02.06.2023

Talbot-Effekt für abertausende Qubits

Optisches Phänomen reduziert hohen Bedarf an Laserleistung.

Darmstädter Physiker haben eine Technik entwickelt, die eine der größten Hürden beim Bau eines praxis­relevanten Quanten­computers überwinden könnte. Sie nutzen dafür einen optischen Effekt, den der britische Foto­pionier William Talbot schon 1836 entdeckte. Dieser Erfolg gelang dem Team um Malte Schlosser und Gerhard Birkl vom Institut für angewandte Physik der Technischen Universität Darmstadt.

Abb.: Der Talbot-Effekt formt periodische Muster aus Laserlicht. An den Punkten...
Abb.: Der Talbot-Effekt formt periodische Muster aus Laserlicht. An den Punkten hoher Intensität können Einzelatom-Quantenbits verarbeitet werden. (Bild: APQ, TU Darmstadt)

Bisher weisen Quantencomputer maximal wenige hundert Qubits auf. Für praktische Anwendungen, etwa die Optimierung komplexer Verkehrs­flüsse, wären Quantenrechner mit vielen Tausenden, wenn nicht einigen Millionen Qubits nötig. Das Hinzufügen von Qubits verbraucht jedoch Ressourcen, etwa Laserleistung, was den Ausbau von Quanten­rechnern bislang hemmt. Das Darmstädter Team hat nun gezeigt, wie sich mithilfe des optischen Talbot-Effekts die Zahl der Qubits von einigen hundert auf über zehntausend vergrößern lässt, ohne dass proportional dazu zusätzliche Ressourcen nötig wären.

Qubits können unter­schiedlich realisiert werden. Firmen wie Google etwa nutzen künstlich hergestellte supraleitende Schaltelemente. Aber auch einzelne Atome eignen sich perfekt. Um diese gezielt ansteuern zu können, müssen die Einzelatom-Qubits in einem regel­mäßigen Gitter, einem Schachbrett vergleichbar, festgehalten werden. In der Regel nutzen Physiker dafür ein optisches Gitter aus regelmäßig angeordneten Lichtpunkten, das sich bildet, wenn Laser­strahlen sich kreuzen. „Will man die Zahl der Qubits um einen bestimmten Faktor erhöhen, muss man auch die Laser­leistung entsprechend vergrößern“, erklärt Birkl.

Sein Team erzeugt das optische Gitter auf eine neuartige Weise. Es leuchtet mit nur einem Laser auf eine fingernagel­große Fläche, auf der sich schachbrett­artig winzige optische Linsen reihen. Jede Mikrolinse bündelt einen kleinen Teil des Laserstrahls, sodass sich eine Fläche aus Brennpunkten ergibt, die Atome aufnehmen können. Zusätzlich dazu ergibt sich der Talbot-Effekt, der bislang als störend galt: Die Ebene aus Brennpunkten wiederholt sich vielfach in gleichen Abständen, Selbstbilder entstehen. So wird aus einem optischen Gitter in 2D eines in 3D, das ein Vielfaches der Lichtpunkte besitzt. „Das bekommen wir gratis“, sagt Malte Schlosser. Er meint, dass dafür keine zusätzliche Laser­leistung nötig ist. 

Die hohe Fertigungs­präzision der Mikrolinsen führt zu sehr regelmäßig angeordneten Selbstbildern, sodass sich diese für Qubits nutzen lassen. Die Forscher konnten die zusätzlichen Ebenen tatsächlich mit individuellen Atomen beladen. Mit der gegebenen Laser­leistung ergaben sich sechszehn solcher Gratis-Ebenen, was potenziell mehr als 10.000 Qubits ermöglicht. Mit herkömmlichen Lasern lasse sich die Leistung perspek­tivisch vervierfachen, sagt Schlosser.

„Auch das Mikrolinsenfeld lässt sich weiter optimieren“, führt Birkl aus, etwa mit kleineren Linsen mehr Brennpunkte erzeugen. So seien absehbar auch 100.000 Qubits und mehr möglich. Die vom Team gezeigte Skalier­barkeit der Anzahl von Qubits stellt einen wichtigen Schritt hin zur Entwicklung praxis­tauglicher Quanten­computer dar. Die Technologie sei nicht auf Quantencomputer alleine festgelegt, betont Schlosser. „Auch für hochpräzise optische Atomuhren wäre unsere Plattform potenziell nutzbar.“ Das Darmstädter Team will seine neue Qubit-Plattform weiter­entwickeln und sieht eine Vielzahl von Anwendungs­möglichkeiten im Bereich der Quanten­technologien voraus.

TU Darmstadt / JOL

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