berechnung der aerodynamischen Eigenschaften von Autos einen kompletten Tag. „Durch maschinelles Lernen können wir das Strömungsfeld in Sekundenbruchteilen vorhersagen“, erklärt Nobuyuki Umetani. Die Idee, maschinelles Lernen zu nutzen, entstand in einer Diskussion zwischen den beiden Wissenschaftlern, die seit Jahren zusammenarbeiten. „Wir beide teilen die Vision, Simulationen schneller zu machen“, erklärt Bernd Bickel. „Wir wollen, dass Menschen interaktiv Objekte entwerfen können, daher arbeiten wir zusammen, um datengetriebene Methoden zu entwickeln.“
Wegen der strengen Anforderungen des maschinellen Lernens war es bisher extrem schwierig, die Methode auf die Modellierung von Strömungsfeldern anzuwenden. Für maschinelles Lernen müssen sowohl die Eingabe- als auch die Ausgabedaten strukturiert sein. Dies funktioniert gut für zweidimensionale Bilder, die durch eine regelmäßige Anordnung von Pixeln leicht dargestellt werden können. Wird jedoch ein 3D-Objekt durch kleine Einheiten dargestellt wird, wie zum Beispiel durch ein Netz aus Dreiecken, kann sich die Anordnung dieser Einheiten ändern, wenn sich eine Form ändert. Zwei sehr ähnliche Objekte könnten daher für einen Computer sehr unterschiedlich aussehen, wenn sie durch ein anderes Netz repräsentiert werden. Die Maschine wäre dann nicht in der Lage, gewonnene Information über die eine Form auf die andere zu übertragen.
Die Lösung kam durch Nobuyuki Umetanis Idee, Polycubes zu verwenden, um die Formen für maschinelles Lernen handhabbar zu machen. Dieser Ansatz – ursprünglich entwickelt um Objekte in Computeranimationen mit Texturen zu versehen – verwendet strenge Regeln bei der Darstellung von Objekten. Ein Modell wird erst durch eine kleine Anzahl großer Würfel dargestellt. Diese werden dann verfeinert und nach einem genau definierten Verfahren in kleinere unterteilt. Auf diese Weise dargestellt, haben Objekte mit ähnlichen Formen auch ähnliche Datenstrukturen, die von maschinellen Lernmethoden ausgewertet und verglichen werden kann.
Die Forscher konnten in ihrer Studie auch zeigen, dass ihre Methode eine beeindruckende Genauigkeit erreicht, was beim Design neuer Autos eine wichtige Voraussetzung ist. Umetani erklärt: „Wenn Simulationen auf klassische Weise durchgeführt werden, werden die Ergebnisse für jede getestete Form nach der Berechnung schließlich verworfen. Dies bedeutet, dass jede neue Berechnung von Grund auf neu gestartet wird. Beim maschinellen Lernen nutzen wir die Daten früherer Berechnungen. So steigt die Genauigkeit, wenn wir die Berechnung wiederholen.“
IST Austria / JOL